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ÖFB-Sportdirektor Ruttensteiner: "Fußball genießt zu niedrigen Stellenwert in Österreich"

Thomas Janeschitz, Co-Trainer des ÖFB-Nationalteams, über die Stärken und Schwächen des österreichischen Fußballs.
Thomas Janeschitz, Co-Trainer des ÖFB-Nationalteams, über die Stärken und Schwächen des österreichischen Fußballs. ©APA/Robert Jäger
Die österreichische Nationalmannschaft liegt auf Platz 13 der FIFA-Weltrangliste und ist so gut wie noch nie zuvor klassiert. Wir haben uns mit ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner, dem Co-Trainer des österreichischen Nationalteams Thomas Janeschitz, Rapid-Trainer Zoran Barisic und SFV-Sportdirektor Robert Tschaut über die Stärken und Schwächen des österreichischen Fußballs unterhalten. 

Am Rande der UEFA-Pro-Lizenz-Ausbildung in Lindabrunn (NÖ) haben wir uns mit einigen namhaften Personen des österreichischen Fußballs unterhalten. Was zeichnet den “österreichischen Weg” aus und an welchen Schrauben muss noch gedreht werden, um international schlagkräftiger zu werden?

“Erfolgreiche Talentförderung im österreichischen Fußball”

Die österreichische Nationalmannschaft ist auf dem besten Weg sich für die Europameisterschaft 2016 zu qualifizieren. Die jahrelange Arbeit, welche in der Spitze des österreichischen Fußballs geleistet worden ist, trägt derzeit Früchte. Vier Jahre nach Marcel Kollers Antritt als ÖFB-Teamchef erreichte der 54-jährige Schweizer hierzulande so viel Popularität wie selten ein Eidgenosse zuvor. Um die Spitze macht sich ÖFB-Sportdirektor Ruttensteiner derzeit wenig Sorgen.

Alle Landesverbände ziehen an einem Strang

Im SALZBURG24-Gespräch spricht der Sportdirektor über die Zukunft des österreichischen Fußballs und wo noch Aufholbedarf sei. “Wir haben den europäischen Markt studiert und daraus unsere Schlüsse für den österreichischen Weg gezogen. Unsere Stärken liegen ganz klar in der Talentförderung und der ganzheitlichen Struktur des Fußballs,” so der 53-Jährige. “Alle Landesverbände arbeiten eng an der von uns vorgegebenen Ausbildungskonzeption zusammen, egal ob in Salzburg oder im Burgenland. Die Zusammenarbeit zwischen den Schulen, Vereinen und Akademien funktioniert hervorragend.”

“Fußball verdient in Österreich mehr Anerkennung”

Über die Tatsache, dass Österreich nicht die finanziellen Mittel für den Sport und im speziellen für den Fußball aufbringen kann wie Deutschland, braucht man nicht zu diskutieren. Aber einen Vergleich zwischen Österreich und der Schweiz in puncto finanzielle Mittel und der sportlichen Leistung zu machen, sollte legitim sein. “Der Fußball genießt in Österreich leider nicht so viel Stellenwert, wie er es in anderen Ländern tut”, meint Thomas Janeschitz, Co-Trainer des Nationalteams und ÖFB-Ausbildungsleiter. “Die Infrastruktur der Trainingszentren leidet sehr unter den begrenzten budgetären Mitteln. Außerdem wünschen sich die vielen ehrenamtlichen Trainer mehr Wertschätzung und ein Honorar für die harte Arbeit zu verdienen.”

Der Teambus steht schon einmal parat…#Nationalteam #AUTMOL #RoadToFrance

Posted by Marcel Koller on Mittwoch, 2. September 2015

Riesiger Abstand zwischen Österreich und Deutschland

Um sich ein Bild zu machen, welche finanzielle Mittel unser Nachbar aus Deutschland zur Verfügung hat und in welcher anderen Dimension sie sich befinden, zog Janeschitz den Ausrüster-Kampf des DFB mit Adidas und Nike heran: “Der deutsche Sportdirektor Hansi Flick hat in einem Interview bekannt gegeben, dass der DFB sich für das falsche Angebot entschieden hat und dadurch 500 Millionen Euro verloren hat. Wenn uns das in Österreich passieren würde, gäbe es keinen ÖFB mehr.”

