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Salzburg vor 200 Jahren von Elend und Armut geprägt

Salzburg rund um 1850.
Salzburg rund um 1850. ©Stadtgemeinde Salzburg
Große Armut, hohe Kindersterblichkeit und ein starker Bevölkerungsschwund: Das Leben der Salzburger vor rund 200 Jahren war alles andere als rosig. Die zunehmende Verarmung war eine Folge der Kriegsauswirkungen und militärischen Besetzungen. Bevor Salzburg 1816 endgültig zu Österreich kam, herrschte ein Bettel- und Sternsingenverbot. Almosen wurden als "Belohnung der Arbeitsscheu" gewertet.


“Das ehemals unabhängige Erzstift Salzburg hatte mit seiner Bevölkerung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schwere Zeiten zu durchstehen”, konstatierte der Salzburger Diözesankonservator, Theologe und Historiker Roland Kerschbaum in einer Publikation mit dem Titel “Krisenjahre um 1816 in Salzburg”. Ein fünfmaliger Herrscherwechsel zwischen 1803 und 1816 habe dem Land schweren Schaden zugefügt. Durch die Verträge von Paris und Frankfurt im Jahr 1810 kam Salzburg zum neuen Königreich Bayern und wurde Teil des Inn-Salzachkreises. “Wurde die bayerische Herrschaft nach dem französischen Intermezzo von 1809/10 noch freundlich begrüßt, so wich die Begeisterung doch bald einer allgemeinen Ernüchterung.”

50 Prozent der Salzburger zählten zur Unterschicht

Gar 50 Prozent der Bürger in der Stadt Salzburg gehörten der Unterschicht an. “Es war die Zeit der großen wirtschaftlichen Depression”, sagte Kerschbaum im APA-Gespräch. Rund ein Drittel der ländlichen Bevölkerung verdiente einen spärlichen Lohn als Magd oder Knecht in der Landwirtschaft. “Die Zahl der Armen wuchs ständig.” Doch die bayerische Regierung setzte vieles daran, die private Spendenpraxis einzudämmen, vor allem durch Bettelverbote.

Die Begründung, warum Sternsingen und Betteln verboten wurde, erinnert an Äußerungen von rechtsgerichteten Politikern der Gegenwart. Hinter dem Sternsingen verberge sich die “Maske des gemeinen Gassen- und Hausbettels”, lautete der Vorwurf. Christliche Almosen und religiöse Sozialstiftungen wurde als “Belohnung der Arbeitsscheu” bezeichnet. Der Obrigkeit missfiel, dass die Sternsinger die Spenden in die eigene Tasche steckten. Das war damals so üblich. “Die bayerische Religionspolitik war radikal. Da war Kaiser Joseph II noch ein ‘Lamperl’ dagegen”, erklärte Kerschbaum.

Kirchliche und religiöse Notsituation

Zu der politischen und sozialen Krise gesellte sich laut Kerschbaum auch noch eine kirchliche und religiöse Notsituation. “Die Reformauswüchse staatlicher Aufklärung, die zum Beispiel seit der bayerischen Oberherrschaft zum Verbot der Christmette und anderer kirchlicher Bräuche führten, verunsicherte die Bevölkerung und regte zum inneren Widerstand an. So entstanden in dieser Zeit auch eine Vielzahl von Erweckungsbewegungen und regelrechter Sekten.”

Durch die christliche Verunsicherung verlor die Erzdiözese Salzburg Dutzende Priester. Seit 1812 war der erzbischöfliche Stuhl endgültig verwaist, nachdem Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo in seinem Wiener Exil verstorben war. Nach der Flucht Colloredos verwaltete der letzte Bischof von Chiemsee, Sigismund Christoph Graf Zeil, die Erzdiözese Salzburg, und zwar bis zu seinem Tod im November 1814. Damit begann in Salzburg die bischofslose Zeit, die erst 1824 mit der Amtseinführung von Augustin Gruber zum neuen Erzbischof enden sollte.

Zahl der Bevölkerung geht auch 1816 weiter zurück

Auch am Beginn der österreichischen Regierung im Jahr 1816 setzte sich der Bevölkerungsrückgang in Salzburg fort. Mit dem Verlust des Rupertiwinkels hat Salzburg große Getreidefelder und damit ihre Kornkammer verloren. Die Bevölkerung des Landes schrumpfte zwischen 1794 und 1817 von 145.000 auf 134.000. Lebten um 1800 noch mehr als 16.000 Menschen in der Stadt Salzburg, “so erreichte 1817 die Anzahl mit gut 12.000 Personen ihren historischen Tiefstand”, so Kerschbaum. Der Rückgang von Eheschließungen und Geburten habe einen “Sterbeüberschuss” verursacht. Wegen fehlender Arbeit verließen viele die Stadt, gebildete Bürger suchten sich neue Stellen in Bayern oder Linz.

 

Vulkanausbruch führte zur Verelendung der Gesellschaft

Nachdem Salzburg 1816 Österreich eingegliedert worden war, wichen die Erwartungen an eine rasche Besserung der politischen Situation einer baldigen Ernüchterung. Salzburg wurde als fünfter Kreis der Regierung Linz unterstellt. Es versank für Jahrzehnte in einen Dornröschenschlaf der provinziellen Bedeutungslosigkeit. Daraus sollte es erst Mitte des 19. Jahrhunderts langsam erwachen. Der Verlust der Kornkammer und die große Hungerkrise von 1816/17 – zum Teil ausgelöst durch den Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im Jahr 1815 – führten neben der hohen Kindersterblichkeit und sozialen Problemen zu einer zunehmenden Verelendung der Gesellschaft.

1816: “Das Jahr ohne Sommer”

Der Vulkanausbruch soll globale Klimaveränderungen verursacht haben. In Teilen der nördlichen Hemisphäre kam es durch Missernten und eine erhöhte Sterblichkeit unter Nutztieren zur schlimmsten Hungersnot des 19. Jahrhunderts. 1816 ging als “Jahr ohne Sommer” in die Annalen ein.

Nach 1849 wurde Situaton langsam besser

Erst 1849 wurde Salzburg ein eigenes Kronland mit eigener Landesverfassung. Von da an ging es wieder langsam bergauf. Ein Vergleich mit der Gegenwart zeigt, dass sich Salzburg gut entwickelt hat. Mit Stand 1. Jänner 2015 zählte das Bundesland 538.258 Einwohner, die Stadt Salzburg 148.256. Das Land Salzburg erwirtschaftete im Jahr 2014 laut Landesstatistik ein Bruttoregionalprodukt von 24,4 Mrd. Euro, was eine Steigerung von 18,7 Prozent in fünf Jahren bedeute. Mit rund 6,5 Millionen Gästen und rund 25 Millionen Nächtigungen war 2013/14 erneut ein “sehr gutes Tourismusjahr”. Allerdings hat die Wirtschaft in Salzburg 2014 stagniert, wie die Bank Austria berichtete. Salzburg und auch Oberösterreich wiesen aber mit je 5,7 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote im Vergleich zu den anderen österreichischen Bundesländern auf.

(APA)

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