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Praktisch durchdacht

Das klassische Einfamilienhaus lässt Mehrfachnutzungen zu.
Das klassische Einfamilienhaus lässt Mehrfachnutzungen zu. ©Darko Todorovic
Röthis - Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie – und im Fall von Haus Mähr in Röthis einen guten Plan, der die Bedürfnisse der Bewohner(innen) unkompliziert und dennoch effektiv stillt. Praktikabilität ist das Schlagwort hinter vielen Entscheidungen des planenden Bauherrenpaares. Daraus entstand ein klassisches Einfamilienhaus im Siedlungsgebiet, das Mehrfachnutzungen zulässt.
Haus Mähr in Röthis

Im Siedlungsgebiet von Röthis und in den Hang hineingesetzt, entstand das Haus von Familie Mähr. Auf dem elterlichen Grundstück errichtet und eigebettet in eine kleinteilige Struktur von Einfamilienhäusern und kleineren Wohnanlagen hat sich die vierköpfige Familie 160 m2 Wohnraum geschaffen, der keine Wünsche offen lässt.

„Der Planungsprozess für dieses Haus hat fast zwei Jahre lang gedauert“, erzählt Karin Mähr. „Begonnen haben wir mit der Entwicklung eines Raumprogramms. Die Funktionalitäten waren schnell klar, aber wir mussten auch familienintern viel klären: Wollen wir eher offene oder geschlossene Räume? Welche Ein- und Ausblicke ins Haus sind uns wichtig, wollen wir zulassen? Mir war es wichtig, dass es auch private Rückzugsräume gibt und ich mich frei im Haus bewegen kann, ohne ständig beobachtet werden zu können.“ Dazu kam der Wunsch nach Mehrfachnutzungen. Der Wohnraum wird gelegentlich auch als Massagepraxis genutzt, wird zum Musikzimmer und der Produktionsstätte von Kräuter-Erzeugnissen.

Durch die Begrenztheit des Grundstücks und die Hanglage musste die Bauherrenfamilie viele Kompromisse zulassen, die sich aus äußeren Notwendigkeiten ergaben. Wer davon nichts weiß, erahnt das Ringen um die beste Lösung dahinter nicht, denn die Räume wirken kompakt, ihre Verbindungen schlüssig, die Außenräume ebenso. „Wir haben jeden Zentimeter ausgenutzt, Stauräume geschaffen, wo es ging, auch an der Fassade, die hinter dünnen Latten fast an allen Stellen solche verbirgt.“ So ist der Wunsch nach einem „praktischen Haus“, wie es der Bauherrin und Planerin besonders wichtig war, in vielen Details sichtbar. Auffangbecken sammeln hinter der Lattenfassade das Regenwasser – ein kleiner Hinweis auf die ökologiebewusste Haltung der Hausbewohner und die Affinität der Familie für Kräuter – und Naturheilkunde.

Obwohl gerade erst fertiggestellt und frisch bezogen, strahlt der Raum dennoch schon behaglichen Wohnkomfort aus. Der seitliche, am Haus platzierte Eingang führt in einen kleinen Vorraum, der bereits von den zentralen Materialien des Innenraums bestimmt ist: Sichtbeton an der Decke und den Wänden, Holzverbau in Weißtanne. „Wir haben beim Beton an manchen Stellen besonders auf die Schalung geachtet und so, neben sehr feinen, glatten Oberflächen auch solche mit einer sehr groben und durchwachsenen Prägung erhalten, die uns besonders gut gefällt.“ An Details mangelt es auch sonst nicht. „Die beste Entscheidung war definitiv der Boden. Wir haben uns für Lehm entschieden.“ Wer Lehm für den Boden verwendet, schätzt zumeist das Gehen auf dem glatten, in diesen Tagen angenehm kühlen Material, das aber auch ein gewisses Risiko birgt, denn die genaue Optik des Boden ist nicht vorhersehbar und auch leichte Wölbungen und Unebenheiten sind trotz genauem Arbeiten nicht auszuschließen. „Für mich war es wichtig, mit natürlichen und regionalen Materialien zu arbeiten, überall da, wo es die Möglichkeit dazu gibt und es finanziell auch Sinn macht.“ Zusammen mit dem Sichtbeton und der weitgehend unbehandelten Weißtanne ergibt sich im Raum eine angenehm schlichte Ästhetik, die die gute handwerkliche Verarbeitung der hochwertigen Materialien deutlich in den Vordergrund rückt.

„Wir wussten schon bald, dass wir ein Passivhaus bauen wollen. Ich habe mich schon während des Architekturstudiums besonders mit Passivhäusern beschäftigt und bin überzeugt von diesem Konzept. Dass ich die Fenster trotzdem öffne, wann ich will, wundert viele, die nur wenig von Passivhäusern wissen. Das offene Fenster im Sommer stört die Funktion der Komfortlüftung nicht. Wir können mit offenen Fenstern und Türen leben, was mir sehr wichtig ist.“ Dem Außenraum hat die Architektin als Gartenfan besondere Beachtung geschenkt, „auch wenn man das jetzt noch nicht sieht und viele das eher als Wildwuchs bezeichnen würden, was es ja auch ist.“

Wachsen lassen, was hier natürlich wächst, ist das Credo bei der Gartengestaltung. Dazwischen entstand schon eine kleine Kräuterspirale und „die obere Rasenfläche haben wir klassisch gesät, das macht dort auch Sinn, das ist die Ebene zum Sitzen und Verweilen.“ Abgegrenzt ist diese Ebene mit einem Stahlgeländer, der Bereich nach hinten zum Elternhaus ist offen und ohne Sichtschutz oder andere Formen der Begrenzung. „Wir verstehen uns gut und wollen auch miteinander leben.“

Daten & Fakten

Objekt: Haus Mähr, Röthis
Eigentümer/Bauherr: Karin und Markus Mähr
Architektur: DI Karin mähr, karin.maehr@gmail.com
Ingenieure/Fachplaner: Statik: planDREI Statikbüro, Andelsbuch; Generalunternehmer: planDREI, Andelsbuch
Heizung/Lüftung/Sanitär: Siegfried Steurer, Andelsbuch
Planung: 2012
Ausführung: Mai 2013 bis Februar 2014
Grundstückgröße: ca. 650 m²
Wohnnutzfläche: 160 m²
Bauweise: Holz-Mischbau in Passivhaus-Bauweise; Schindelschirm; Heizung mit Wärmepumpe
Besonderheiten: Lehmboden; Sichtbetondecke; Weißtanne; Im Obergeschoß: Wände und Decken aus Weißtanne, Boden aus Lärche
Ausführung: Baumeister: GeserBau, Müselbach; Zimmerer: Gerhard Bilgeri, Riefensberg; Fenster: Joachim Flatz, Egg; Innenausbau: Gerhard Bilgeri, Riefensberg; Möbel: Weiler Möbel, Weiler; Türen: Tischlerei Geser, Andelsbuch; Stampflehmböden: Martin Rauch, Schlins; Holzböden: Alfons Greber, Schwarzenberg; Fliesen: Peter Meusburger, Bezau; Heizung/Lüftung: Siegfried Steurer, Andelsbuch; Elektro: Elmar Peter, Schwarzenberg; Schindeler: Albert Hagen, Mellau; Beschattung: Rudolf Feurstein, Dornbirn; Spengler, Flachdach, Extensivbegrünung: Siegfried Kramser, Großdorf
Energiekennwert: 14kWh/m² im Jahr
Baukosten: ca. 450.000 Euro

Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der VN.

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten.
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