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Pistorius-Prozess: Staatsanwaltschaft beruft gegen Urteil

Staatsanwaltschaft will Pistorius-Urteil anfechten.
Staatsanwaltschaft will Pistorius-Urteil anfechten. ©EPA
Der südafrikanische Paralympics-Star Oscar Pistorius soll nach dem Willen der obersten Justizbehörde seines Landes viel länger als fünf Jahre für die Erschießung seiner Freundin Reeva Steenkamp büßen. Gegen das Urteil werde die Staatsanwaltschaft "innerhalb der nächsten Tage" Berufung einlegen, kündigte die Nationale Strafverfolgungsbehörde (NPA) am Montag in Pretoria an.
"Reeva hatte nie Sex mit Oscar"
Pistorius zu fünf Jahren Haft verurteilt

Bei der Behörde, die im südafrikanischen Rechtssystem über der Anklagevertretung steht, hatte sich nach der Verkündung des Strafmaßes für Pistorius am vergangenen Dienstag auch die einflussreiche Frauenliga des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) beschwert.

Rechtliche Fragen wurden geprüft

NPA-Sprecher Nathi Mcnube erklärte, die Behörde habe in den vergangenen Tagen rechtliche Fragen geprüft, die sich aus dem Verfahren und dem Urteils gegen Pistorius ergeben hätten. Staatsanwalt Gerrie Nel und seine Assistentin hätten auf dieser Grundlage begutachtet, ob es hinreichende Argumente gebe, den Fall neu aufzurollen.

Mordurteil: 25 Jahre Haft

Mit dem angestrebten Verfahren vor dem Obersten Berufungsgericht sollen sowohl der Schuldspruch gegen Pistorius wegen fahrlässiger Tötung als auch das Strafmaß von fünf Jahren angefochten werden. Sollte es zu einer Berufungsverhandlung kommen, könnte der 27-Jährige nach Einschätzung von Strafrechtsexperten möglicherweise doch noch wegen Mordes verurteilt werden.

Darauf steht in Südafrika lebenslänglich, was in der üblichen Rechtspraxis des Landes auf 25 Jahre Haft hinausläuft. Ob die Berufung vom zuständigen Gericht zugelassen wird, ist jedoch noch unklar. Auch der Zeitpunkt der offiziellen Beantragung sowie der Entscheidung darüber waren zunächst offen.

Pistorius könnte erneut auf Kaution freikommen

Sollte es zu einem Berufungsverfahren kommen, könnte Pistorius beantragen, bis zu einem Urteil erneut auf Kaution in Freiheit zu bleiben. Falls dies zugestanden wird, könnte er das Gefängnis verlassen, in das er nach der Verkündung des Strafausmaßes am Dienstag vergangener Woche eingewiesen worden war. Ein Berufungsverfahren kann sich nach Einschätzung des Strafrechtsexperten Andre Thomashausen von der Johannesburger Kanzlei Werth Schröder Inc. über zwei oder mehr Jahre erstrecken.

Freundin durch Toilettentür erschossen

Pistorius hatte seine 29-jährige Freundin in der Nacht zum Valentinstag 2013 durch eine geschlossene Toilettentür in seinem Haus bei Pretoria erschossen. Er hatte vier Schüsse aus einer großkalibrigen Pistole abgefeuert und später vor Gericht erklärt, die Person hinter der Tür für einen Einbrecher gehalten zu haben.

Staatsanwalt Nel hatte ihn wegen Mordes angeklagt. Richterin Thokozile Masipa befand jedoch am 12. September, für Mord seien keine hinreichenden Beweise vorgelegt worden. Sie stufte Zeugen der Anklage als wenig glaubwürdig ein und sprach Pistorius lediglich der fahrlässigen Tötung schuldig.

Chronologie: Tat, Prozess, Urteil, Strafe

Der beinamputierte südafrikanische Sprinter Oscar Pistorius gewann einst mit seinen zwei Prothesen Goldmedaillen bei Paralympics und trat auch bei Olympischen Spielen an. Die Tötung seiner Freundin brachte ihn vor Gericht. Der Prozess geht weiter.

14. Februar 2013: Nach den tödlichen Schüssen auf seine Freundin Reeva Steenkamp in der Nacht zum Valentinstag steht Pistorius unter Mordverdacht. Er wird festgenommen.

19. Februar: Er habe geglaubt, auf Einbrecher zu schießen, sagt der Sportstar.

22. Februar: Pistorius kommt gegen Kaution und Auflagen frei. Ein Richter kritisiert Staatsanwaltschaft und Polizei: Es gebe keine klaren Beweise für eine vorsätzliche Tat. Aber auch Pistorius’ Aussage sei widersprüchlich.

3. März 2014: Der Prozess beginnt in Pretoria. Pistorius ist wegen Mordes angeklagt beteuert erneut seine Unschuld.

15. April: Nach mehrtägigem Kreuzverhör ist die Staatsanwaltschaft weiter davon überzeugt, dass Pistorius seine Freundin absichtlich erschossen hat – und sieht viele Widersprüche in seinen Aussagen.

26. Mai: Der Angeklagte wird auf Anordnung des Gerichts Tagespatient in der Psychiatrie. Die Beobachtung soll Aufschluss über die Schuldfähigkeit geben. Eine Psychiaterin hatte Pistorius eine Angststörung bescheinigt.

30. Juni: Pistorius ist Gutachtern zufolge schuldfähig.

7./8. August: Im abschließenden Plädoyer erneuert der Chefankläger seinen Mordvorwurf, der Verteidiger fordert Freispruch.

11./12. September: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius wegen fahrlässiger Tötung schuldig. Die Höchststrafe dafür beträgt 15 Jahre Gefängnis. Er bleibt bis zur Verkündung des Strafmaßes gegen Kaution in Freiheit.

13. Oktober: Die mehrtägige Anhörung zum Strafmaß beginnt.

17. Oktober: Die Verteidigung fordert, Pistorius das Gefängnis zu ersparen. Sie will Hausarrest. Die Anklage hält mindestens zehn Jahre Gefängnis für die angemessene Strafe.

21. Oktober: Richterin Thokozile Masipa verurteilt Pistorius wegen fahrlässiger Tötung von Reeva Steenkamp zu fünf Jahren Haft. Der ehemalige Sprintstar kommt in Haft.

27. Oktober: Die oberste Strafverfolgungsbehörde legt Berufung sowohl gegen das Strafausmaß als auch gegen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung ein.

(APA)

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