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Rainhard Fendrich im Interview: "Anonymität nicht überbewerten"

Rainhard Fendrich gibt Denkanstöße mit seinem neuen Album.
Rainhard Fendrich gibt Denkanstöße mit seinem neuen Album. ©Sandra Ludewig
Allerlei Denkanstöße finden sich auf Rainhard Fendrichs neuem Album "SCHWARZODERWEISS". Wir trafen den Austropop-Meister zum Gespräch über die Gefahr der Online-Anonymität, Menschen auf der Flucht, seine Liebe zu Wien und junge Musiker aus Österreich.

In der Presseaussendung zu “SCHWARZODERWEISS” steht, dass es dein „vielleicht intensivstes“ Album geworden ist – warum?

Das hab nicht ich geschrieben, das sagen andere über mich. Freut mich natürlich sehr, aber inwieweit das stimmt, müssen andere beurteilen. Ich versuche, die Lieder so gut wie möglich zu schreiben, das tu‘ ich schon mein Leben lang. Vielleicht sind manche Lieder tiefgründiger als andere, aber das kann ich nicht beurteilen.

Warum wurde die Single “SCHWARZODERWEISS” Namensgeber für das Album?

Weil es auf der einen Seite bezeichnend ist für unsere jetzige Gesellschaft, dass wir nur noch ein „Schwarz-Weiß“-Denken haben. Es wird etwas für gut befunden oder für schlecht – es gibt keine Graustufen mehr dazwischen. Zum anderen, weil es wichtig für mich war, ein Statement gegen Rassismus und Ausgrenzung zu setzen.

Wird das heutzutage noch immer nicht ausreichend gemacht?

Ich weiß nicht, was andere tun – ich weiß nur, was ich machen muss. Und ich weiß, dass ich damit das Richtige tue.

Hast du die Reaktionen zur Single mitverfolgt, auf Facebook oder YouTube?

Man muss nicht jeden Poster ernst nehmen, dieses „Ich-gebe-meinen-Senf-dazu“ in der Anonymität darf man nicht überbewerten. Aber ich habe entdeckt, dass da eine eigenständige Diskussion entstanden ist, mit der ich in der Form nicht gerechnet hätte. Kunst sollte ja darauf beruhen, dass man etwas Herausragendes tut, etwas, das eine Auseinandersetzung oder auch Konfrontation aufzeigt. Da gibt es natürlich auch unterschiedliche Reaktionen darauf – und das ist gut so.

Du hast also nicht damit gerechnet, dass der Song so viele Emotionen heraufbeschört?

Ich habe es natürlich gehofft, aber eigentlich nicht damit gerechnet, da ich das Lied nicht als Provokation sehe. Es ist das Gefühl, das ich zum Ausdruck bringen möchte: Dass man keine Religion oder auch keinen ganzen Bevölkerungsstrom, der auf der Flucht ist, pauschal kriminalisieren kann. In der europäischen Verfassung ist das Asylrecht verankert – und man sollte sich mal überlegen, wie das ist, wenn man ums nackte Überleben läuft und dann mit einem Schlauchboot übers Mittelmeer kommt.

Neben “SCHWARZODERWEISS” gibt es noch das Lied „Wer schützt Amerika“ – bist du mit deinem neuen Album politischer geworden?

Welcher Singer/Songwriter kann völlig unpolitisch sein? Ich bin aber nicht politischer geworden, ich bin interessierter geworden. Und wer sich so gar nicht für Politik interessiert, dessen Interessen können auch nicht vertreten werden.  Ich registriere eine große, ungewisse „Angst“ in  unserer Bevölkerung, eine „Angst vor dem Fremden“. Dieses Gefühl darf nicht Überhand nehmen.

Ich selbst habe viel mehr Angst davor, dass Österreich vor dem Rest Europas als rechtes Land dasteht und ausgeschlossen wird – wie es schon einmal der Fall war. So etwas wäre fatal für Österreich.

Weil gerade wieder Wahlkampf herrscht: Was sagst du dazu, wenn Parteien Songtexte von dir für ihre Wahlkämpfe nutzen?

Grundsätzlich möchte ich zuerst gefragt werden, bevor jemand das einfach tut. Ohne meine Erlaubnis geht das natürlich nicht. Nur war das in dem konkreten Fall, auf den du anspielst, auch noch die falsche Partei! (Die FPÖ Oberösterreich hat 2014 für ein Online-Plakat stark ähnelnde Textzeilen zu “I Am From Austria” verwendet, Anm. der Redaktion).

