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SPÖ droht in BVT-Affäre mit U-Ausschuss

Die SPÖ unter Christian Kern ruft eine Sondersitzung in der BVT-Affäre ein.
Die SPÖ unter Christian Kern ruft eine Sondersitzung in der BVT-Affäre ein. ©APA/ROLAND SCHLAGER
SPÖ-Parteichef Christian Kern will Innenminister Herbert Kickl in der BVT-Affäre ins Parlament zitieren. Die Oppositionspartei hat eine Sondersitzung des Nationalrates angekündigt.
BVT: FPÖ spricht von Fake-News
Ermittlungen gegen Verfassungsschutz

Parteichef Christian Kern kritisierte, “dass hier eine offensichtlich wohlbegründete Ermittlung der Staatsanwaltschaft genutzt wird, um den politisch gewünschten Umbau der Sicherheitskräfte zu betreiben”. Er will daher mit den anderen Oppositionsparteien Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ins Parlament zitieren. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die die Ermittlungen in der Causa führt, nahm Kern zwar in Schutz: Er gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft gewohnt sorgsam vorgehe und die nötigen richterlichen Genehmigungen für die Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) eingeholt habe.

Scharfe Kritik übte der SP-Chef aber daran, dass die Hausdurchsuchung durch die von einem FPÖ-Politiker geführte Einheit zur Bekämpfung der Straßenkriminalität durchgeführt wurde und nicht etwa vom Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung oder von der Cobra; und dass dabei auch Daten der Abteilung für Extremismusbekämpfung beschlagnahmt wurden.

Kern vermutet internen Kampf im BVT

“Offensichtlich haben hier der FPÖ nahestehende Kräfte im Innenministerium die Gelegenheit am Schopf gepackt und Tatsachen geschaffen – weit über den ursprünglichen Ermittlungsinhalt hinaus”, sagte Kern. Er vermutet hinter den Ermittlungen einen internen Kampf im BVT und möglicherweise auch eine Auseinandersetzung zwischen ÖVP und FPÖ. Das Vertrauen in den Sicherheitsapparat und in die Geheimdienste werde dadurch “massiv erschüttert”.

Dass Kickl bei der Sondersitzung keine Fragen beantworten kann, weil die Staatsanwaltschaft die Causa als Verschlussakt führt, befürchtet Kern nicht. Es gehe auch um Themen, die öffentlich diskutiert werden können. Unter anderem kritisierte Kern auch das geplante “Überwachungspaket” der Regierung und die jüngst bekannt gewordenen Vorwürfe gegen das Innenministerium, scheinselbstständige Mitarbeiter für Telefonüberwachungen eingesetzt zu haben, sowie die Vorwürfe gegen die Telekom Austria, Kundendaten unbefugt zu speichern.

Kickl solle laut SPÖ Klarheit schaffen

Kickl werde jedenfalls Gelegenheit haben, Klarheit zu schaffen. Sollte das nicht gelingen, werde man weitere Schritte überlegen: “Da steht naturgemäß auch ein Untersuchungsausschuss im Raum.” Beantragt werden soll die Sondersitzung laut SPÖ voraussichtlich noch am Freitag – sie müsste dann binnen acht Werktagen stattfinden.

Liste Pilz unterstützt Sondersitzung

Die Liste Pilz hat am Freitag ihre Unterstützung für eine Sondersitzung des Nationalrats zur BVT-Affäre erklärt. Als Wunschtermin nannte Klubobmann Peter Kolba den 20. März. Dabei will die Liste anhand von 50 Fragen an Innenminister Herbert Kickl (ÖVP) und Justizminister Josef Moser (ÖVP) Hintergründe für die Ermittlungen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) erfahren. Kolba sprach bei einer Pressekonferenz davon, dass sich rund um die Affäre ein “ungeheurer Skandal anbahnt”. “Verstörend” sei alleine schon, dass die Hausdurchsuchung im BVT und in Wohnungen von hohen Beamten des Verfassungsschutzes von schwerbewaffneten Polizisten der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität durchgeführt wurde, die von einem freiheitlichen Gemeindepolitiker geleitet wird. Dies sei, als würde man “Park-Sheriffs zu einem Bankraub rufen”.