Kritik an Trainerausbildung hierzulande

Auf die Frage warum Österreich in den letzten Jahren immer einen Schritt hinter der europäischen Spitze blieb, findet Janeschitz schnell eine Antwort. “Nur jede zweite Mannschaft in Österreich hat einen Trainer mit Ausbildung in den eigenen Reihen. Das ist alarmierend und eine sehr schlechte Quote,” so der Co-Trainer von Marcel Koller. “Die Vereinskonzepte im Breitenfußball gehören überarbeitet. Das funktioniert aber nur, wenn wir mehr Budget für Ausbildung und Bereitstellung von Materialen zur Verfügung haben. Im Bereich Frauenfußball wird sich in den kommenden Jahren noch sehr viel tun”, so Janeschitz weiter.

Barisic: “Österreich ist international schlagkräftig”

Die Entwicklung des österreichischen Fußballs sieht der derzeitige Rapid-Erfolgstrainer Zoran Barisic auf einem guten Weg. “Für die Größe des Landes ist es nicht schlecht, was sich in der jüngsten Vergangenheit in Österreich entwickelt hat. Österreich ist international schlagkräftig. Leider haben wir und Red Bull Salzburg es bislang nicht geschafft uns für die Champions League zu qualifizieren”, sagt der 45-Jährige. “Mit der “Challenge 08” und dem “Projekt 12” (Projekte zur Talentförderung, Anm., die Red.) ist sehr viel passiert. Es wurde Geld in die Nachwuchsakademien investiert und sehr gute Arbeit geleistet,” adelt Barisic den österreichischen Weg. Den Fokus sollte man in Zukunft vermehrt auf den Nachwuchsbereich legen. “Die Resultate kann man vielleicht nicht in naher Zukunft messen, aber in zehn bis 15 Jahren wird sich das Niveau noch einmal heben,” so Barisic weiter.

Rapid-Coach Barisic. /APA
Rapid-Coach Barisic. /APA ©Rapid-Coach Barisic sieht eine goldene Zukunft für Österreich. /APA

SFV-Boss Tschaut: “Proletensport” Fußball ist Vergangenheit

Der Fußball genießt  laut dem Sportdirektor des Salzburger Fußballverbands, Robert Tschaut, im Vergleich zu früher zwar mehr Anerkennung, aber für seinen Geschmack immer noch zu wenig. Der österreichische Volkssport galt lange Zeit als “Proletensport”, dessen Funktion und Bedeutung über das eigentliche Spiel hinaus kaum überdacht wurde. “Heute übernimmt Fußball große Verantwortung in der Entwicklung unserer Kinder. Ein Trainer ist gleichzeitig auch ein Pädagoge und der Sport übernimmt verschiedene gesellschaftlich relevante Erziehungsmaßnahmen. Dem muss sich unsere Gesellschaft bewusst werden und dem Fußball mehr Wertschätzung entgegenbringen,” so Tschaut.

“Mitgliedsbeitrag gehört im Fußball verdreifacht”

Für den Fachinspektor für Bewegung und Sport wäre die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge ein erster Schritt in die richtige Richtung und vergleicht den Sport, speziell den Fußball, mit der Musik. “Ohne abwertend über den Musikunterricht zu sprechen, aber dort ist es auch selbstverständlich, dass man hohe Beträge für Privatstunden zahlt. Ein Nachwuchs-Fußballtrainer steht drei bis vier Mal pro Woche auf dem Platz und ist für viele Kinder ein Vorbild, aber auch Vater-Figur. Das sollte honoriert werden, indem man die Mitgliedsbeiträge von bisher ungefähr 100 Euro pro Jahr verdreifacht,” spricht sich Tschaut abschließend für mehr Wertschätzung der Trainer aus.

 

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