Täglich fünf Mal und öfter die Stiegen auf und ab zu gehen, war mühsam. Das Badezimmer war winzig klein und nur mit einem Waschbecken ausgestattet. Schwellen erschwerten die Bewegung im Raum sehr, der Einsatz eines Rollators war unmöglich, die Räume klein. Als die jüngere Schwester ihr Haus in Hohenems räumen muss, da es abgebrochen wird, stapeln sich Möbel und Gebrauchsgegenstände ungenützt und schmerzlich vermisst in der Garage. Das gemeinsame Wohnen im kleinen Haus wird trotz Rücksicht und bestem Einvernehmen zur Belastung. Der Wunsch nach Eigenständigkeit bleibt.
Interesse für das Bauen hat Erna Dür schon lange. Fein säuberlich sortiert hat sie die „VN Leben und Wohnen“ Beilagen der letzten Jahre aufbewahrt. „Keine Samstagsausgabe kommt weg, bevor ich die Beilage nicht zumindest durchgeblättert habe.“
Es ist ein Segen, wenn die Energie ausreicht, um aktiv zu werden und zu gestalten. Verständnislosen Fragen von Nachbarn und Bekannten begegnen die Schwestern souverän und selbstbewusst mit Gegenfragen. Pragmatisch, bescheiden und selbstbewusst haben die beiden Bauherrinnen mit eigenen Mitteln ihren Wohnraum nach den eigenen Bedürfnissen neu errichtet. „Das kann wohl kein Problem sein.“ Dass es ein Holzbau werden sollte, war von Anfang an klar. „Wir sind weitschichtig verwandt mit Böhler Holzbau und haben von hier auch die professionellen Kontakte bezogen.“
Der Zubau wurde ans bestehende Gebäude angegliedert und nimmt ästhetisch die Elemente des Bestehenden auf. „Der Altbau kann so separat saniert und irgendwann auch als Erweiterung genützt werden. Wir haben jede Form der Wohn-Nachnutzung mitgedacht.“
Wichtigste Anforderungen für den zweigeschoßigen Zubau waren ein Lift zur Erschließung, breite Gänge, barrierefreie Übergänge, Schrankräume zum Verstauen, helle, freundliche Räume und die Anordnung der Wohnräume hin zu Straße. „Das hat uns zunächst verwundert“, so der Architekt. „Wir hatten ein Ruhebedürfnis vermutet und hätten die Räume eigentlich zum Garten mit wunderschönem altem Baumbestand hin angeordnet.“ Erna Dür kann hier nur lächeln. „Wir haben uns schon genug ausgeruht. Wichtiger war uns, am öffentlichen Leben teilzuhaben.“ Unabhängigkeit und Eigenständigkeit waren wichtige Parameter. „Wir wollten zwei eigene Wohneinheiten und entscheiden können, wann wir Zeit gemeinsam und getrennt verbringen wollen.“
Neue Erfahrungen bedeutete der Planungs- und Bauprozess auch für den Architekten. „Wir haben hier nicht über Mails kommuniziert, Aufträge wurden mündlich vergeben und dann schriflich protokolliert. Die Rechnungslegung, auch mit den Subunternehmen, erfolgte einmal im Monat. Wir haben alles so organisiert, dass die Abwicklung möglichst einfach war. Für die Bauherrinnen war dies alles kein Problem. Ordnung und Zuverlässigkeit erwartet Erna Dür, die vor der Pensionierung 13 Jahre lange für die Gemeinde in Schwarzach tätig war, nicht nur von anderen, sondern auch von sich selbst. Umstellungen brachte vor allem der neue Tagesablauf. „Die Handwerker kamen doch recht früh. Der Mittagsschlaf hat auch etwas gelitten und ein paar Tage war es dann doch sehr laut. Aber das ist ja schon wieder vorbei.“ Von April bis Weihnachten dauerten die Bauarbeiten. Ein längeres Fortsein aus den eigenen vier Wänden war aber nicht geplant. „Mit gut zwei Wochen haben wir zwar gerechnet“, so Architekt Reinhard Weber. Dass die Bauherrinnen dann doch die ganze Zeit über im Gebäude verbrachten, war den Gewohnheiten der Hauskatze geschuldet, die ihre Katzenleiter zu wechselnden Fenstern gestellt bekam. „Wir sind froh, dass es so gegangen ist. Das hat uns viel Mühe erspart“, sagt Erna Dür. „Wir mussten jedoch versprechen, dass wir an manchen Tagen aus Sicherheitsgründen nicht auf die Baustelle gehen. Wir haben trotzdem immer gewusst, was gerade passiert.“
