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Rad: Brändles einstündiger Kampf gegen die Uhr - Weltrekord als Ziel

Vorarlberger will Bahn-Bestmarke des Deutschen Voigt von 51,115 km übertreffen.
Vorarlberger will Bahn-Bestmarke des Deutschen Voigt von 51,115 km übertreffen. ©Ronan Merot/IAM Cycling
Am Donnerstag um 19 Uhr beginnen für den Vorarlberger Radprofi Matthias Brändle die wohl wichtigsten 60 Minuten seiner bisherigen Karriere. Der 24-Jährige will seine erfolgreiche Saison mit dem Stunden-Weltrekord krönen.
Brändle greift nach Stunden-Weltrekord

“Es wird ein Kampf zwischen mir und der Uhr”, sagte der Vorarlberger vor seinem Versuch, auf der Bahn in Aigle (Schweiz) den bei 51,115 km stehenden, prestigeträchtigen Rekord zu übertreffen.

Jens Voigt als bisheriger Rekordhalter

Der 43-jährige Jens Voigt hatte mit dieser Marke am 18. September ein Ausrufzeichen hinter seine Karriere gesetzt. So wie der Deutsche, ein großes Vorbild Brändles, ist auch der ÖRV-Meister im Zeitfahren sehr oft in Ausreißergruppen präsent, liebt es, mit den Verfolgern im Nacken um den Sieg zum kämpfen. Heuer wurde er gleich drei Mal belohnt: Der Fahrer des Schweizer IAM-Rennstalls feierte Siege bei der Berner Rundfahrt und bei zwei Etappen der Großbritannien-Tour.

“Das wäre der totale Wahnsinn”

Nun will sich Brändle auf der Rad-Bahn auch noch den Traum vom Eintrag in die Rekordliste erfüllen. Vier Wochen lang hat er sich systematisch vorbereitet und dabei ein Team von bis zu zehn Helfern zur Seite gehabt. Auf 52 Kilometer lautet das Ziel des groß gewachsenen Athleten, nach einem 40-minütigen Test in der Vorwoche ist Brändle optimistisch. “Das wäre der totale Wahnsinn, wenn ich den Rekord schaffe. Wenn man in die Liste schaut, da stehen viele große Namen.”

Ab Donnerstagabend (Eurosport überträgt live) soll auch der Name des Hohenemsers dort aufscheinen. “Ich bin gut in Form und möchte die Chance nützen”, erklärte Brändle. Die Idee war schon länger in seinem Kopf herumgegeistert, nach ersten Tests und dank der Unterstützung seines Teams und des Rad-Ausrüsters Scott nahm der Bahn-Neuling das Projekt in Angriff.

Schauplatz Velodrom in der Schweiz

Die Entscheidung über den Schauplatz fiel zugunsten des Velodroms am UCI-Sitz in Aigle, das nahe des Team-Sitzes im französischsprachigen Teil der Schweiz liegt. Das Oval ist mit 200 Metern um 50 Meter kürzer als herkömmliche Bahnen und auch jene in Grenchen (SUI), auf der Voigt erfolgreich war. “Mir ist es aber in Aigle leichter gefallen als in Grenchen, auf der engsten Linie zu bleiben”, erläuterte Brändle seine Wahl. Die Fliehkräfte sind freilich ungleich größer, Arme und Gesäß werden in den engeren Kurven stärker beansprucht.

Matthias Brändle will den Weltrekord

Brändle und sein Team haben die Marschtabelle auf eine Marke von 52 Kilometer ausgelegt. Mit seiner Übersetzung von 55 bzw. 13 Zähnen auf den zwei Kränzen muss er mehr Kraft aufwenden als Voigt (54×14), ist bei gleicher Frequenz aber um rund 2 km/h schneller. Es wird jedenfalls eine Quälerei sondergleichen, eine Stunde mit 400 Watt zu fahren.

Fan-Busse aus der Heimat

“Ich werde mit 52 km/h losstarten und nach einer halben Stunde werden wir entscheiden, wie es weitergeht”, sagte der zweifache Staatsmeister im Einzelzeitfahren. Er freut sich, dass aus seiner Heimat Fan-Busse ins Rhonetal fahren. “Das motiviert mich noch mehr. Die Zuschauer werden mich auch oft genug zu sehen bekommen”, meinte Brändle lächelnd. Mindestens 256 Mal will er auf seiner rund 15.000 Euro teuren Zeitfahrmaschine mit den zwei Scheibenrädern die Holzbahn umrunden – das wären 51,2 Kilometer. Und der Rekord.

“Ich gehe davon aus, dass es klappt”

Brändle ist jedenfalls optimistisch, die Bestmarke gleich im ersten Anlauf zu knacken. “Ich gehe davon aus, dass es am Donnerstag klappt. Einen Plan B gibt es nicht”, betonte der Vorarlberger selbstbewusst.