Beim ersten Song auf dem Album, „Wenn du was willst“, rechnest du sehr mit der Digitalisierung im Alltag ab. Sind dir Social Media und Co. zuwider?

Es gibt zwar einen offiziellen Rainhard Fendrich-Facebook Account, aber privat nutze ich keinen – auch, wenn ich von meinen beiden Söhnen Unverständnis dafür ernte, die mir sagen, dass das heutzutage das Normalste der Welt sei (lacht). Ich frage mich aber, wohin sich die Kommunikation entwickeln wird, wenn wir alles in der anonymen Masse des  Internets austragen. Bei einem Posting gebe ich schnell etwas von mir – am Stammtisch muss ich aber aufpassen, sonst riskiere ich, vom anderen eine Watschn‘ zu kassieren!  Ein Gespräch hat nun einmal eine völlig andere Dynamik, wenn man dem Gegenüber in die Augen sieht. Und das ist mir persönlich einfach lieber. Ich nutze das Internet für Mails, um Begriffe zu suchen – aber ich kommuniziere lieber persönlich.

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Bild: Sandra Ludewig

Du bist auch „Für immer A Wiener“ – ist das deine Liebeserklärung an die Stadt?

Ich bin sehr gerne in Wien, wenn auch nicht immer, da man mich hier zu schnell erkennt. Ich kenne auch sicher nicht alle Bezirke gut. Aber man ist immer mit der Stadt, in der man geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen ist, verbunden. Auch wenn ich viel im Ausland bin – ich komme immer gerne hierher zu rück. Man darf nicht vergessen: Das Schöne an Wien ist auch die Vielfalt, die kulturelle Mischung, die es seit jeher hier gegeben hat. Die verleiht der Stadt ihren Charme.

Es wird einige Live-Termine mit dem neuen Album geben, am 17. Februar sehen wir dich in der Wiener Stadthalle. Ist man nach einer so langen Karriere wie deiner vor Tourneen noch nervös?

Ich sag dir eines: Man ist IMMER nervös. Ich war außerdem schon gut zwei Jahre nicht mehr auf Tour. Daher bin ich jetzt auch schon aufgeregt, es kribbelt schon in den Fingern. Und dieses Gefühl, wenn man auf der Bühne steht, wird stets etwas Besonderes für mich sein.

Beobachtest du auch die junge heimische Musikszene? Welche österreichischen Bands gefallen dir besonders gut?

Genau beobachten vielleicht nicht … aber an einer Band wie Wanda ist man nicht vorbeigekommen. Ich finde Wanda super, die machen eine Musik, die den Zahn der Zeit trifft. Auch Bilderbuch gefallen mir gut. In den letzten 15 Jahren hat sich in Österreich wenig getan, erst seit kurzem merkt man, dass da wieder was in der Musikszene passiert. Eine Band wie Wanda wäre früher nicht möglich gewesen. Jetzt aber wird Österreich anders als Musikland wahrgenommen, und das finde ich gut.

Was ist dein Rat an junge Musiker, die es noch schaffen wollen?

Nicht aufgeben, auch wenn es schwer ist. Mir haben sie früher auch gesagt, ich hätt‘ doch was Gscheites studieren sollen … und jetzt bin ich immer noch da. Man muss den Glauben an sich selbst bewahren. Und live spielen – viel live spielen, so oft es geht. Durch die Live-Erfahrung vor Leuten bekommt man als Künstler wirklich ein G’spür für die Musik.

Rainhard Fendrichs neues Album “SCHWARZODERWEISS” erscheint am 07. Oktober 2016. Das Album umfasst 14 Tracks:

sw_album_30001. „Wenn Du Was Willst“
02. „Frieden“
03. „SCHWARZODERWEISS“
04. „Du Bist Schön“
05. „Nur Miteinander“
06. „Das Höchste der Gefühle“
07. „Wer Schützt Amerika“
08. „Für Immer A Wiener“
09. „Die Heile Welt“
10. „Nimm Dir Ein Herz“
11. „Sugar Daddies“
12. „Lieselotte“
13. „Die Graumelierten Herren“
14. „Wie Honig“

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