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Ressource Baukultur

"Regionaler, ressourcenschonender und zügiger geht Bauen kaum." (Hermann Kaufmann, Architekt)
"Regionaler, ressourcenschonender und zügiger geht Bauen kaum." (Hermann Kaufmann, Architekt)
Vandans - Selbst ein exzellent aufgestelltes Unternehmen tut sich heutzutage mitunter schwer, qualifizierte Kräfte zu finden – die Ansprüche sind gestiegen, man muss einiges bieten.
Illwerke Zentrum Montafon

Die Lage des Firmensitzes spielt dabei eine große Rolle. Schwierig wird’s, wenn man – wie die Illwerke – in Randlage zwischen Silvretta und Schesaplana seinem Kerngeschäft nachgeht: Weit hinten zwischen Bergen, wo manchmal für Monate kein Sonnenstrahl hinkommt. Standortpflege ist da angesagt und betriebliche Neuordnung und Zusammenlegung von Standorten waren 2010 Anlass für einen internationalen Architektenwettbewerb zu einem neuen Hauptgebäude. Biegt man heute von der Hauptstraße nach Vandans ab, lässt die letzten Häuser des Ortes hinter sich, taucht ein in Wald und Bergschatten und erreicht alsbald einen See, so gewahrt man am anderen Ufer einen funkelnden Kristall, der sich auf der weiten Wasserfläche spiegelt – Brennpunkt einer großartigen Kulisse. Es ist das neue Zentrum der Illwerke, ein Verwaltungsbau von 130 m Länge und fünf Geschoßen, der zu einem Drittel in den See ragt. „Dieser Kunstlandschaft der Wasserkraft konnten wir nur entschieden künstlich begegnen“, so Architekt Kaufmann.

Nähert man sich dem Bau, so wird deutlich, wie sehr die Leichtigkeit, mit der sich der Bau vom Boden löst und über dem Wasser zu schweben scheint, auf das Ganze zurückstrahlt. Einfache Elemente, wie Brüstungs- und Fensterbänder mit breiten Vordächern – von Schutzund Lichtschirmen sprach einmal der amerikanische Architekt Wright – rhythmisieren mit einer strengen Ordnung kräftiger Fassadenpfosten die Ansicht. Deckenhohe Fenster machen bereits von außen sichtbar, dass diese Gliederung sich ins Innere fortsetzt. Von innen gesehen wiederum: ein umlaufender Blick in die umgebende Natur, im Rhythmus künstlicher Gliederung.

Man nimmt es Markus Burtscher, Projektleiter der Illwerke für diesen Bau, sofort ab, wenn er feststellt: „Für mich als Montafoner stand mit dem Neubau immer die Frage an erster Stelle: Würden meine Kinder sagen: Papa, da will ich schaffen. Ich denke, das haben wir hinbekommen.“ Von Anfang an wurden die Nutzer an der Planung beteiligt – aus gutem Grund: Die Umstellung von Einzelbüros zum Arbeiten im offenen Raum war eine Herausforderung – und die jetzt umgesetzte Open-Space-Struktur mit einem Wechsel von eigenem Schreibtisch, akustisch geschützter Besprechungsecke, Flexi-Arbeitsplatz, durch Glas geschütztem Think-Tank oder Lounge wurde gemeinsam erarbeitet. „Kommunikation ist ein Erfolgsfaktor für ein Unternehmen – und da geschieht jetzt in diesem Haus enorm viel in Zwischenräumen, auf dem Gang, in Bewegung“, ergänzt Burtscher.

Kommunikation – nicht nur im Haus, nicht nur zur beeindruckenden Kulisse ringsum. Sondern auch mit der Öffentlichkeit. Das Erdgeschoß beherbergt das Besucherzentrum des Unternehmens mit einigen zehntausend Gästen im Jahr. Nebenan: die Kantine. „Da haben wir den sicheren Beweis für die Qualität des Gebäudes: Die Verweildauer liegt deutlich über jener der ehemaligen Kantinen – man nimmt etwas zu sich, begegnet sich, tauscht sich aus“, hat Burtscher beobachtet. Da entwickelt sich etwas: Kommunikation als Selbstverständnis eines Unternehmens. Und das heißt auch: der eigenen Werte. Dass bei einem Energieunternehmen, bei dem Wasserkraft im Mittelpunkt steht, die Ökologie ganz oben angesiedelt ist, liegt ja zum Greifen nah.

