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Offen für Veränderung

Die Erschließung erfolgt über zwei getrennte, innen liegende Stiegenhäuser.
Die Erschließung erfolgt über zwei getrennte, innen liegende Stiegenhäuser. ©Dietmar Walser
Nachverdichtung mit ganzheitlichem Konzept. Zwischen Stadtbad und Kino schließt in Dornbirn ein Wohn- und Geschäftshaus mit urbaner Geste eine Baulücke. Nachhaltigkeit wird durch Flexibilität der Grundrisse und Niedrigenergiestandard gewährleistet.
Schöner Wohnen in Dornbirn

Ausgangspunkt war es, einer innerstädtischen Liegenschaft eine möglichst sinnvolle Nutzung zuzuführen,“ beginnt Architekt Wolfgang Ritsch. Bauherr Wolfgang Zumtobel beschäftigte sich seit vielen Jahren damit, das von ihm erworbene Grundstück zu verwerten. Man entschied sich nach einer ortsräumlichen Analyse für eine Bebauung mit gemischter Nutzung als Wohn- und Geschäftshaus. Das Elternhaus des Bauherrn auf dem benachbarten Grundstück sollte außerdem erhalten bleiben. Das Gebäude aus dem Jahr 1928 wurde im Zuge der Bauarbeiten teilsaniert, Anbauten aus den 1950er-Jahren entfernt und durch einen neuen Verbindungsbau ersetzt. Ein Dialog zwischen Alt und Neu entsteht. Interessant ist zunächst die Entwicklung des Grundstücks Kapuzinergasse 6. Hier stand bis 1978 ein Wohngebäude, das abgebrochen werden musste, um für die Errichtung der Stadtstraße in den 1980er-Jahren Platz zu machen. Mit Fertigstellung der Stadtstraße im Jahr 1987 rückte die Liegenschaft, direkt am neuen Kreuzungsbereich gelegen, in die erste Reihe. Die Stadtstraße nahm der Marktstraße die Funktion als Hauptverkehrsader Dornbirns ab, wodurch die Errichtung der Fußgängerzone in der Innenstadt möglich wurde. Zwischen Stadtbad und Kino schließt das viergeschoßige Wohn- und Geschäftshaus nun mit urbaner Geste eine Baulücke. Der rechteckige Baukörper nützt das Grundstück entlang der nördlichen Grenze auf ganzer Länge aus und markiert durch diese Positionierung den Kreuzungsbereich. In Richtung Süden bleibt ein Freiraum, der die notwendige Distanz zum danebenliegenden Kino schafft.

Im Erdgeschoß befinden sich Geschäftsflächen. Das erste Obergeschoß teilen sich zwei Ordinationen. Ein Teil der Praxis von Dr. Dieter Moosmann, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, wird von einem Physiotherapeuten genutzt. Der Ausbau erfolgte in enger Zusammenarbeit mit den zukünftigen Nutzern. Im zweiten und dritten Obergeschoß befinden sich insgesamt fünf Wohnungen, von denen zwei Wohnungen jeweils über zwei Geschoße reichen. Das dritte Obergeschoß besitzt auf ganzer Länge nach Süden orientierte Terrassen. Die gesamte Dachfläche bietet eine spektakuläre Dachterrasse mit 360°-Ausblick – hier können die Augen auf Wanderschaft gehen.

Das Gebäude ist in Stahlbeton- Skelettbauweise mit massiven Plattformen errichtet. Sämtliche Trennwände sind als Leichtbaukonstruktion ausgeführt. „Dadurch erreichen wir eine sehr hohe Flexibilität – einerseits in der Verwertung, aber auch für eine spätere Nachnutzung“, erklärt Architekt Ritsch. So könnten beispielsweise die Ordinationen später einmal zu Wohnungen umgebaut werden. Die Anpassungsfähigkeit von Grundriss und Fassade war wesentlicher Grundgedanke der Planung, um einen „möglichst großen Spielraum für Veränderung offen zu lassen“. Die gelochte Trapezblechfassade bildet eine vorhangähnliche Struktur mit textilem Charakter. Farblich nimmt sie Bezug auf das Kinodach und die Fassade des Stadtbads. Somit schafft die kupferbraune Fassade „eine subtile Verbindung mit der bestehenden Architektur“.

