Das Timing könnte nicht besser sein. Seit drei Jahren lebt Edward Snowden im Exil in Moskau, kommendes Jahr erlischt seine Aufenthaltsgenehmigung. 2013 hatte der IT-Spezialist tausende als geheim eingestufte Dokumente des US-Nachrichtendienstes NSA über die beispiellose Massenüberwachung an Journalisten weitergegeben; in seiner Heimat droht ihm unter dem “Espionage Act” gar die Todesstrafe. In den Tagen vor dem US-Kinostart hat sich nun eine breite Front an Menschenrechtlern und Prominenten gebildet, die Barack Obama auffordern, Snowden vor Ende seiner Amtszeit zu begnadigen. Stones Film, sagte Snowdens Anwalt Ben Wizner kürzlich, könnte innerhalb von zwei Stunden das gelingen, was er und seine Kollegen bisher nicht schafften.
Snowden – Die Handlung
Dabei wäre womöglich alles anders gekommen, hätte sich der junge Ed Snowden (Joseph Gordon-Levitt) 2004 nicht beim Militärtraining beide Beine gebrochen. Aus Liebe zum Vaterland hatte er sich freiwillig zum Einsatz im Irakkrieg gemeldet. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus und der Armee sucht sich Snowden andere Wege, seinem Land zu dienen. Er bewirbt sich bei den Special Forces und landet schließlich beim US-Geheimdienst CIA, wo er aufgrund seines Programmier-Talents auf die virtuelle Bekämpfung von Terrorismus angesetzt wird. Hier wird er sowohl das Liebkind seines CIA-Ausbilders Corbin O’Brian (Rhys Ifans) als auch des wegen seiner internen Kritik in ein Hinterzimmer verbannten IT-Genies Hank Forrester (Nicolas Cage).
Bei seiner Stationierung in Genf erfährt er erstmals von PRISM, jenem Programm, mit dem die US-Geheimdienste auf Millionen Daten von Nutzern von Internetfirmen wie Facebook oder Google zugreifen können. Schon jetzt ist er skeptisch, lässt sich aber von der Notwendigkeit der Maßnahmen überzeugen. Andere dubiose Vorgänge verleiten ihn dazu, die CIA zu verlassen; über die Vertragsfirma Booz Allen Hamilton landet er schließlich als externer Mitarbeiter beim der NSA in Hawaii. Hier erst wird ihm das wahre Ausmaß klar, in dem die USA nicht nur ausländische Regierungen, sondern auch die eigenen Bürger überwacht. Ohne seine Kollegen oder seine Freundin Lindsay Mills (Shaileene Woodley) einzuweihen, plant er minutiös den gefährlichen Schritt an die Öffentlichkeit – und trifft in einem Hotelzimmer in Hongkong auf den Investigativjournalisten Glenn Greenwald (Zachary Quinto) und die Dokumentarfilmemacherin Laura Poitras (Melissa Leo).
Snowden – Die Kritik
Wenn man “Snowden” sieht, weiß man, was Ben Wizner meint. Anders als Laura Poitras’ Oscar-gekrönter Dokumentarfilm “Citizen Four” fokussiert Stone auf das “menschliche Drama”, wie er sagt – und zeigt im Verlauf von zwei Stunden, wie ein patriotischer, konservativer Vorzeige-Amerikaner zunehmend desillusioniert wird und zu der für ihn so folgenschweren Entscheidung kommt. Stones Drehbuch mit Co-Autor Kieran Fitzgerald basiert auf persönlichen Gesprächen mit Snowden in Moskau sowie auf den Büchern “The Snowden Files: The Inside Story of the World’s Most Wanted Man” von Luke Harding und “Time of the Octopus” von Snowdens russischem Anwalt Anatoly Kucherena.
Viel Bedeutung wird Snowdens Freundin, der Fotografin Lindsay Mills, eingeräumt. Sie ist es, die seine politischen Ansichten beim ersten Date hinterfragt, sich bereits 2004 als Kritikerin von George W. Bush und dessen Irak-Invasion äußert. In Auseinandersetzungen mit ihr und in seinem veränderten Verhalten wird Snowdens Sinneswandel im Laufe der Jahre deutlich. So klebt er früh seine Webcam zu – wissend, dass die NSA sie unbemerkt aktivieren kann – und herrscht Mills an, keine Nacktporträts auf ihrem Laptop zu speichern. Immer wieder kehrt der Film in das Hongkonger Hotelzimmer zurück, lässt Snowden von hier aus das Geschehen rekonstruieren.
Der 35-jährige Joseph Gordon-Levitt hat Snowdens tiefe Stimme und rasante Sprechweise übernommen; wie ähnlich er dem heute 33-Jährigen sieht, wird in den letzten Bildern deutlich, als Snowden selbst ins Bild rückt. Das Filmteam hatte ihn im Exil besucht und eine via Skype gehaltene Rede rekonstruiert. Als Standing Ovations, wie sie ihm das Publikum im Anschluss gibt, ist auch “Snowden” zu verstehen. In seiner konventionellen Mach-Art und allzu dick aufgetragenen Heldenverherrlichung richtet sich der Film klar an ein amerikanisches Publikum, das den “Hacktivisten” 2013 prompt als Landesverräter dämonisierte. Eine positive Wirkung ist Snowden ausdrücklich zu wünschen. Der Film wird wohl – anders als sein Protagonist – nicht lange in Erinnerung bleiben.
(APA)
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