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Sohn in der Wiener Arena: Melancholische Klangwelten begeistern zum Tourauftakt

Sohn gastierte am Montag in der Wiener Arena
Sohn gastierte am Montag in der Wiener Arena ©4AD / Phil Knott
In einer prall gefüllten Wiener Arena gab Christopher Taylor aka Sohn am Montagabend seinen Tourauftakt. Der gebürtige Brite offerierte seinem Publikum melancholische Töne und dichte Arrangements in einem Wechselspiel aus Kraft und Zerbrechlichkeit.

Mit “Rennen” hat er als Sohn ein zweites, sehr überzeugendes Album vorgelegt. Nicht nur deshalb kannte das Gedränge am Montagabend bei seinem Tourauftakt in der Wiener Arena kaum Grenzen.

Melancholische Klänge in der Wiener Arena beim Tourauftakt von Sohn

Christopher Taylor hatte allen Grund, zufrieden zu lächeln. In der übervollen Halle gab es eine solide Darbietung zu erleben, aber durchaus mit Luft nach oben. Denn auch Melancholie verträgt Dynamik und Druck. In gewisser Weise war es eine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte, war Taylor doch mehrere Jahre lang Wahlwiener und hier musikalisch bestens vernetzt. Doch vor einiger Zeit gab es die künstlerische Neudefinition, die ihm zu Erfolg weit über die Landesgrenzen hinaus verhalf. Mit seinem Debütalbum “Tremors” und einer anziehenden Mischung aus Soul und Elektronik traf der Musiker 2014 den Nerv der Zeit, ausverkaufte Gigs und ein Umzug nach Kalifornien folgten.

Zweites Album “Rennen” auch live bestechend

Gespannt wartete die Fangemeinde dann auf den Nachfolger des gebürtigen Londoners: Auf dem Anfang des Jahres erschienenen “Rennen” verfeinerte er nochmals seine Rezeptur. “Ich versuchte, weniger zu tun und mich weniger zu sorgen, in einem positiven Sinn”, schmunzelte Taylor vor dem Konzert im APA-Gespräch. “Vorher war ich immer in alles involviert, diesmal habe ich mich zurückgenommen. Ich wollte den Songs nicht die Luft abschneiden.” Vorhaben geglückt: Auch live bestechen neue Stücke wie “Signal” oder “Proof” durch Fokussierung und Reduktion, wird trotz dichter Arrangements nicht nur Sound über Sound getürmt, sondern effektvoll musiziert. All das hätte allerdings wenig Sinn, wäre da nicht die Stimme Taylors: Mal fragil, dann mit reichlich Kraft ausgestattet, ist sie es, die den Hörer durch die Klangwelten führt und als sicherer Anker fungiert.

Dass er “Rennen” nicht zu verkopft anging, hatte auch einen weiteren Grund: Vor wenigen Monaten wurden aus dem Sohn ein Vater. “Mein Kind Eliot kam im Oktober zur Welt. Daher hatte ich vor der Veröffentlichung andere Dinge, an die ich dachte”, lachte der Musiker. “Ich war an der Platte eigentlich gar nicht interessiert. Und dann schoss mir plötzlich in den Kopf: Verdammt, das Album erscheint in zwei Wochen. Das war ein gutes Gefühl.” Live wird Sohn inzwischen auch von einem Schlagzeuger unterstützt. Neben zwei weiteren Musikern an Percussion, Backgroundvocals und diversen Tasteninstrumenten, wird so ein aufwendiger Klangteppich erzeugt, der allerdings gerade in melancholischen Passagen einige Nachteile offenbart. Zumindest entstand in der Arena teils das Gefühl, von einer Fläche erdrückt zu werden. So klar und direkt der Sound war, vermisste man Abwechslung durch druckvollere Passagen oder eine spielerische Herangehensweise an die durchaus vorhandene Dynamik der Songs.

Spannung durch den Gegensatz von Harmonie und lärmenden Momenten

Klar ist aber auch: Lieder wie “Hard Liquor” oder “Conrad” vom neuen Album sowie “The Wheel” oder “Artifice” von der alten Platte sind waschechte Hits. Hier lehnte sich Taylor mit seinen Mitstreitern, eingerahmt in die optisch ansprechende Umsetzung des Plattencovers als Bühnendeko und mit minimalistischen Lichteffekten in Szene gesetzt, ein paar Mal aus dem Fenster. Verließ er dabei das melodiöse Fahrwasser, war zu erkennen, was noch möglich sein kann: Spannung durch den Gegensatz von Harmonie und lärmenden Momenten, helle und düstere Passagen im interessanten Gegenspiel.

Definitiv kein Spiel waren die politischen Ereignisse der vergangenen Monate: Präsidentschaftswahl in Österreich, Brexit in seinem Geburtsland, Trumps Wahl in seiner neuen Heimat. All das hatte Einfluss auf die Lieder. “So war es erstmals der Fall, dass ich einen Input von außen bezog. Zuvor waren die Songs meist ganz aus dem Innersten gespeist”, gab sich Taylor nachdenklich. Die Konsequenzen aus den gesellschaftlichen Umwälzungen seien aus seiner Sicht noch nicht absehbar. “Gerade der Brexit hat das Potenzial, viel zu verändern”, meinte er besorgt. Stünden gemeinsame Interessen in Europa nicht mehr im Vordergrund, sei auch der Frieden keine Gewissheit mehr.

Publikum letztlich eher glückselig denn grüblerisch

Trotz dieser ernsten Zwischentöne war das Publikum in der Arena aber letztlich eher glückselig denn grüblerisch – daran änderte auch die fehlende Bewegungsfreiheit nichts. Man merkte schon: Das ist ein Konzert, das niemand der Anwesenden verpassen wollte. Die richtige Musik zum richtigen Zeitpunkt sozusagen. Der Hype ist Sohn in jedem Fall zu gönnen, hat der Mann mit dem Hut, wie er sich jüngst immer zeigt, doch vieles richtig gemacht. Entsprechend positiv klingt auch dieses Versprechen: “‘Rennen’ ist sicher nicht meine letzte Platte, da kommt noch mehr.”

>> Alle weiteren Infos zu Sohn und Tourterminen

(APA/Red.)

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