Die Erschließung erfolgt über zwei getrennte, innen liegende Stiegenhäuser. Keiner Fassadenseite ist ein Laubengang vorgelagert, wodurch eine Nord-Süd-Orientierung aller (Wohn-) Einheiten möglich ist und mehr nutzbare Räume entstehen. Außerdem wollte man auf den nordseitigen attraktiven Ausblick über die parkähnliche Landschaft des Stadtbads nicht verzichten.

„Neben dem betriebswirtschaftlichen Nutzen war es auch Ziel, ein nachhaltiges Gebäude zu errichten“, sagt Ritsch. Die anspruchsvolle Aufgabe, eine intelligente und kluge innerstädtische Verdichtung bei sehr hoher Wohnqualität zu schaffen, nahm er gerne an. „Ich bin der Meinung, dass nur durch Herausforderungen tolle Projekte entstehen können. Nur ein anspruchsvoller Bauherr ist in der Lage, so etwas umzusetzen. Daher ist es wichtig und notwendig, dass es anspruchsvolle Bauherren und Bauherrinnen gibt“, so Ritsch. „Schlussendlich geht es auch um die Verantwortung des Bauherrn gegenüber der Allgemeinheit“, sagt Wolfgang Zumtobel. Gute Architektur rentiere sich. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die intensive Auseinandersetzung mit Architektur und die Investition in qualitativ hochwertige Architektur mit positiven Rückmeldungen anerkannt werde.

Daten und Fakten

Objekt: K6 Wohn- und Geschäftshaus, Dornbirn

Eigentümer/Bauherr: Wolfgang Zumtobel, Miterrichter gemeinschaft K6 Dornbirn

Architektur: Atelier für Baukunst Wolfgang Ritsch, Dornbirn

Ingenieure/Fachplaner:

  • Statik: Mader & Flatz Ziviltechniker, Bregenz;
  • Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Elektroplanung:
  • Hiebeler+Mathis, Hörbranz; Heizung, Sanitär, Lüftung: GMI, Dornbirn

Planung: 1/2007–11/2014

Ausführung: 6/2013–12/2014

Grundstücksgröße: 1290 m²

Wohnnutzfläche: 530 m²

Keller: 724 m²

Bauweise: Untergeschoß Beton, Erd- bis Dachgeschoß Mischkonstruktion aus Stahlbetonskelett- und Holzbau; Fassade: Sichtbeton und Lochblechelemente; Fenster: Holz/Alufenster; Sonnenschutz: Jalousien; Glas- und Metallgeländer; Innenwände: Toptrennwände aus Stahlbeton und Gipskartonvorsatzschale, andere Trennwände aus Gipskarton; Gasheizung

Ausführung: Baumeister: Rümmele, Dornbirn; Zimmerer: Gebrüder Keckeis, Lustenau; Fenster: Graf, Dornbirn; Metallbau-Portale: Heinrich Manahl, Bludenz-Bings; Glas- und Metallbau: Johannes Klocker, Dornbirn; Brandschutztüren: Markus Kalb, Dornbirn; Trockenbau: HTB, Imst; Innentüren: Inbau, Klaus, und Elmar Dünser, Thüringerberg; Treppen: Opitz, Dietenheim (D); Verputz: Gebrüder Keckeis, Lustenau; Estrich: Vigl & Strolz, Schoppernau; Böden/Parkett: Michael Bischof, Hard; Fliesen/Böden: Rein, Dornbirn; Heizung: Wolfgang Fässler, Dornbirn; Lüftung: Kranz, Weiler; Elektro: Theurer, Lauterach; Garten: Brunner, Höchst

Energiekennwerte: Geschäftsfläche: 44 kWh/m² im Jahr Wohnfläche: 19 kWh/m² im Jahr

Baukosten: ca. 2,76 Millionen Euro

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

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