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Serienreif

Das Projekt weist in die Zukunft.
Das Projekt weist in die Zukunft. ©Benno Hagleitner
Architektur als Forschungsleistung für ein Serienprodukt: Zweieinhalb Jahre lang tüftelten die Firma RIVA Home und Baumschlager Hutter Partners an günstigen, einfach reproduzierbaren und dabei attraktiven Wohnformen. Der Prototyp einer Reihenhausanlage mit sechs Häusern ist in Lauterach entstanden.
Schöner Wohnen in Lauterach

Das Reihenhaus ist eine Siedlungsform, die in Vorarlberg vergleichsweise wenig zur Anwendung kommt. Dabei bietet die Typologie große Vorteile, gerade wenn es wie im Rheintal darum geht, die zu lockere Struktur aus Eigenheimen im Nachhinein kompakt zu machen und enger zu verbinden. Reihenhäuser eignen sich bestens, der üppig bestehenden Straßeninfrastruktur platzsparend zu folgen. Sie verknüpfen Vorteile des Einfamilienhauses wie etwa Eigengarten, privaten Zugang oder die Freuden der Mehrgeschoßigkeit mit den Idealen des verdichteten Wohnens. Die Reihenhausanlage ist deshalb eine zukunftsfähige und wünschenswerte Wohnform im Ländle. Dass sie sich künftig besser durchsetzt, wird stark an der Qualität und Attraktivität der neu entstehenden Beispiele liegen – und vor allem an ihrer Preisgestaltung.

Die „RIVA Townhouses“ in der Lauteracher Unterfeldstraße sind eines von vorerst zwei gebauten Ergebnissen eines Forschungsprozesses, den sich die Firma RIVA Home, ein Ableger von Hefel Wohnbau, gemeinsam mit dem Architekturbüro Baumschlager Hutter Partners verordnet hat. Die wesentliche Zielvorgabe des vom Energieinstitut begleiteten und von der Wohnbauförderung des Landes unterstützten Projekts war es, kostenoptimiert zu bauen, ohne dabei auf architektonische Qualität zu verzichten, Wohnraum zu schaffen, der laut Eigendefinition „smart, stylisch und leistbar“ ist.

Eine Möglichkeit zu sparen ist die Entscheidung für ein bestimmtes Kundensegment. In diesem Fall sind das vor allem junge Leute, die sich eine sogenannte Startwohnung leisten wollen. Damit muss die Wohnanlage nicht wie sonst „alles“ können. Sie braucht beispielsweise nicht zwingend einen Lift, auf komfortable, aber teure Extras wie Tiefgarage oder Keller kann verzichtet werden. Auch im Bereich der Betriebskosten wird durch raffiniertes Management und Selbstverwaltung gespart. Eine eigens entwickelte App hilft dabei. Übliche Standards wurden konsequent hinterfragt, bautechnische Normen auf deren Sinnhaftigkeit überprüft, bei der Haustechnik auf bewährte Einfachheit gesetzt.

Die wesentliche Aufgabe der Architekten, in diesem Fall vor allem von Projekt-architektin Sylvia Elison, war es, günstige Konstruktionsmethoden zu finden, dabei Materialien und Details so zu wählen, dass ästhetisch ein gewisser Standard erreicht wird. Entstanden ist eine Struktur aus holzverkleideten Betonskelettbauten. Haus für Haus kann so in modularer Bauweise aneinander gereiht werden, statisch und akustisch komplett voneinander entkoppelt, ohne komplexe Bauteilübergänge. Der Beton wurde großteils sichtig belassen, Bodenaufbauten aufs Minimum reduziert. Bei den aktuellen Grundpreisen ist eine wesentliche Kostenschraube auch die optimale Ausnutzung der Bodenfläche. Davon ist das schlanke Grundrisskonzept der Häuser bestimmt. Der Raum entfaltet sich auf je 50 m2 Grundfläche über zweieinhalb Geschoße. Jeder Quadratzentimeter wird genutzt. Durch die beidseitige Belichtung des durchgesteckten Wohngeschoßes, durch gelungene Proportion der Räume und eine wirklich attraktive Dachterrasse im zweiten Stock kommt trotzdem keine Enge auf. Das Projekt weist in die Zukunft, da es den Ausgleich sucht zwischen dem hohen Anspruch an architektonische Qualität, die sich im Land in außergewöhnlichem Ausmaß etabliert hat, und dem Bedarf nach Kostensenkung, die immer deutlicher und von immer breiteren Schichten der Gesellschaft eingefordert wird. Was hier entstanden ist, ist nicht Architektur, die für ihren Unikat-Charakter bewundert werden will, sondern ein Vorschlag für standardisiertes Bauen, das vernünftig und trotzdem ansprechend ist. Die Haltung knüpft an jene Ideale an, die im vergangenen Jahrhundert von den Vorarlberger Baukünstlern – und Architekt Baumschlager ist einer von ihnen – entwickelt und erfolgreich ins lokale Baugeschehen eingebracht wurden. Die Anlage in Lauterach kann als ambitionierter Versuch einer Aktualisierung der etwas in Vergessenheit geratenen Kunst verstanden werden. Es geht darum, Wohnraum zu schaffen, der einfach, leistbar und schön ist.

Daten und Fakten

Objekt: RIVA-Wohnanlage, Lauterach

Bauherrschaft: RIVA Home GmbH, Lauterach

Architektur: Baumschlager Hutter Partners, Dornbirn, baumschlagerhutter.com

Statik: Mader + Flatz, Bregenz

Fachplaner: Vermessung: Klocker + Wahl, Bregenz; Haustechnik: gmi, Dornbirn; Bauphysik: Lothar Künz, Hard

Planung: 10/2014–4/2015

Ausführung: 4/2015–10/2015

Grundstücksfläche: 1026 m² (bebaut: 292 m²)

Nutzfläche: 600 m² (6 Einheiten)

Bauweise: Decken und Haustrennwände Stahlbeton, Holzfassade mit Rhombusschalung; Innenwände: Trockenbau; Böden: Zementestrich (EG), Vinyl-Belag; Dreischeiben-Kunststoff-Fenster; Gasheizung und Solaranlage

Ausführung: Baumeister: Erich Moosbrugger, Andelsbuch; Holzbau: Martin, Dornbirn; Elektro: Willi, Andelsbuch; Heizung, Sanitär: Strele, Dornbirn; Estrich: Fischer, Hard; Spengler: Herbert Nagel, Höchst; Fenster: Josef, Götzis; Türen: Inbau Widemschek & Frick, Klaus; Trockenbau: Gollner, Fußach; Schlosser: Fleco, Altach; Garten: Werner Hauser, Lauterach

Energiekennwert: 35 kWh/m² im Jahr

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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