Ernst Molden, schon früh in seinem Schaffen als “Leonard Cohen Wiens” bezeichnet, hat unter anderem mit seinen auf Wienerisch interpretierten Coverversionen bekannter Songs das Wienerlied neu interpretiert.
Ein Mann – eine Stadt
Und das ist nicht sein einziger Bezug zur Bundeshauptstadt, in der er geboren und aufgewachsen ist, in der er nun mitsamt seiner “Liebsten” genannten Frau und seiner liebevoll als “Brut” bezeichneten drei Kinder nun lebt, und auf die er einen ganz besonderen Blickwinkel hat. Seine Nähe zu Wien zieht sich durch sein gesamtes Werk – ob in Ton oder Schrift.
Ernst Moldens Blick in die Wien-Mitte
In “Wien Mitte”, seiner Kolumne, die wöchentlich in der Tageszeitung “Kurier” und nun gesammelt als Buch erschien, hat er sich Wien angenähert wie einer geliebten Frau. Mal werbend, mal zürnend nimmt er Wiener Phänomene unter die Lupe.
Der farbenfrohe Hochstrahlbrunnen am Wiener Schwarzenbergplatz findet hier ebenso Erwähnung wie stinkender Bärlauch im Prater, versteckte Kleinode von Greisslereien, Geschäfte, in denen der altmodischen Glühbirne gehuldigt wird, die gelsenbewohnte Lobau und natürlich der namensgebende Bahnhof in Wien-Landstraße, der inzwischen als Einkaufszentrum “The Mall” für Molden viel von seinem Charme eingebüßt hat.
Von Heurigen-Entdeckungen und Viennale-Besuchen
Molden berichtet in “Wien Mitte. Ein Wochenbuch”, wie er relativ spät in seinem Leben doch noch die Liebe zum Wiener Heurigen in sich entdeckt und outet sich als bereits im kindlichen Alter begeisterter Erdgeschoß-Schauer. Er philosophiert über mehr oder weniger jahreszeitgemäße Witterungserscheinungen und betont mehr als einmal seine große Affinität zum Biowetterbericht der ZAMG.
Er verrät seine bevorzugten Badeplätze und Ausflugsziele in und um Wien und berichtet von Besuchen bei Maronistandeln ebenso wie vom Kulturgenuss bei der Viennale oder im Rabenhof, den Molden auch selbst bereits mehrfach bespielte.
Sentimentales und Musikalisches
Auch an Sentimentalitäten spart der Stadt-Flaneur nicht – ob er den früher einfach im Kreis verkehrenden Ringlinien, einem einst gernbesuchten, aber nun verschwundenen Markt in Landstraße oder dem zu kurzen Wiener Sommer nachtrauert.
Was in den Kolumnen dabei immer latent mitschwingt, ist die Musik – der “Soundtrack” zum Buch beinhaltet Genre-Größen wie Bob Dylan ebenso wie den “knochentrockenen Ur-Folk von Wien” à la Walther Soyka.
Wien-Flaneur auf allen Wegen
Ob mit dem Rad, Auto, laufend oder spazierend durch Wien unterwegs – in “Wien Mitte” erscheint Ernst Molden als Flaneur mit Blick für liebenswerte oder verachtenswürdige Details. Seine emotionale Nähe zur Stadt leuchtet dem Leser aus jeder Zeile entgegen. Mit ihm die wechselnden Jahreszeiten hindurch durch die Straßen und Gassen, in die Parks und über die Plätze Wiens zu gehen, eröffnet neue Sichtweisen auf ein Umfeld, das man vielleicht nur zu gut kennt.
Der Wiedererkennungswert bekannter Orte und Erscheinungen ist dabei für Wien-Kenner naturgemäß groß, der Unterhaltungswert und Wortwitz in Moldens bildreichen Betrachtungen und schillernden Schilderungen kommt ebenfalls nicht zu kurz. Ein wenig Affinität zum Bobo-Tum sollte man jedoch unbedingt mitbringen, sonst wird man mit dem Buch wenig anfangen können.
Wien, Wien, nur du allein
Fazit: “Wien Mitte” ist ein Glücksfall unter den Wien-Büchern, eine Liebeserklärung an eine unvollkommene Stadt mitsamt all ihren Schönheitsfehlern, Ecken und Kanten.
Lesende, die hier leben, werden sich in der Wahl ihrer Heimatstadt vielfach bestätigt fühlen – und wer das Buch fernab von Wien liest, dem droht durch das plastisch entstehende Stadtbild à la Ernst Molden akute Heimweh-Gefahr.
(DHE)
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