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Thomas Morgenstern beendet seine aktive Karriere

Triple-Olympiasieger Thomas Morgenstern beendet Karriere
Triple-Olympiasieger Thomas Morgenstern beendet Karriere ©AP
Ein Großer des österreichischen Sports sagt Adieu: Etwas mehr als ein Monat vor seinem 28. Geburtstag stellt der dreifache Skisprung-Olympiasieger und elffache Weltmeister Thomas Morgenstern seine Latten nun doch ins Eck. Eine ereignisreiche vergangene Saison mit zwei schweren Stürzen, vor allem jenem am 10. Jänner 2014 im Training auf der Flugschanze auf dem Kulm, hat ihn dazu bewogen.

Ein Sturz, dessen Nachwirkungen den Familienvater bis heute verfolgen. Doch die dritte Olympia-Teilnahme vor Augen gelang Morgenstern damals ein nicht für möglich gehaltenes Comeback: Nur fünf Wochen, nachdem er mit einem Schädel-Hirn-Trauma und einer Lungenquetschung auf der Intensivstation gelegen war, kämpfte sich Morgenstern noch einmal mit seinen Teamkollegen in die Schlagzeilen.

Denn am 17. Februar 2014 schloss sich für “Superadler” Morgenstern der sportliche Kreis: Nach drei Goldmedaillen (Einzel, Team 2006 und Team 2010) holte er mit dem Team seine vierte und letzte Olympia-Medaille. Sie war “nur” aus Silber, glänzte für ihn aber wie Gold. “Mit so einem Sprung wie dem letzten von Sotschi wegzufahren, habe ich mir gewünscht”, sagte der Triple-Olympiasieger damals. Es sollte sein letzter Eintrag in die Ergebnislisten der Skisprungwelt gewesen sein. Hinter Felix Gottwald steht er nun als zweiterfolgreichster Olympia-Sportler Österreichs da.

Morgenstern beendete die Saison nach den Olympischen Spielen vorzeitig. Er wollte sich völlig auskurieren und über seine sportliche Zukunft nachdenken. Es folgte die nächste emotionale Achterbahn-Fahrt: Der Wunsch zur Rückkehr in den geliebten Sport war da, der Respekt aber auch. Morgenstern trainierte sich zwar wieder zu körperlicher Topform, doch gerade in diesem auch gefährlichen Sport spielt sich eben sehr viel auch im Kopf ab.

Nicht zuletzt beim Blick auf seine großartige Laufbahn fehlte wohl die letzte Motivation, sich der vorhandenen Angst, speziell vor großen Schanzen, noch einmal zu stellen.

Seine letzten ganz großen Einzel-Triumphe feierte Morgenstern in der Saison 2010/11, in der er noch einmal groß abräumte. Neben seinem einzigen Gesamtsieg bei der Vierschanzen-Tournee (dazu drei zweite Plätze, einen davon 2013/14) sowie dem zweiten Weltcup-Gesamtsieg holte sich der damals 24-jährige Kärntner auf der Normalschanze in Oslo endlich auch die ihm noch fehlende Einzel-Goldmedaille bei Nordischen Weltmeisterschaften.

Zwei Jahre zuvor war er, den Sieg im WM-Normalschanzenbewerb vor Augen, im Auslauf gestürzt. Gold ging damals an Wolfgang Loitzl vor Gregor Schlierenzauer. Es hätte in Liberec ein historischer ÖSV-WM-Triplesieg mit ihm an der Spitze werden können. Doch das war nur einer von mehreren Rückschlägen im sonst so erfolgreichen Sportlerleben Morgensterns.

Eine Karriere, die bei der Vierschanzen-Tournee Ende Dezember 2002 in Oberstdorf begonnen hatte. “Das war etwas ganz Besonderes, da reinzukommen und Vorbilder wie Goldberger, Höllwarth, Widhölzl in der eigenen Mannschaft zu haben”, erinnerte er sich einmal. Am Beginn sei er nervös gewesen, mit ihnen zu reden. “Wenn ich mir jetzt Bilder von damals anschaue, denke ich mir: ‘Hey, da ist einiges weiter gegangen bei dir’.”

Schon zwei Wochen später wusste jeder Beobachter, welch ein Riesentalent dieser Thomas Morgenstern hat. Als 17-Jähriger feierte er am 11. Jänner 2003 in Liberec seinen ersten von insgesamt 23 Weltcup-Siegen. “Ich war damals wie in einer anderen Welt, wie im Traum, es war einer der schönsten Momente meines Lebens”, erinnerte sich der Kärntner einmal.

Wie nahe im Sport Triumph und Schmerz beieinander liegen können, erfuhr Morgenstern schon knapp zehn Monate später. Am 29. November 2003 stürzte er in Kuusamo zum ersten Mal richtig schwer. “Es war ein spektakulärer Sturz, da habe ich es sogar in die New York Times geschafft”, scherzte er Jahre später . “Ich sehe das irgendwie als Startschuss für meine Karriere, da habe ich sehr viel daraus gelernt.”

