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Selbstmordgefährdung bei Homosexuellen bis zu siebenmal höher

Selbstmordgefährdung bei Homosexuellen ist laut einer Studie siebenmal höher als bei Heterosexuellen.
Selbstmordgefährdung bei Homosexuellen ist laut einer Studie siebenmal höher als bei Heterosexuellen. ©BilderBox
Laut einer Schweizer Studie hat jeder fünfte Homosexuelle schon einen Suizidversuch hinter sich. Auch in Vorarlberg gibt es immer wieder Selbstmorde.  Offizielle Zahlen gibt es aber keine.

Jogy Wolfmeyer kann sich noch gut an den Tag erinnern. Am Abend vor Silvester kam Rudolf zum letzten Mal zum Stammtisch für Homosexuelle in einer bekannten Vorarlberger Bar. Irgendwann stand der junge Mann auf, bedankte sich bei allen, sagte noch einmal, wie schön und gemütlich es immer bei ihnen sei. Am nächsten Tag war der knapp 20-Jährige tot.

Ausmaß des Problems unbekannt

Rudolf hatte sich in einen anderen Mann verliebt, der seine Zuneigung aber nicht erwiderte. Vermutlich deswegen nahm er sich in der Nacht vor der Jahreswende das Leben. Dabei handelt es sich um keinen Einzelfall, wie Wolfmeyer meint. Meistens handelt es sich aber nicht um Kurzschlussreaktionen wie bei Rudolf. Oft ist es die Angst vor der Reaktion der Anderen – oder das Erlebnis, zurückgewiesen zu werden – was die Menschen in den Freitod treibt. Das genaue Ausmaß des Problems ist freilich nicht bekannt. Immer wieder haben Wolfmeyer und seine Mitstreiter von der Homosexuellen Aktion Vorarlberg versucht, an entsprechendes Datenmaterial zu gelangen. Wieder und wieder sind sie abgeblitzt bei den zuständigen Behörden.

Selbstmordgefährdung siebenmal höher

Laut Auskunft der Landespolizeidirektion Vorarlberg wird bei Suiziden schlicht nicht erhoben, welche sexuelle Orientierung die Person hatte. Dieses Faktum wird zwar manchmal im Zuge der Ermittlungen zutage gefördert – statistisch festgehalten wird es aber nirgendwo. Das bestätigt auch Johannes Wahala, Leiter der Beratungsstelle Courage in Wien. Aktuelle Zahlen hat zwar auch er keine – aber immerhin eine Studie der Universität Salzburg aus dem Jahr 2006. Siebenmal so hoch wie bei Heterosexuellen sei die Selbstmordgefährdung unter Homosexuellen. Über 90 Prozent passieren im Alter zwischen 15 und 25 Jahren – jener sensiblen Lebensphase, in der die Meisten ihr Coming-out durchmachen.

Verschiedene Ursachen

Gründe sieht Wahala viele. Dazu gehöre etwa die Erkenntnis, „nicht normal“, gar „pervers“ zu sein; Angst, die Eltern zu enttäuschen; oder schlicht Furcht vor Diskriminierungen, Ächtung, Beschimpfung oder weniger guten Chancen im Leben. Auch werden Homosexuelle sehr oft Opfer von gewaltsamen Übergriffen. Gerade wurde in Salzburg ein junger Mann vor einer Diskothek wegen seiner sexuellen Orientierung verprügelt. Ein türkischer Jugendlicher werde mit Zwangsheirat oder sogar dem Tod bedroht – weil er Schande über seine Familie bringe. Aber auch subtilere Formen der Gewalt – vor allem psychische Gewalt – werden angewendet. Nach dem Outing seines Sohnes habe ein streng katholischer Vater das ganze Haus mit Plakaten tapeziert: „Homosexualität ist Sünde“ oder „Homosexualität ist pervers“, stand da unter anderem geschrieben.      

Primär männliches Phänomen

Kommt ein derart drangsalierter Mensch in die Beratung, gilt es, so schnell wie möglich ein entsprechendes Netz aufzubauen, um den Jugendlichen abzufangen. Oft genüge schon das Bewusstsein, einen Ansprechpartner zu haben. In schlimmeren Fällen muss natürlich die entsprechende psychiatrische Unterstützung hinzugezogen werden. Generell müsste aber schon im Vorfeld sehr viel mehr Aufklärungs- und Bildungsarbeit gemacht werden, so Wahala. Damit es überhaupt nicht erst so weit kommt, dass ein junger Mensch keinen Ausweg mehr weiß.

Interessant ist übrigens, dass die erhöhte Suizidgefahr ein fast ausschließlich männliches Phänomen ist. Das habe vor allem damit zu tun, dass Homophobie in der Gesellschaft viel stärker gegen Männer gerichtet sei als gegen Frauen. Und das sei wiederum auf die Möglichkeit der Penetration zurückzuführen, glaubt Wahala. Die ist nämlich beim rein weiblichen Geschlechtsverkehr nicht gegeben. (MST)

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