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Rauschende Feste

Sie brachten einen Hauch mondäner Welt, einen Tick von Verruchtheit in die aufstrebende Tourismusregion Lech Zürs am Arlberg – die Tanzcafés und American Bars, in denen sich die Gäste vergnügten.

Wer Lech Zürs kennen lernen will, muß jetzt kommen. Alle Hotels und Gasthöfe wimmeln von Gästen aus aller Herren Länder. Hier fi ndest du sport- und tanzbegeisterte Menschen, Sprungschanzen, einen Eisplatz, Skirennen, drei Musikgesellschaften, komfortable Kaffees, Maskenbälle … es ist wie ein Fest, das unaufhörlich gefeiert wird.” – Das Vorarlberger Volksblatt überschlug sich 1930 fast vor Entzücken angesichts der rasanten Entwicklung, die Lech Zürs am Arlberg in den letzten Jahren gemacht hatte.

Binnen kürzester Zeit war das Wintersportgebiet international zu einem der beliebtesten geworden, war es drauf und dran, in einem Atemzug mit Davos und St. Moritz genannt zu werden und in die erste Liga vorzustoßen. Die Zwischenkriegszeit war eine Zeit des touristischen Aufschwungs in Lech Zürs am Arlberg. Die bis dahin fast ausschließlich landwirtschaftlich geprägte Region, erfuhr eine rasante Wende hin zu einem der modernsten und zukunftsträchtigsten Skiorte seiner Zeit. Das spiegelte sich nicht nur in einer neuen Architektur wider.

Die Gäste brachten auch neue Weltanschauungen ins Tal und sie wussten sich zu amüsieren. In den eleganten Tanzcafés und American Bars waren ganz neue Töne zu hören, floss der Champagner in Strömen und wurde gefeiert bis der erste Hahn krähte. Das bergbäuerlich geprägte Gebiet mutierte zum mondänen Wintersport- Eldorado – inklusive rauschender Ballnächte und einem Hauch von Verruchtheit in der Luft.

Viel Vergnügen
Die Goldenen 1920er Jahre: Der Lebenshunger der Avantgarde kannte keine Grenzen. In den großen Metropolen schossen Revuen und Tanzlokale aus dem Boden. Foxtrott, Charleston und später Swing wirbelten von Amerika nach Europa, eroberten die Tanzpaläste ebenso wie Jazz und Swing. Und es dauerte nicht lang, da hielt diese neue Kultur in den noblen Wintersportorten Einzug. Auch in Lech Zürs am Arlberg richtete jedes Hotel, das etwas auf sich hielt, ein Tanzcafé oder eine American Bar ein. Es war Hans Feßler, einer der profiliertesten Vertreter moderner Tourismusarchitektur jener Zeit, den zum Beispiel die Betreiber des Hotels Alpenrose-Post 1933 beauftragten, einen großzügigen Anbau zu planen. Hier sollte ein Tanzcafé untergebracht werden. Das rund 100 Quadratmeter große Tanzparkett war – mit Ausnahme der Zugänge – auf drei Seiten von eingebauten Tischnischen umgeben und am Ende des eingerundeten Saales befand sich leicht erhöht das Orchesterpodium.

Dem nicht genug. „Dahinter führte eine Treppe in eine rechteckige Apsis mit einer erhöhten Sitznische. Aus dieser Position ließ sich – über das Orchester im Vordergrund – der ganze Saal überblicken”, schreibt Marcel Just in „Lech & Zürs am Arlberg 1920-1940: Zwischen Tradition und Moderne”, in dem er sich zusammen mit Birgit Ortner mit Architektur, Technik, Kunst, Grafi k, Fotograf und Film in Lech Zürs am Arlberg in jener Zeit befasst. Eine außen übers Eck laufende Beschriftung wies Skifahrer und Flanierende auf das „Tanzcafé Alpenrose” hin. Und Feste wurden gefeiert in Lech Zürs am Arlberg.

In einem Prospekt des Zürserhofes hieß es 1934 an die Adresse der potenziellen Gäste: „Wir bitten die Damen und Herren, für die häufigen abendlichen Reunionen und Maskenbälle Abendtoilette, bzw. Smoking und Kostüme mitzubringen.” Auch in Lech hielten derartige Etablissements Einzug. 1932 etwa realisierte man am Tannbergerhof ein Tanzcafé mit integrierter American Bar. Zwei geschwungene Treppen fl ankierten das erhöhte Musikpodest, die eine führte vom Paraboloid ausgebildeten Tanzsaal in den Barbereich, die andere in die Pension. „Die elegante Raumlösung, die Innenausstattung und die diffuse Lichtführung hinterlassen einen mondänen Gesamteindruck”, heißt es in der 1995 veröffentlichten Monografie über den ausführenden Architekten, Franz Reznicek.

Beworben wurde diese neue Einrichtung mit einer vom Innsbrucker Werbegrafi ker Ernst Dosenberger gestalteten Postkarte, und in einem um 1935 entstandenen Prospekt des „Alpen-Sporthotel Tannbergerhof” findet sich eine
Fotografie der edel bestückten American Bar. Hinter der Theke stehen zwei Barkeeper in einer Art Uniform mit Hemd und Krawatte und mixen Getränke. Davor sitzen zwei Damen und ein Herr in legerer Sportbekleidung. Die Szenerie bezaubert.

Lange Zeit erinnerte noch der Speisesaalanbau des Hotels Krone an die Blüte der Moderne in der Tourismusarchitektur in Lech Zürs am Arlberg, mittlerweile verschwand auch er. Der elegant geschwungene Baukörper mit dicht aneinandergereihten
Schiebefenstern war ebenfalls vom Büro Feßler geplant. Das Tanzcafé war im Untergeschoß eingerichtet, die Fenster gaben den Blick frei auf den Lech. Das Flachdach wiederum fungierte als Sonnenterrasse und vor dem Café wurde in der Wintersaison die „Eisbar” eröffnet. Hier fläzten die internationalen Gäste nach dem Skilaufen in Liegestühlen, plauderten und schlürften genüsslich ihren Aperitif. Danach ging es wohl nicht selten direkt in die American Bar oder hinunter ins Tanzcafé, wo zur Musik von Jazz-Combos und Swing-Orchestern in feuchtfröhlicher Stimmung das Tanzbein geschwungen wurde.

Nicht allen jedoch gefiel das ausgelassene Treiben der Urlauber. So mancher erkannte dahinter eine Gefahr für die einheimische Bevölkerung, einen Verfall der Sitten. So soll das Auftauchen des Pfarrers bei so mancher Feier wie ein Partykiller gewirkt haben. «

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