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SPÖ-Vorstand beschloss Kriterienkatalog für künftige Koalitionen und Urabstimmung

Auch sieben von Kern beschlossene Koalitionsbedingungen wurden beschlossen.
Auch sieben von Kern beschlossene Koalitionsbedingungen wurden beschlossen. ©APA
Am Mittwoch hat der SPÖ-Vorstand wie erwartet den Kriterienkatalog für künftige Koalitionen und eine Urabstimmung über ein etwaiges Koalitionsabkommen nach der Wahl im Herbst abgesegnet. Auch sieben von Parteichef Christian Kern eingebrachte Koalitionsbedingungen wurden beschlossen. Damit sollen die parteiinternen Debatten über den Umgang mit der FPÖ befriedet werden.

Der Beschluss über die Koalitionsbedingungen und die Mitgliederbefragung fiel dem Vernehmen nach einstimmig, beim Kriterienkatalog gab es nach Informationen der APA vier Gegenstimmen.

Die Koalitionsbedingungen der SPÖ

Zusätzlich zum eher vagen Kriterienkatalog hat die SPÖ auch sieben “Koalitionsbedingungen” für die Nationalratswahl im Herbst beschlossen. Eine Überraschungstüte ist die Liste inhaltlich eigentlich nicht, ein paar Neuigkeiten enthält sie dennoch: Die SPÖ will die Steuern auf Arbeit um drei Mrd. Euro senken, 1.500 Euro Gehalt steuerfrei und eine Volksabstimmung über die Verwaltungsreform.

Während der Kriterienkatalog von einer Gruppe um Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser ausgearbeitet wurde, ist die Liste mit den Koalitionsbedingungen als zusätzlicher präziserer Teil von SPÖ-Chef Christian Kern den Parteigremien vorgeschlagen worden. Möglichst alle Punkte will Kern in einem etwaigen nächsten Koalitionsprogramm stehen haben – auch eine Gewichtung nach Relevanz gibt es nicht. Die Liste enthält allerdings Hürden sowohl Richtung ÖVP als auch Richtung FPÖ. Bis zur Wahl kann auch noch der eine oder andere Punkt dazukommen, heißt es. Überhaupt soll im August ein weiterführendes Wahlprogramm vorgelegt werden, die sieben Punkte sollen als “Spitze eines sehr breiten Programms” gesehen werden. Dementsprechend handelt es sich beim am Mittwoch vorgelegten Papier de facto auch eher um Überschriften:

Die STEUERN auf Arbeit sollen gesenkt werden, und zwar um drei Milliarden Euro. Das ist gar nicht so wenig, wenn man bedenkt, dass die Lohnsteuer heuer 25,7 Milliarden Euro bringen soll. In der SPÖ wird aber betont, dass es bei der Steuersenkung nicht unbedingt nur um die Lohnsteuer gehen muss, sondern beispielsweise auch um Lohnnebenkosten wie FLAF-Beiträge. Finanziert werden soll das durch den Stopp von “Steuerumgehung von Großkonzernen”. Zudem ist indirekt von einer Maschinensteuer die Rede: Man werde nicht zulassen, “dass der Sozialstaat durch die zunehmende Robotorisierung gefährdet wird und eine entsprechende Steuerstrukturreform mit dem Ziel, Arbeitseinkommen zu entlasten, auf den Weg bringen”.

Ebenfalls auf der Liste findet sich die allseits bekannte Forderung nach 1.500 Euro MINDESTLOHN. Darüber wird derzeit auf Ebene der Sozialpartner verhandelt. Die ersten 1.500 Euro Einkommen sollen ab 2019 außerdem steuerfrei sein. Laut Brutto-Netto-Rechner des Finanzministeriums macht die Lohnsteuer bei einem Jahresbruttoeinkommen von 21.000 Euro (14 mal 1.500 Euro) immerhin 645 Euro jährlich aus. Nicht wegfallen würden da freilich die Sozialversicherungsbeiträge von fast 3.600 Euro.

Schon lange von den Sozialdemokraten gefordert wird ein RECHTSANSPRUCH auf GANZTAGS-KINDERBETREUUNG ab dem vollendeten ersten Lebensjahr – dieser soll, geht es nach Kern, bis 2020 umgesetzt sein.

Im Bereich Integration wünscht sich die SPÖ 5.000 zusätzliche LEHRER in Brennpunktklassen und außerdem im Sicherheitsbereich 2.500 POLIZISTEN “mehr auf unseren Straßen” ab 2020.

In die sieben Punkte geschafft hat es auch die bekannte rote Forderung nach einer ABSCHAFFUNG des PFLEGEREGRESSES, finanziert über eine STEUER AUF ERBSCHAFTEN und Schenkungen von über einer Million Euro.