Die Jahre im Spitzensport waren für ihn überhaupt eine große Lebensschule. Die Wandlung vom “Morgi” zum “Thomas” – wie er zuletzt nur noch genannt werden wollte – war da nur ein äußeres Anzeichen. Private Entwicklungen nach der Geburt seiner Tochter Lilly, die ihn in der Medienlandschaft zumindest vorübergehend die Rolle als “everybodys darling” gekostet haben, aber vor allem eben jene Vaterrolle seit Weihnachten 2012 haben Morgenstern geprägt.

Seine erste Medaille holte der zweifache Weltcup-Gesamtsieger 2004 mit der Mannschaft bei der Skiflug-WM in Planica (Bronze), die erste(n) Goldmedaille(n) mit der Mannschaft bei der WM 2005 in Oberstdorf. “Dann ist eh schon Turin gekommen. Das war mein erster riesengroßer Erfolg – ich habe sozusagen mit dem größten Erfolg begonnen”, erinnert er sich. Dort schlug er Andreas Kofler von der Großschanze hauchdünn um einen Zehntelpunkt, und holte Seite an Seite mit ihm auch noch Olympia-Gold mit der Mannschaft. Vier Jahre später gelang dies den ÖSV-Adlern, die seit 2005 in Mannschaftsbewerben bei Großereignissen ungeschlagen waren, auch in Vancouver/Whistler.

Das Talent des Kärntners hatte schon der frühere ÖSV-Cheftrainer Hannu Lepistö erkannt und ihn mit dem großen Matti Nykänen verglichen. Auch Toni Innauer sprach schon bald von einem “Rohdiamanten”. Geboren in Spittal/Drau, wohnhaft in Seeboden, blieb Morgenstern seiner unbekümmerten Art stets treu. Bekannt für seine deftigen, lockeren Sprüche fand er viele Fans und wurde auch zweimal zum Sportler des Jahres ausgezeichnet.

Der Traum vom Fliegen hat ihn 2008 zu einer Kurskorrektur veranlasst. Morgenstern ließ seine bereits begonnene Polizistenausbildung sausen und darf seither auch ohne Ski an den Füßen abheben: Er ist ausgebildeter Pilot.

Seine “Pilotenausbildung” auf den Schanzen der Welt hat freilich viel früher begonnen. “Ich bin über das Toni-Innauer-Skifest in Bad Kleinkirchheim zum Skispringen gekommen”, erzählte Morgenstern, der aus einer sehr sportlichen Familie kommt. U.a. war sein Onkel väterlicherseits, Alois Morgenstern, 1976 Olympia-Siebenter im alpinen Slalom. Thomas Morgenstern hat sich mit seinen Erfolgen, aber auch seinem Wesen einen Fixplatz in Österreichs Sportgeschichte ersprungen. Nicht nur der Skisprung-Zirkus wird den Kärntner vermissen.

Steckbrief

Thomas MORGENSTERN (27)

Geb.: 30. Oktober 1986 in Spittal/Drau
Wohnort: Seeboden/Millstätter See/Kärnten
Größe/Gewicht: 1,84 m/69 kg
Familienstand: ledig, Tochter Lilly
Verein: SV Villach
Hobbys: Ski fahren, Fußball, Musik, Fliegen (hat Pilotenschein), X-Box
Homepage: thomasmorgenstern.com

Größte Erfolge:

  • Olympia (3-1-0): Gold Einzel und Team 2006 Turin Großschanze, Gold 2010 Vancouver Teambewerb, Silber 2014 Sotschi Teambewerb
  • WM (8-2-1): Gold Einzel 2011 Oslo Normalschanze, Gold Team 2005 Oberstdorf, 2007 Sapporo, 2009 Liberec und 2011 Oslo jeweils Großschanze sowie Oberstdorf 2005 und Oslo 2011 jeweils Normalschanze, Gold Team 2013 Val di Fiemme Silber Einzel 2011 Oslo Großschanze, Silber Mixed 2013 Val di Fiemme Normalschanze Bronze Einzel 2007 Sapporo Normalschanze
  • Skiflug-WM (3-0-2): Gold Team 2008 Oberstdorf, 2010 Planica und 2012 Vikersund Bronze Einzel 2006 Kulm und Team 2004 Planica
  • Junioren-WM: Gold Einzel 2003, Team 2003 und 2004, Silber Einzel 2004
  • Weltcup: 23 Siege; Zweifacher Gesamtsieger (2007/08 und 2010/11)
  • Vierschanzen-Tournee: Sieger 2010/11; Gesamt-2. 2007/08, 2011/12 und 2013/14

Auszeichnungen: Österreichs Sportler des Jahres 2008 und 2011

(APA)

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