Den Musikern gelang es, Österreichs größten Veranstaltungssaal in einen Club zu verwandeln. Bob Dylan und Lieder wie “Things Have Changed”(“People are crazy and times are strange” – wie wahr!), “Simple Twist Of Fate” oder das wunderschön melancholisch vorgetragene “Long And Wasted Years” brauchten keine Videowalls, keine Lichteffekte und auch keine Bühnenshow, sieht man einmal von ein paar wenigen Ausflügen des Meisters vom Piano an den Mikroständer ab. Die Dramaturgie ergab sich aus den Songs und der beseelten Performance, die technisches Können und Feingefühl kongenial vereinte.
Beseelt und bejubelt: Bob Dylan spielte vor 8.500 Besuchern in Wien
Das Programm, früher täglich umgeworfen, ist mittlerweile konstant. Allerdings wirkt die Zusammenstellung auf dieser Tour perfekt stimmig, bietet einen Spannungsboden (herrlich, wie vom Blueskracher “Early Roman Kings” elegant in die “Desolation Row” abgebogen wurde, um dann “Love Sick” zu raunen) und räumt mit Vorurteilen auf. Etwa mit jenem Unsinn, es gehe bei Dylan mehr um Worte als Musik. Oder mit jenem, Dylan sei nicht mehr zu verstehen, er krächze grauenhaft. Gestern Abend bekam er bei drei mit viel Kraft vorgetragenen Liedern aus dem “großen amerikanischen Songbook” sogar spontane Ovationen für seine ausdrucksstarke Stimme.
Die stilistische Reise führte weit zurück in die Zeit vor dem Rock ‘n’ Roll. Die 30er-Jahre interessieren ihn heute ohnehin mehr als die 60er, ließ Dylan in einem Interview einmal wissen. Nahtlos gingen Blues, Boogie, R’n’B, Rock und Balladen ineinander über, ältere Songs wurden dem Konzept angepasst – “Don’t Think Twice, It’s All Right” als Jive, “Tangled Up In Blue” in einer leichtfüßigen, fröhlich anmutenden Version und “Blowin’ In The Wind” gar als Country-Walzer aufgeführt. Näher am Original bewegten sich “Highway 61 Revisited” und die umjubelte letzte Zugabe, das immer noch giftige “Ballad Of A Thin Man”.
Bob Dylan muss nicht reden, muss keine Alben bewerben (vom noch aktuellen “Triplicate” gab es auch in Wien keinen Beitrag zu hören), muss nicht mehr Gitarre oder Harmonika spielen, muss kein Best-Of mitbringen oder Sehnsüchte nach Nostalgie erfüllen. Es reicht, wenn er noch viele weitere Konzerte von zeitloser Schönheit wie gestern spielt.
(APA/Red)
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