Nicht wirklich aussagekräftig ist der Punkt zum Thema PENSIONEN, das auch schon in Kerns “Plan A” ausgespart wurde: “Sichere Pensionen für alle statt Pensionsprivilegien für einige wenige”, heißt es da bloß.

Ebenfalls ein Klassiker in Wahlprogrammen ist die VERWALTUNGSREFORM: Die SPÖ will die Verwaltung modernisieren und “Verschwendung beenden”, und zwar durch eine Volksabstimmung über das Prinzip “Eine Aufgabe, eine Zuständigkeit”.

Kern macht Erbschaftssteuer zur Koalitionsbedingung

Die SPÖ hat am Mittwoch in den Gremien Pflöcke für künftige Koalitionen eingeschlagen. Neben dem allgemeinen Kriterienkatalog legte Parteichef Christian Kern sieben Koalitionsbedingungen für die Nationalratswahl im Herbst vor, die er möglichst alle umgesetzt sehen will: Darunter die Erbschaftssteuer, ein steuerbefreiter Mindestlohn und eine Senkung der Steuern auf Arbeit um drei Milliarden Euro.

Im Steuerbereich fordert die SPÖ auch “Schluss mit Steuerprivilegien und Sonderrechten für Großkonzerne”. Weiters will Kern einen Mindestlohn von 1.500 Euro und alle Einkommen bis 1.500 Euro steuerfrei, einen Rechtsanspruch auf Ganztags-Kinderbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, zusätzliche Lehrer und Polizisten, “sichere Pensionen für alle” und eine Volksabstimmung über eine Verwaltungsreform. Besonders heikel für mögliche künftige Koalitionspartner ÖVP und FPÖ dürfte die Bedingung sein, mit einer Steuer auf Erbschaften ab einer Million Euro die Abschaffung des Pflegeregresses zu finanzieren.

Auf die Frage, wie viele der sieben Punkte für eine Koalition erfüllt werden müssen, wollte sich Kern nicht wirklich einlassen: Alle seien gleichwertig und er sei sich sicher, dass man die Österreicher am 15. Oktober mit dem Programm überzeugen könne, weshalb er davon ausgehe, alle umsetzen zu können, gab sich Kern selbstsicher. Gefragt, ob er auch in Opposition Parteichef bleiben würde, meinte Kern: “Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich diese Frage nicht beantworten werde müssen.”

Parteitagsbeschluss gegen FPÖ könnte aufrecht bleiben

Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern sieht nach den roten Parteibeschlüssen nun die anderen Parteien am Zug. Dass die SPÖ mit dem Kriterienkatalog einen Schritt auf die FPÖ zugemacht hat, verneinte Kern. Im Gegenteil: Die Freiheitlichen könnten nun nicht mehr sagen, sie würden ausgegrenzt. Die FPÖ könne nun selbst entscheiden, “ob sie auf das Spielfeld zurückkehrt”, sagte Kern.

Es gebe inhaltlich große Differenzen zwischen SPÖ und FPÖ, verwies Kern unter anderem auf Frauen- und Integrationspolitik. Es sei jetzt an der FPÖ, sich ein großes Stück inhaltlich zu bewegen. Kern sah daher vorerst keine Grundlage, den Parteitagsbeschluss, der eine Koalition mit der FPÖ ausschließt, aufzuheben. Kern schloss auch nicht aus, dass dieser aufrecht bleibt. Kern bezeichnete den damaligen Anti-FPÖ-Beschluss “eine absolute richtige und nachvollziehbare Entscheidung”, räumte aber ein, dass sich die SPÖ damit de facto auf einen einzigen möglichen Koalitionspartner, die ÖVP, eingeengt habe.

Kern lenkte die parteiinterne Streitfrage zum Umgang mit der FPÖ mit den sieben Koalitionsbedingungen auf eine inhaltliche Ebene. “Mir geht es um eine klare Festlegung, so dass sich jeder Österreich ein Bild machen kann.” Der “Wertekompass” sei darüber hinaus ein Katalog, “war wir uns von einem potenziellen Regierungspartner erwarten”.

Nach der Wahl im Herbst und allfälligen Koalitionsverhandlungen soll ein Regierungsvertrag den Parteimitgliedern zur bindenden Abstimmung vorgelegt werden, unabhängig davon, ob er mit der FPÖ oder einer anderen Partei ausverhandelt wurde. Der Forderung des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Niessl, vor der Wahl die Mitglieder über einer Zusammenarbeit mit den Blauen entscheiden zu lassen, kann Kern nichts abgewinnen: Dafür sehe er keine Grundlage vorhanden, meinte Kern, man lasse im Fall des Falles über ein konkretes Programm abstimmen, sagte er.