Die Fenster wurden mit tiefen Brüstungen versehen, um möglichst viel Licht in den Raum zu leiten und dem Sonnenstand zu folgen – vom Auftauchen der Morgensonne hinter den Wälder Bergen, dem Stand der Mittagssonne und dem abendlichen Sonnenuntergang – natürliches Licht war im Planungsprozess ein wichtiges Thema. Von den Fenstern aus sehen die Schwestern auch auf beide Elternhäuser, umliegende Gärten und mittelständische Betriebe. „Eigentlich ist hier immer etwas los.“ Die kleine Terrasse war ein „Extrawunsch“ und lang gehegter Traum. „Das hätte ich mir nie zu wünschen getraut“, erzählt Erna Dür. „Besonders gefällt mir die neue Küche, auch wenn wir nicht mehr viel kochen,“ ergänzt Laura. „Dabei war es wichtig, dass wir nicht zu viele Handgriffe in die Höhe machen müssen. Wir haben Schubladen gewählt, das ist viel bequemer. Die Küche hat Laura ausgesucht, fertig geplant haben die Architekten.“
Schwierig für die Bauherrinnen war der neue Eingang, der nun nicht mehr ebenerdig erschlossen wird. Die neue Wegführung ins Haus, der Weg am Keller vorbei zur Treppen- und Liftanlage war gewöhnungsbedürftig, ermöglicht nun aber einen komfortablen Zugang zu allen Ebenen. Der Kellerbereich war den Bauherrinnen ein besonderes Anliegen. Dort lagern Äpfel und Nüsse und werden Dinge aufbewahrt, die man noch brauchen könnte. „Wir haben in der Erntezeit mit der Planung begonnen“, erinnert sich Reinhard Weber. „Es war nicht einfach, einen Termin bei den Bauherrinnen zu bekommen.“ Eine verdiente Ernte ist auch der neue Wohnraum für die beiden Schwestern.
Text: Verena Konrad | Fotos: Darko Todorovic und Philipp Salzgeber
Daten und Fakten
Objekt: Haus Weidachstraße, Schwarzach
Eigentümer/Bauherr: Erna Dür und Laura Jiricka
Architektur: querschnitt pro12, DI Reinhard Weber, Wolfurt
Statik: gaisberger ZT GmbH, DI Andreas Gaisberger, Dornbirn
Bauphysik: DI Bernhard Weithas GmbH
Planung: 9/14–3/15
Ausführung: 5/15–12/15
Grundstücksgröße: 599 m²
Wohnnutzfläche: 229 m² (zzgl. 130 m² Terrasse)
Keller: 114 m²
Bauweise: Holzriegelkonstruktion/Stahlbeton, Massivholzdecken, Betonfertigteilstiegen, Schrägdach mit anthraziter Ziegeleindeckung, sägeraue, gestrichene Holzlattenfassade, Parkettboden, Holzfenster, Fußbodenheizung (Gas/Bestand)
Besonderheiten: Erhalt der Bewohnbarkeit des Gebäudes während der gesamten Bauzeit, Neuorgani-sation von Altbestand und Zubau zu zwei unabhängigen Wohnebenen, durchgängige Barrierefreiheit inkl. Lift, rücksichtsvolle und angepasste Projektabwicklung aufgrund der über 90-jährigen Bauherrinnen
Ausführung: Baumeister: Hinteregger, Bregenz;
Zimmerer: Böhler, Wolfurt; Fenster: Hagspiel, Doren; Heizung/Sanitär: Rumpold, Schwarzach; Elektro: Hopfner, Dornbirn
Energiekennwert: 43,2 kWh/m² im Jahr
Baukosten: ca. 400 000 Euro
Quelle: Leben&Wohnen – die Immobilienbeilage der “Vorarlberger Nachrichten” (VN)
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf v-a-i.at
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