Der Weltverband (UCI) hatte im heurigen Mai mit einer Regeländerung die Jagd nach dem seit 1893 geführten Stunden-Weltrekord neu eingeläutet. Nun sind Räder zugelassen, die dem Reglement für das Zeitfahren entsprechen müssen, während frühere Bestmarken mit Rädern mit dem technischen Stand von 1972 gefahren worden waren.

Die Rekorde aus dem Jahren 1984 bis 1996, die auf futuristisch anmutenden Spezialanfertigungen erreicht wurden – der Brite Chris Boardman kam 1996 auf 56,375 km – wurden nachträglich zu “Weltbestleistungen” abgestuft.

Weitere Rekordversuche angekündigt

Brändle will die Gunst der Stunde nützen. Für 2015 bzw. 2016 haben bereits die ausgewiesenen Spezialisten Bradley Wiggins (GBR/Zeitfahr- und Bahn-Olympiasieger) und Tony Martin (GER/Zeitfahr-Weltmeister) Rekordversuche angekündigt.

Brändle greift nach Stunden-Weltrekord

Steckbrief Matthias Brändle

Geboren: 7.12.1989 in Hohenems
Wohnort: Hohenems
Familienstand: ledig
Größe/Gewicht: 1,89 m/75 kg

Teams: Pro Cycle Team Bregenz (2004-2007), Team Ista (GER/Gerolsteiner-Farmteam/2008), Elk Haus (2009), Footon-Servetto (ESP/2010), Geox (ESP/2011), NetApp (GER/2012), IAM Cycling (SUI/seit 2013)

Größte Erfolge (Siege): 2 Etappen Großbritannien-Rundfahrt, Berner Rundfahrt (jeweils 2014), Jura-Rundfahrt (2013), GP Zottegem, Team-Zeitfahren Settimana Internationale (beide 2012), , Raiffeisen-GP Judenburg-Straßengel (2010); Mannschafts-Gesamtwertung Vuelta a Espana (2011/mit Geox); Sprintwertung Tour de Romandie 2011 und 2013

Entwicklung des Stunden-Weltrekords auf der Bahn

  • 11. Mai 1893 Henri Desgrange (FRA) 35,325 km Paris
  • 31. Oktober 1894 Jules Dubois (FRA) 38,220 km Paris
  • 30. Juli 1897 Oscar van den Eynde (BEL) 39,240 km Paris
  • 3. Juli 1898 Willie Hamilton (USA) 40,781 km Denver
  • 24. August 1905 Lucien Petit-Breton (FRA) 41,110 km Paris
  • 20. Juni 1907 Marcel Berthet (FRA) 41,520 km Paris
  • 22. August 1912 Oscar Egg (SUI) 42,122 km Paris
  • 7. August 1913 Marcel Berthet 42,741 km Paris
  • 21. August 1913 Oscar Egg 43,525 km Paris
  • 20. November 1913 Marcel Berthet 43,775 km Paris
  • 18. August 1914 Oscar Egg 44,247 km Paris
  • 25. August 1933 Jan van Hout (NED) 44,588 km Roermond
  • 28. September 1933 Maurice Richard (FRA) 44,777 km St. Trond
  • 31. Oktober 1935 Giuseppe Olmo (ITA) 45,090 km Mailand
  • 14. Oktober 1936 Maurice Richard 45,325 km Mailand
  • 29. September 1937 Frans Slaats (NED) 45,485 km Mailand
  • 3. November 1937 Maurice Archambaud (FRA) 45,767 km Mailand
  • 7. November 1942 Fausto Coppi (ITA) 45,798 km Mailand
  • 29. Juni 1956 Jacques Anquetil (FRA) 46,159 km Mailand
  • 19. September 1956 Ercole Baldini (ITA) 46,394 km Mailand
  • 18. September 1957 Roger Riviere (FRA) 46,923 km Mailand
  • 23. September 1959 Roger Riviere 47,347 km Mailand
  • 30. Oktober 1967 Ferdinand Bracke (BEL) 48,093 km Rom
  • 10. Oktober 1968 Ole Ritter (DAN) 48,653 km Mexiko-Stadt
  • 25. Oktober 1972 Eddy Merckx (BEL) 49,431 km Mexiko-Stadt
  • 27. November 2000 Chris Boardman (GBR) 49,441 km Manchester
  • 19. Juli 2005 Ondrej Sosenka (CZE) 49,700 km Moskau
  • 18. September 2014 Jens Voigt (GER) 51,115 km Grenchen

Weltbestleistungen:

Die UCI annullierte im Jahr 2000 im Nachhinein die Stundenweltrekorde aus den Jahren 1984 bis 1996, da sie mit aerodynamisch ausgefeilten Spezialrädern und mit Sitzpositionen erzielt wurden, die nicht dem neuen Reglement entsprachen. Sie werden als “Weltbestleistungen” geführt. Der Brite Chris Boardman kam am 7. September 1996 in Manchester auf 56,375 km.

(APA)

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