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„Schlechteste Anmache aller Zeiten!“

In Gedanken an seine Zeit im Internat kann Joe sein schelmisches Grinsen nicht verbergen.
In Gedanken an seine Zeit im Internat kann Joe sein schelmisches Grinsen nicht verbergen. ©MiK
Joe Baumgartner, Station-Voice von Puls 4 und ORF, im Sonntags-Talk über Stimme, Star Wars und Schattenburg.

WANN & WO: Hast du eine besondere Beziehung zur Schattenburg?

Joe Baumgartner: 1989 bis 1993 habe ich hier als Koch gearbeitet. Das war eine Art Protestaktion von mir.

WANN & WO: Wie meinst du das?

Joe Baumgartner: Ich wollte ja eigentlich Arzt werden. Da wurde abgewunken und gesagt: „Schau doch mal deine Noten an!“ Das meiste hat mich nicht interessiert. Ich wollte einfach nicht, hätte aber schon gekonnt. Zu der Zeit ist gerade mein Cousin vom Schiff gekommen, der hat Koch/Konditor gelernt und war auf der ganzen Welt unterwegs. Der hat mich gefragt: „Wieso wirst du nicht Koch?“, und ich dachte: „Klaro, ihr Deppen, ich werde Koch.“ Ich hatte meine Ruhe und keinen mehr im Nacken sitzen.

WANN & WO: Wolltest du Arzt werden, oder hätte man es zuhause gerne gesehen?

Joe Baumgartner: Mein Großvater ist sehr früh gestorben, mein Vater ist tödlich verunglückt, da war ich erst sechs. Meine Mutter und auch meine Großmutter, bei der ich eine Zeit lang lebte, haben keinen Stress gemacht. Mein Urgroßvater – ehemaliger Feldkircher Bürgermeister – wurde für seine Sozial-Einsätze geadelt. Diese männlichen Prägebilder hatte ich in meiner Jugend nicht. Man dachte: „Gottseidank tut er etwas“, das hat ihnen gereicht. Ich habe später die Krankenpflegeschule gemacht und war lange in Bregenz als Krankenpfleger tätig.

WANN & WO: Wie prägt es einen, so früh den Vater zu verlieren?

Joe Baumgartner: Das ist natürlich heavy. Ich kam von heute auf morgen ins Internat. Nicht weil ich etwas verbrochen hatte, sondern weil Mutter arbeiten musste. Im Nachhinein – bitte nicht falsch verstehen – bin ich auch sehr dankbar. Dadurch, dass ich in eine andere Schule gekommen bin, musste ich sehr früh Verantwortung übernehmen und meinen Mann stehen. Wenn man nicht zu denen gehört, die im Teppich eingewickelt aus dem zweiten Stock geworfen werden, ist das schon mal was. Von hier sieht man ja schön rüber zu meiner alten Schule. Daneben ist auch das Mädcheninternat zu sehen, zu dem wir alle den Weg kannten. Da haben wir ab und zu mal vorbeigeschaut, aber die Schwestern hatten einen riesigen und sehr aufmerksamen Schäferhund (lacht).

WANN & WO: Was verbindest du noch mit deiner Zeit im Internat?

Joe Baumgartner: Es hat mich in Sachen Musik auch sehr geprägt. Dort waren ja zum Beispiel auch die Strolz-Söhne aus Lech. Diese „Schulbrüder“ hatten viel Taschengeld. Dadurch konnten sie sich immer die neueste Musik kaufen und ich kam früh mit Sound in Berührung, den ich zuhause niemals gehört hätte.

WANN & WO: Wie kamst du dann zum Radio?

Joe Baumgartner: Es war ein Glück, dass ich den Zivildienst bei der Supro machen durfte. Sie planten das erste Kreativcamp und wir bekamen sogar eine eigene Frequenz, auf der unser Radio-Workshop On Air gehen konnte. Dort kam es dann auch zu dieser „schicksalhaften“ Begegnung mit George Nussbaumer.

WANN & WO: Wann hast du be­­schlossen, mit deiner Stimme deinen beruflichen Weg zu gehen?

Joe Baumgartner: Ab der Demo-Aufnahme, die ich mit George gemacht habe – wir haben eine fiktive Sendung aufgenommen – dachte ich, dass ich das auch kann. Ein halbes Jahr später war es schon soweit.

WANN & WO: Was hat Mama gesagt?

Joe Baumgartner: „Bist du wahnsinnig? Man gibt doch keinen Landesjob her! Und jetzt Radio? Du hast Kinder!“ Heute ist „Mir händs all scho gwisst!“ einer meiner Lieblingssätze. Vor Kurzem kam sie mit Fotos von einer Familienfeier. Ich stand in einer Ecke, mit einem Holzscheit als Mikro in der Hand, und habe diese Feier kommentiert, als Fünfjähriger. Da hätten sie es schon wissen müssen.

