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Robert Misik: "Haben ein hysterisches Meinungsklima"

Die aktuellen Pläne zur Regierungsbildung sorgen in Österreich gleichermaßen für Zustimmung, wie Ablehnung.
Die aktuellen Pläne zur Regierungsbildung sorgen in Österreich gleichermaßen für Zustimmung, wie Ablehnung. ©APA
Robert Misik, politischer Schriftsteller, sprach vor seinem Vortrag am Spielboden mit WANN & WO über Österreich nach den Wahlen.

WANN & WO: Was war das Besondere am Wahlkampf?

Robert Misik: Wir haben eine rechtspopulistische Partei, die FPÖ, und eine zweite, die sich dafür entschieden hat, selbst die bessere rechtspopulistische Partei zu werden, die ÖVP. Dazu haben wir seit Langem ein hysterisches Meinungsklima, in dem das Thema Migration alles überstrahlt und zu dem es nur mehr eine Meinung zu geben scheint: Mauern hoch, und über Geflüchtete aber auch Einwanderer wird nur mehr gesprochen, als seien sie eine Termitenplage.

WANN & WO: Sind Veränderungen in Österreichs Demokratie spürbar?

Robert Misik: Wir sind in einer Art Übergang. Wir werden eine Rechts-Rechte-Regierung haben, aber wir kennen die Auswirkungen noch nicht. Es fühlt sich ja für alle noch an, als hätte sich nicht viel geändert. Aber es ist gut möglich, dass die neue Koalition die Politik der Verschärfung, des Aufhussens, des Wir-Gegen-Sie auch in der Regierung fortsetzt. Dann droht Österreich zu einem Land zu werden, in dem die Konzepte der „illiberalen Demokratie“, wie sie in Ungarn und Polen schon etabliert sind, auch von der Regierungsbank exekutiert werden. Das heißt, eine aktive Zivilgesellschaft muss gemeinsam mit der parlamentarischen Opposition die liberale Demokratie verteidigen.

WANN & WO: Wie würden sie das Duo Kurz/Strache beschreiben?

Robert Misik: Kurz ist seiner Marketing-Linie treu geblieben. Er hat sich ja in den vergangenen zwei Jahren als völlig Anderer präsentiert, als in den Jahren davor. Er wirkt wie ein Opportunist, der sich als das inszeniert, wovon er glaubt, dass es ihm nützt. Man spürt das auch, diese Unechtheit, diese reine Leere. Ich denke, dass auch Strache und die FPÖ hier ein Problem haben und deshalb die Koalitionsverhandlungen in die Länge ziehen.

VOL.AT/Dietmar Stiplovsek
VOL.AT/Dietmar Stiplovsek ©VOL.AT/Dietmar Stiplovsek

WANN & WO: Was können wir von der schwarz(türkis)-blauen Regier­ung erwarten, sofern sie kommt?

Robert Misik: Es ist schwierig, das zu prognostizieren. Es kann eine scharfe werden, die aber noch im Rahmen des im demokratischen Westen „Normalen“ agiert. Oder es kann eine Rechtsregierung werden, die den aggressiven Stil gegen alle, die anders sind und anders denken, kultiviert.

WANN & WO: Der Großteil der blauen Parlamentarier sind in (u.a. rechtsextremen) Burschenschaften. Was für einen Einfluss hat das?

Robert Misik: Es ist vielleicht eher ein Symptom dafür, dass wir es bei der heutigen FPÖ mit einer harten, ideologischen Rechtspartei zu tun haben. Anders als bei der Haider-FPÖ, die trotz ihres aggressiven Stils und verbaler Ausfälle doch in die Mitte strebte, sobald sie an der Regierung beteiligt war.

WANN & WO: Was bedeutet das Ausscheiden der Grünen aus dem Parlament für Österreich bzw. für eine Politik „links-links“ der Mitte?

Robert Misik: Die Grünen werden fehlen, in mehrfacher Hinsicht. Erstens die Kompetenz, die sich die Leute in 30 Jahren erarbeitet haben, die parlamentarischen Fähigkeiten. Das ist ja doch auch ein Handwerk, das durch eine chaotische Anfängertruppe wie die Liste Pilz nicht so schnell ersetzt werden kann. Und für progressive Mehrheiten hätte es die Grünen gebraucht. Ihr Fiasko macht den Kampf um solche Mehrheiten nicht einfacher.

WANN & WO: Sie gelten als Freund und Berater von Christian Kern. Was empfehlen Sie ihm für die Zukunft?

Robert Misik: Es braucht erst einmal eine klare Sicht darauf, warum die Wahl verloren gegangen ist: Man hat den Kampf um die Hegemonie in zentralen Themen aufgegeben, etwa in der Migrations- und Integrationspolitik. Man hat auch das Thema „Veränderung“ völlig unnötig Kurz überlassen, der das als Überschrift benutzt hat, mit inhaltslosen Slogans, wie „Zeit für Neues“, was aber funktioniert hat. Kern muss deutlich machen, für welche Überzeugungen die Sozialdemokratie steht, und diesen treu bleiben, sie authentisch verkörpern. Weniger taktieren und herum lavieren. Ich würde ihm wie ich jedem Mitte-Links-Politiker raten: Stehe zu deinen Werten, auch wenn die von der Mehrheit nicht geteilt werden, aber nur so bist du glaubwürdig.

WANN & WO: Muss sich die Sozialdemokratie „neu“ erfinden?

Robert Misik: Neu erfinden ist ein Begriff, der mir nicht so gefällt. Aber natürlich braucht die SPÖ eine Runderneuerung. Eine funktionierende Geschäftsstelle, politische Köpfe, die eine begeisternde Oppositionspolitik überhaupt machen können. Keine Funktionärstypen, die wie Versicherungsvertreter aussehen und Politik nur als Verwaltung verstehen. Das heißt, die SPÖ muss mehr wie eine politische Bewegung funktionieren und Politiker hochbringen, die das können. Zugleich muss sie die Mitte halten und auch die Arbeiter und unteren Mittelschichten ansprechen, die zuletzt das Vertrauen verloren und sich nicht mehr repräsentiert gefühlt haben. Dafür muss aber die Partei auch in den kleinen Städten und Vorstädten überhaupt wieder präsent werden und funktionierende Strukturen aufbauen. Es gibt eine Reihe von Baustellen und Spaziergang wird das sicherlich keiner.

Zur Person

Name/Alter: Robert Misik/51
Beruf: Journalist und Schriftsteller
Auszeichnungen: Journalist des Jahres (2010), Staatspreis für Kulturpublizistik (2009)
Publikationen (Auszug): „Christian Kern. Ein Porträt“ (2017) und „Kaputtalismus. Wird der Kapitalismus sterben, und wenn ja, würde uns das glücklich machen?“ (2016)

INFOS

Neue Spielräume – Die Demokratie verteidigen: Österreich nach den Wahlen

Vortrag und Diskussion: Robert Misik
WANN: 16. November, 19.30 Uhr
WO: Spielboden Dornbirn
Verlosung: W&W verlost 2×2 Tickets für den Vortrag. Einfach eine E-Mail mit „Demokratie“ an joachim.mangard@wannundwo.at schicken.

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