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"Man müsse damit rechnen, dass die Infektionen wieder auf ein ´nicht mehr erträgliches Maß' steigen"
"Man müsse damit rechnen, dass die Infektionen wieder auf ein ´nicht mehr erträgliches Maß' steigen" ©Michael Kappeler / POOL / AFP

Renommierter Virologe warnt vor 2. Welle

"Wir müssen eine 2. Welle im Winter befürchten", sagt der renommierte Virologe Christian Drosten im "ZIB2"-Gespräch. Der nächste Lockdown drohe. Drosten warnt vor Lockerungen.

Pensionisten gehen wandern, Freunde treffen sich zum Picknick, Jugendliche genießen die schulfreie Zeit gemeinsam im Park. Corona und Kontaktverbot scheinen schon wieder fast vergessen. Zwar scheint sich die Coronavirus-Lage derzeit etwas zu entspannen. Doch Virologe Christian Drosten warnt nun eindringlich vor einer zweiten Corona-Welle. "Wir müssen eine 2. Welle befürchten", sagt der deutsche Virologe Christian Drosten, einer der renommiertesten Virologen im deutschsprachigen Raum.

"Wir müssen mit so etwas jetzt leider rechnen."

Lockerungen dürften zu steigenden Fallzahlen führen

Im Interview mit der "ZIB2" beantwortete Christian Drosten am Freitag Fragen zur aktuellen Lage. Dabei warnte der Virologe davor, dass die Lockerungen wieder zu steigenden Fallzahlen führen dürften. Man sehe bereits jetzt einen dezenten Hinweis der Wiedererhöhung von Neuinfektionen. Er vermutet, dass die gestiegenen Zahlen mit der schleifen gelassenen Disziplin an den Osterfeiertagen zusammenhängen könnten.

Die aktuellen Lockerungen, die derzeit in vielen Ländern stattfinden, dürften seiner Meinung nach entsprechende Folgen nach sich ziehen. Man müsse damit rechnen, dass die Infektionen wieder auf ein „nicht mehr erträgliches Maß“ steigen.

Der jetzige positive Trend könne täuschen, warnt Drosten davor, die Coronavirus-Lage auf die leichte Schulter zu nehmen.

Nächster Lock-down droht

Im Sommer rechnet Drosten noch mit einer überschaubaren Anzahl an Neuinfektion. Sonneneinstrahlung, Trockenheit und viel Zeit im Freien (also bei mehr Abstand zueinander) dürften begünstigend auf die Fallzahlen einwirken. Danach allerdings gebe es weniger Bevölkerungsimmunität. Und in Kombination mit den Lockerungen laufe man mit einer „immunologischen naiven“ Bevölkerung in den Winter: „Dann könnte wieder der ‚Lock-down‘ drohen“, befürchtet der Virologe.

"Falsches Signal"

Mit den Lockerungen habe die Regierung ein falsches Signal gesendet, sagt auch seine Kollegin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung gegenüber dem "Spiegel": "Jetzt sehen die Menschen, dass einige Maßnahmen gelockert werden, und das vermittelt ihnen den Eindruck, dass der Lockdown jetzt nach und nach aufgehoben wird und sie schon bald zum Alltag zurückkehren können." Dabei gebe es aus virologischer Sicht keine Grundlage für Lockerungen. "Ein intelligentes Anpassen ja, aber in Summe können wir uns kein Wiederaufflammen der Infektionszahlen leisten."

Virologin Brinkmann befürchtet: Dass viele Menschen das Virus nun nicht mehr so ernst nehmen und wieder mehr Kontakte pflegen. "Wenn das passiert, stehen wir bald wieder da, wo wir am Anfang standen", sagte sie dem "Spiegel". 

Corona lässt sich nicht mit Grippe vergleichen

Drosten betonte vor diesem Hintergrund auch noch einmal, dass sich das Coronavirus aufgrund der hohen Sterblichkeit nicht mit der saisonalen Grippe vergleichen lasse. "Eine Ausnahmesituation wie diese haben wir nicht in den Aufzeichnungen, da muss man zur Spanischen Grippe zurückgehen."

Drosten glaubt aber zumindest, dass in einem Jahr breite Bevölkerungsschichten mit einem Impfstoff versorgt werden können.

Interview mit Christian Drosten in der Langfassung

Hinweis auf Hintergrundimmunität gegen neues Coronavirus

Milde oder symptomlose Corona-Verläufe könnten nach Ansicht des Berliner Virologen Christian Drosten mit früheren Infektionen mit Erkältungs-Coronaviren zusammenhängen. Unter Berufung auf eine Studie eines Charité-Kollegen bekräftigte der Wissenschaftler am Freitag im NDR-Podcast, dass eine gewisse Hintergrundimmunität in der Bevölkerung zu bestehen scheine. Drostens Team habe an der Studie zu sogenannten T-Helferzellen mitgewirkt, die zentral für die Immunantwort seien.

Die Forscher hätten bei Untersuchungen von Abwehrzellen in Proben aus der Zeit vor der Pandemie gesehen, dass bei 34 Prozent der Patienten reaktive T-Zellen vorlagen, die bestimmte Teile des neuen Coronavirus sozusagen erkannten. Sogenannte Reaktivität sei erwartbar, wenn man die Erkrankung hinter sich habe - allerdings hätten diese Patienten keinen Kontakt mit Sars-CoV-2 gehabt, so Drosten. Dass dennoch reaktive T-Zellen vorlagen, könne an durchgemachten Infektionen mit menschlichen Erkältungs-Coronaviren liegen. Weitere Erklärungen für milde oder symptomlose Verläufe seien auch, dass die Betroffenen anfangs weniger Viren abbekommen haben oder insgesamt in besserer Verfassung sind.

Drosten sprach von der ersten derartigen Beobachtung weltweit, er warnte aber auch vor einer Über-Interpretation der Ergebnisse. Man dürfe nun keinesfalls schließen, dass ein Drittel der Bevölkerung immun sei.

(VOL.AT) (APA)

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