WANN & WO: Zieht es dich zurück ins Ländle?

Joe Baumgartner: Und wie! Jedes Mal, wenn ich hier bin, denke ich mir das wieder.

WANN & WO: Fragt man dich oft, ob du für deine Stimme rauchst?

Joe Baumgartner: (lacht) Nichts fragt man mich öfter! Nett finde ich aber auch, wenn mich Leute darauf hinweisen: „Ich würde an deiner Stelle was mit deiner Stimme machen. Die klingt gut!“

WANN & WO: Wie reagieren Frauen auf deine tiefe Stimme?

Joe Baumgartner: Ich finde es zum Kotzen, auf meine Stimme reduziert zu werden. Früher habe ich wegen sowas auch mal Leute aus meiner Wohnung geworfen. Meine Generation hat offenbar Probleme, Komplimente anzunehmen. Es hat aber schon etwas mit Huldigung zu tun. Der steht in der Öffentlichkeit, die Stimme, bläbläblä. Wenn die Leute deswegen das Gefühl haben, sich anbiedern zu müssen, widert mich das an. Mich auf meine Stimme anzusprechen, ist die schlechteste Anmache aller Zeiten!

WANN & WO: Für den Star Wars-Fanfilm „Regrets Of The Past“ warst du ja vor der Kamera. Fühlst du dich dort so wohl wie hinter dem Mikro?

Joe Baumgartner: Mittlerweile geht es. Ich würde aber nicht mehr vor die Kamera treten, außer wenn ich wieder unter der Regie von Bernhard Weber drehen dürfte. Bei den Dreharbeiten zu „Regrets Of The Past“ habe ich bald weder den Kameramann noch die Kamera wahrgenommen.

WANN & WO: Wie viel Joe steckt in deiner Rolle „Pash Sularen“?

Joe Baumgartner: Da sind ganz viele Färbungen Joe drin. Die Beziehung zu seiner Padawan Kaila Dain macht fast mehr Vater als Jedi aus ihm. Da ich ja selbst Töchter habe, konnte ich da viel einfließen lassen. Wenn Kaila bockig und zornig ist, kenne ich das aus dem echten Leben (lacht).

WANN & WO: Wie streng bist du mit deinen eigenen Kindern?

Joe Baumgartner: Das ist eine ganz eigene Geschichte. In einem gewissen Rahmen kann und sollte man Kinder einfach auch selbst wachsen und die Welt entdecken lassen. Ich kann aber schon auch – vor allem, weil meine Kids wahnsinnige Lauser waren. Die wussten, Papa ist wie Butter.

WANN & WO: Wie reagierst du, wenn jemand sagt, etwas geht nicht?

Joe Baumgartner: Seit ich ein Kind bin, weiß ich: Wenn man es macht, dann geht es – und zwar alles! Wenn jemand das Gegenteil behauptet, dann sowieso erst recht.

WANN & WO: Bereust du etwas?

Joe Baumgartner: Nein, überhaupt nichts. Eigenverantwortung ist mir sehr wichtig. Ich weiß, dass die Dinge, die in meinem Leben sind, ganz viel Sinn machen. Etwas zu bereuen, wäre Nonsense, denn die härtesten Erfahrungen waren die besten und schönsten Lektionen. Das Positive hat immer überwogen und das Ganze war immer größer als die Summe der einzelnen Teile.

WANN & WO: Lernt man daraus?

Joe Baumgartner: Ganz wichtig finde ich Demut. Leute, die das geschnallt haben, kommen mit sich selbst und anderen viel leichter klar. Man nimmt sich nicht so wichtig und ist viel entspannter. In meinem Umfeld können das relativ viele. Junge Menschen sind heute oft reflektierter, als wir damals.

WANN & WO: Warum ist der Blick auf sich selbst für viele so schwierig?

Joe Baumgartner: Weil er ganz bewusst verstellt ist. Mit dem Verstand umgehen kann jeder, auf den kann man sich verlassen. Emotionen sind immer ganz schlecht. Leute, die emotional sind, empfindet man als mühsam: „Jetzt habe ich nett gefragt, wie es ihm geht und dieses Arschloch erzählt es mir auch noch!“ Wenn mich jemand fragt, erwidere ich oft: „Hast du eine Stunde Zeit?“ Da werden viele bleich (lacht).

WANN & WO: Was war der größte Blödsinn, den du jemals aufsprechen musstest?

Joe Baumgartner: Da war einiges dabei. Interessanter sind aber die Dinge, die ich hätte machen sollen, aber nicht gemacht habe. Platz eins wäre eine Kampagne für das erste Antreten von Richard Lugner zur BP-Wahl gewesen (lacht). Was ich mache, kann ich auch vertreten. Darum ist für mich ganz klar: Ich mache weder Religion noch Politik noch Pharma.

Die aktuelle Ausgabe der WANN & WO können Sie hier lesen!

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