Die starke Bewaffnung könne laut der sicherheitspolitischen Sprecherin der Liste Pilz, Alma Zadic, zudem nur darauf schließen lassen, dass sich der Einsatz gegen gefährliche “Mafia ähnliche” Strukturen gerichtet hat. “Warum wurde dann aber nicht die Cobra hinzugezogen?”, fragte Zadic. Die Sprecherin vermutete, dass “die FPÖ ihre Finger im Spiel hat”.

Liste Pilz will Antworten auf 50 Fragen

Zudem soll bei der Hausdurchsuchung auch die Festplatte der Leiterin der Referatsleiterin für Extremismus im BVT mitgenommen worden sein, auf der sich auch alle Ermittlungen im rechtsextremistischen Milieu befinden. Hier seien laut der Liste Pilz, die sich ihrerseits wiederum auf Berichte des “Standard” und des “Profil” bezog, unter anderem Kontakte von FPÖ-Politikern zu Mitgliedern der “Identitären Bewegung” verzeichnet.

Auch die Namen von Informanten seien auf der Festplatte abgespeichert gewesen. Auf diese Daten konnte Zadic zufolge nur eine kleine Gruppe von hohen Beamten in BVT zugreifen. Zudem wurde jeder Zugriff registriert. Falls die Festplatte nun – wie kolportiert wurde – kopiert wurde, würden diese Sicherungsmaßnahmen nicht länger gelten. “Wer hat jetzt Zugriff?”, wollte Zadic wissen.

Die Liste will diese und andere Fragen bei der Sondersitzung erörtern. Sie sieht dabei nicht nur Innen- und Justizminister, sondern auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in der Verantwortung. Kurz habe Kolba zufolge letztlich zugelassen, dass die FPÖ die Verantwortung sowohl für Polizei und damit die Geheimdienste sowie für das Bundesheer trägt.

Van der Bellen findet Vorgänge “irritierend”

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erwartet sich in der BVT-Affäre von den zuständigen Stellen “eine rasche und vollständige Aufklärung”. In einer Stellungnahme meinte das Staatsoberhaupt, die Vorgänge rund um das Bundesamt seien “höchst ungewöhnlich und irritierend”.

Über das Bundesamt für Verfassungsschutz

Das gerne im Verborgenen agierende Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) steht aufgrund von umstrittenen Hausdurchsuchungen nun selbst im Rampenlicht. Zu seinen Kernaufgaben zählen die Bekämpfung extremistischer und terroristischer Phänomene, von Spionage, des internationalen Waffenhandels, des Handels mit Kernmaterial und der organisierten Kriminalität.

Das BVT ist 2002 aus der Staatspolizei sowie einigen Sondereinheiten (EDOK und EBT – Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus) entstanden. Als polizeiliche Staatsschutzbehörden fungiert das BVT mit neun Landesämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT). Das BVT ist Teil einer Sicherheitsbehörde und organisationsrechtlich in der Sektion II, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, des Bundesministeriums für Inneres (BMI) eingegliedert. Die LVT sind organisatorisch den jeweiligen Landespolizeidirektionen (LPD) zugehörig und somit auch Teil einer Sicherheitsbehörde.

BVT soll extremistische Phänomene bekämpfen

Die Aufgaben des BVT sind im Polizeilichen Staatsschutzgesetz folgendermaßen definiert: “Der polizeiliche Staatsschutz dient dem Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit sowie von Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderer Völkerrechtssubjekte nach Maßgabe völkerrechtlicher Verpflichtungen, kritischer Infrastruktur und der Bevölkerung vor terroristisch, ideologisch oder religiös motivierter Kriminalität, vor Gefährdungen durch Spionage, durch nachrichtendienstliche Tätigkeit und durch Proliferation sowie der Wahrnehmung zentraler Funktionen der internationalen Zusammenarbeit in diesen Bereichen.”

Zu den Kernaufgaben des BVT zählen damit die Bekämpfung extremistischer und terroristischer Phänomene, von Spionage, des internationalen Waffenhandels, des Handels mit Kernmaterial und der organisierten Kriminalität in diesen Bereichen. Darüber hinaus obliegt dem BVT die Veranlassung und Koordination bzw. Umsetzung von Personen- und Objektschutzmaßnahmen, der Schutz von Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderen Völkerrechtssubjekten. Das BVT erstellt jährlich den Verfassungsschutzbericht.