Als Vorbild für die Urabstimmung diente die deutsche Schwesterpartei SPD, die dies nach der letzten Bundestagswahl so gehandhabt hat, wie Kern erläuterte. Die Abstimmung gelte konkret für die Nationalratswahl im Herbst, nicht für alle künftigen Wahlen.

Die vier Gegenstimmen zum Kriterienkatalog kamen im Vorstand von den Vertretern der Parteijugend, sagte Kern auf Journalistenfragen. Er freue sich aber, dass die inhaltlichen Koalitionsbedingungen einstimmig beschlossen wurden.

Wiener Genossen sehen keinen Schritt Richtung FPÖ

Die Wiener SPÖ-Stadträte Michael Ludwig und Sandra Frauenberger sehen in den jüngsten Gremienbeschlüssen keinen Schritt Richtung FPÖ: “Nein”, meinte Ludwig am Mittwoch schlicht auf eine entsprechende Frage. “Das sehe ich so nicht, nein”, meinte auch Frauenberger gegenüber Journalisten. Sie hoffe, dass damit die Debatte beendet sei.

Ein Sprecher des Wiener Bürgermeisters und Landesparteichefs Michael Häupl betonte gegenüber der APA, dass sich an der Position des Bürgermeisters nichts geändert habe. Parteitagsbeschlüsse würden weiterhin gelten. Eine etwaige Koalition mit der FPÖ wäre nur mit einer Urabstimmung möglich, die jedenfalls nach einer Wahl erfolgen müsse und nicht vorher. Denn erst dann würden die Fakten auf dem Tisch liegen.

Ludwig bezeichnete den Kriterienkatalog als “tragfähige Basis für eine Wahlauseinandersetzung”, die man nach langen Diskussionen beschlossen habe. In Sachen Mitgliederabstimmung hätte ihm freilich genügt, wenn der Parteivorsitzende, der ja mit breitem Vertrauen ausgestattet sei, über eine Koalition entscheide, prinzipiell spreche aber aus seiner Sicht auch nichts dagegen, die Parteimitglieder zu befragen. Die Frage, ob die parteiinternen Diskussionen damit beendet seien, umschiffte Ludwig: Man führe jetzt keine Gespräche über Koalitionen. Flügelkämpfe gebe es keine, die Wiener SPÖ stehe “geeint” hinter dem Ergebnis der Gremien und Christian Kern als Parteichef und Spitzenkandidat, betonte Ludwig.

Die Wiener SPÖ ist seit Monaten von einem Richtungsstreit geprägt. Ludwig gilt als Nachfolgekandidat von Michael Häupl und als Vertreter jener Flächenbezirke, die die Partei für FPÖ-affine Wähler wieder attraktiver machen wollen. Demgegenüber will der Flügel, dem Frauenberger angehört, an der FPÖ nicht anstreifen und die Zusammenarbeit mit den Grünen forcieren.

Unterdessen freute sich der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer, dass seine Forderung nach einer Urabstimmung über jeglichen Koalitionsvertrag nach der Nationalratswahl im Herbst einstimmig angenommen wurde. “Das ist Basisdemokratie, wie ich sie mir vorstelle”, meinte er, “im Gegensatz zur One-Man-Show” des neuen ÖVP-Chefs Sebastian Kurz.

Landeshauptmann Niessl kann mit Vorgangsweise gut leben

Der burgenländische Landeshauptmann und SPÖ-Landesparteichef Hans Niessl kann mit der am Mittwoch von der SPÖ beschlossenen Vorgangsweise “gut leben”. Das erklärte sein Sprecher am Abend gegenüber der APA. Dass eine Urabstimmung über ein etwaiges Koalitionsabkommen erst nach der Wahl und nicht wie von Niessl vorgeschlagen schon vorher stattfinden soll, gehe ebenfalls in Ordnung.

Niessl ist selbst nicht im Parteivorstand oder Präsidium, das Burgenland wird von Minister Hans Peter Doskozil und Landesrätin Verena Dunst vertreten. Sie haben den Neuerungen zugestimmt und das sei somit ok, meinte der Sprecher. Wichtig sei, dass mit allen Parteien gesprochen werde, ebenso die Grundsätze der Sozialdemokratie. Die Mitgliederbefragung nach der Wahl sei “absolut ok”, im Burgenland habe man lediglich eine andere Vorgangsweise als im Bund gewählt.

>> Mehr Infos dazu hier.

(APA/Red)

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