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Blumen für die Helden

Blumen für die Helden
Blumen für die Helden ©Gerhard Burtscher
 Die Kreuzgasse in Tschagguns wirkte an diesem Vormittag unwirtlich und dunkel. Die Wolken hingen herunter bis zur Lochmühle und es regnete ohne Unterbrechung.

Ein böiger Wind trieb die letzten braunen Blätter vor sich her und beim Spar zerrten die Plakate mit den Sonderangeboten an den Klebestreifen.

Vor dem Kühlregal mit den Molkereiprodukten stand ein kleiner, schmächtiger Mann und beugte sich über eine Milchflasche, die er aus dem Regal herausgeholt hatte. Ganz offensichtlich versuchte er, das Haltbarkeitsdatum zu entschlüsseln, was ihm bei dem diffusen Licht nicht auf Anhieb gelang. „Ja Hergottsackerment“, herrschte er sich selber an, „des wörscht jätzt decht grad noch drläsa könna!“ An der energischen Stimme erkannte ich ihn wieder. Es war ein alter Bekannter aus meiner Kindheit.

Wir palaverten über das Wetter und die Gesundheit und natürlich über das Alter.  Seine Augen waren wach und freundlich und hinter der faltigen Haut seines Schädels wohnte noch immer der Schelm, der er früher einmal war. Nur das mit den Frauen sei so eine Sache, wenn man älter wird. „Jeden Abend bete ich zu Gott“, sagte er, „dass er mir jetzt, wo er mir das Können genommen hat, auch doch noch das Wollen nehmen möge.” Er grinste wie ein Schulbub. 

Dann kamen wir auf seine Frau zu sprechen. Ich wusste, dass  sie schon seit Jahren schwer krank war und erkundigte mich nach ihrem Befinden. Es war, als ob jemand plötzlich das Licht in ihm ausgelöscht hätte. Mein Freund wirkte noch kleiner als vorher und erzählte mir, dass sie gar nicht mehr zuhause sei. „Zu ihrer Krankheit ist jetzt auch noch die Demenz dazu gekommen. Obwohl sie noch lebt, ist sie doch nicht mehr da.“ Sie war seit einiger Zeit in einem Pflegeheim untergebracht.

Während ich noch versuchte, ein paar Worte des Bedauerns zu finden, kam das Leuchten in seinen Augen wieder und der gebückte Körper richtete sich auf. Die abrupte Bewegung hätte beinahe sein Hütchen, das er immer trägt, zu Fall gebracht.  „Weißt Du wer die wahren Helden sind in unserer Zeit?“, fragte er und gab sich gleich selber die Antwort: „Es sind die Pfleger und Pflegerinnen in den Heimen. Bluama müaßt ma dena brenga. Jeda Tag. Und ahikneula und Danke säga.“ Zur Unterstützung des Gesagten nickte er heftig mit dem Kopf. 

Ich pflichtete ihm rückhaltlos bei, denn ich wusste, wovon er sprach. Als ich anfangen wollte, davon zu erzählen, fiel ihm ein, dass er noch ein Brot braucht und er ließ mich stehen, um unvermittelt danach mit der Verkäuferin zu schäkern.

Nachdem ich den engen Terminkalender meines Freundes kenne, ist nicht ausgeschlossen, dass er es nicht schafft, den Blumenstrauß persönlich vorbei zu bringen. Vorsichtshalber reiche ich ihn deshalb auf diesem Wege weiter. An all die Helden und Heldinnen in unseren Pflegeheimen.

 

 

 

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