Damit hat wiederum das Aussehen des Hauses zu tun, seine bemerkenswerte Rhythmisierung, die sich deutlich vom üblichen Bürobau mit vorgehängter Glasfassade unterscheidet. Ist es Skelettbau, ist es Massivbau? Es hat von beidem was! Es ist ein Holz-Massiv-Bau mit Unterstützung durch Stahlbeton. Aus Stahlbeton sind neben dem erd- bzw. wasserberührenden Sockel zwei Treppen- und Aufzugskerne sowie eine innere Stützenreihe. Die Decken sind Massivholzbalken und -tafeln mit 8 cm Aufbeton – das kommt Schallschutz, Brandschutz und Statik zugute. Und dann hat das Gebäude eine tragende „Außenwand“ aus massiven Holzstützen im Abstand von 3 m mit integrierter Fassade. Ein Bauwerk, soweit als möglich aus CO2-neutralem, nachwachsendem Baustoff – Wunsch des Bauherrn und ein gutes Argument im Wettbewerb.

Holzbau – für Vorarlberger alltäglich. In Jahrhunderten hat sich da Wissen angesammelt. Doch ein Bau von dieser Dimension? Auch hier fällt das nicht vom Himmel. Gemeinsam mit Cree, einer Tochter von Rhomberg Bau und den Ingenieuren von Konrad Merz hat Architekt Hermann Kaufmann ein Holzbausystem entwickelt, mit dem vor zwei Jahren das erste Hochhaus des Landes in Holzhybridbauweise umgesetzt wurde. Eine solche Praxis überzeugte die Illwerke, das wurde auf diesen Fall zugeschnitten. Und verbessert: Jetzt ist der Bau innen wie außen ablesbar ein Holzbau. Und der ökologische Aspekt enger Kreisläufe wurde umgesetzt: Dreiviertel des Holzes ist Fichte als Konstruktionsholz, vorwiegend aus den Wäldern des Montafons, gerichtet im Bregenzerwald. Die Deckenverbundelemente wurden gefertigt im Walgau, die Fassade wiederum im Bregenzerwald mit Fenstern aus dem Rheintal.

Regionaler geht’s kaum. Und, es geht auch kaum schneller: Alle wesentlichen Teile wurden in den Werkstätten vorgefertigt, im Herbst 2011 wurde in sechs Wochen der Holzbau aufgerichtet und wetterfest verschlossen, Zug um Zug Rohbau mit Fassade, fertig für die Winterarbeit. Eine steile Vorgabe für die Folgegewerke! Inklusive anspruchsvoller Technik und ausgesuchter Einrichtung sowie zahlreicher Kunst am Bau-Projekte konnte Architekt Hermann Kaufmann ein Jahr später den Bau übergeben mit dem Resümee: „Wie er da als Solitär in dieser starken Parklandschaft steht, ist dieser Holzbau ein Bild für schöpferischen und schonenden Umgang unserer Kultur mit unseren Ressourcen.“

Daten & Fakten

Objekt: Illwerke Zentrum Montafon, Vandans
Bauherr: Vorarlberger Illwerke
Architektur: Hermann Kaufmann, Schwarzach
Landschaftsarchitektur: Keller Damm Roser, München
Statik: Merz Kley Partner, Dornbirn
Haustechnikplanung: Planungsteam E-Plus, Egg
Bauphysik: WSS, Frastanz
Beleuchtungsplanung: Manfred Remm, Dornbirn
Grundstücksfläche: 161.288 m²
Nutzfläche: 9900 m²
Wettbewerb: 2010
Planung: 2010–2013
Bau: 2012–2013

Bauweise: Holz-Beton-Hybridkonstruktion; Energieerzeugung: Wärmepumpe unter Nutzung der Generator-Abwärme des Rodundwerks II; Kontrollierte Be- und Entlüftung; Fenster

Ausführung: Generalunternehmer: Cree, Bregenz; Baumeister: i+R Gruppe, Lauterach; Fassade & LCT – System: Sohm Holzsystem, Alberschwende; Schlosser: Stahlbau Rudigier, Bludenz; Tischler: Telser, Mals/Südtirol; Beleuchtung: Zumtobel, Dornbirn, ArchiLum, Bregenz und LTS Tettnang/Deutschland

Energieausweis: 13,72 kWh/m² im Jahr

Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der Vorarlberger Nachrichten

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten.
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