Wiener Grüne fordern Aufklärung von Wiener Polizei

Die Wiener Grünen fordern nach den Hausdurchsuchungen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Aufklärung – und zwar von der Wiener Polizei, da diese für die operative Umsetzung verantwortlich gewesen sei, wie es in einer Aussendung von Sicherheitssprecherin Birgit Hebein am Freitag hieß. Sie hat einen offenen Brief an Polizeipräsident Gerhard Pürstl verfasst. Die Vorwürfe gegen Führungskräfte und Mitarbeiter im Verfassungsschutz seien verstörend, befand Hebein. Sie würden sich gegen jene polizeiliche Einrichtung richten, die im Krisenfall das Funktionieren der Demokratie schützen solle: “Aber auch die Ermittlungen selbst sind Anlass für höchste Beunruhigung. Sehen wir uns mit einem blauen Putsch in der Polizei konfrontiert? Oder versucht ein schwarzes Netzwerk in der Polizei ihre Machenschaften zu vertuschen? Das Innenministerium und die Justiz haben bisher wenig zur Aufklärung dieser fundamentalen Vertrauenskrise beigetragen”, kritisierte Hebein.

Der Brief an Pürstl beinhaltet insgesamt 20 Fragen. Hebein möchte etwa wissen, welche Dienststellen der Landespolizeidirektion Wien mit der Causa beauftragt wurden und welche den Einsatz der “Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität” angeordnet habe. Auch die Gründe für den Einsatz dieser Spezialisten werden erfragt. Zudem erkundigt sie sich, warum Schutzwesten und Sturmhauben getragen worden sind. Auch ob Festplatten oder Datenbanken kopiert wurden, möchte die Grün-Politikerin wissen.

BVT-Affäre in Politik angekommen

Die Vorgänge rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sind vollends in der Politik angekommen. Die SPÖ kündigte am Freitag eine Sondersitzung des Nationalrats zur Affäre an, die NEOS beriefen den Nationalen Sicherheitsrat ein. Neben der Opposition meldete sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Wort. Vertreter des Ministeriums gaben sich wortkarg.In den vergangenen Tagen waren Hausdurchsuchungen bei Mitarbeitern des BVT bekanntgeworden. Grundlage soll ein Ermittlungsverfahren der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen Amtsmissbrauchs sein, BVT-Chef Peter Gridling könnte vor der Ablöse stehen. Allerdings sollen dabei auch Datenträger, die mit der Causa an sich nichts zu tun haben, beschlagnahmt worden sein. Vielmehr gehe es dabei um Extremismus, wird kolportiert.

Justizminister Josef Moser (ÖVP) erwartet zur Causa einen Bericht Anfang nächster Woche. Der Sachverhalt und die in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Argumente und Umstände “machen es erforderlich, umgehend sich berichten zu lassen”, sagte er. Van der Bellen erwartet sich in der Affäre von den zuständigen Stellen “eine rasche und vollständige Aufklärung”. Die Vorgänge rund um das Bundesamt seien “höchst ungewöhnlich und irritierend”, meinte er.

Kickl sieht sich als “falscher Ansprechpartner”

Als “falscher Ansprechpartner” sieht sich Kickl. Er meinte im Ö1-“Mittagsjournal”, “dass mir eine entsprechende Beurteilung überhaupt nicht zusteht”. Die Staatsanwaltschaft führe das Verfahren und sei auch dafür verantwortlich, welche Maßnahme gesetzt wird. Der Generalsekretär des Ressorts, Peter Goldgruber, meinte zur angeblichen Beschlagnahme von Extremismus-Daten, man habe “keine Leute im Einsatz gehabt, die das auch tun hätten können”.

Mehr Licht ins Dunkel könnte Freitagnachmittag geraten. Für diesen Zeitpunkt lud der Generalsekretär des Justizministeriums, Christian Pilnacek, zu einer Pressekonferenz mit dem Thema “Klarstellungen in der Causa BVT”.

Kurz fordert “volle Aufklärung”

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich Freitagnachmittag zu den Vorgängen rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) geäußert. In einer sehr knapp gehaltenen schriftlichen Stellungnahme forderte er “volle Aufklärung und Transparenz aller beteiligten Ministerien” und verwies auf den von Justizminister Josef Moser (ÖVP) angekündigten umfassenden Bericht.

APA/Red.

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