Vorarlberg will zudem in der Schweiz einen Antrag auf Entzug der Betriebsbewilligung des rund 200 Kilometer von Bregenz entfernten Mühleberg stellen. Dieser soll noch im Verlauf des Sommers eingereicht werden.
Umweltministerium auf Seite Vorarlbergs
Das Umweltministerium in Wien hat in einer groß angelegten Studie das Gefahrenpotenzial des Schweizer Atomkraftwerks Mühleberg untersuchen lassen. Das Dokument geht offenbar von verheerenden Folgen für Österreich aus. Die Resultate befinden laut der “SonntagsZeitung” noch unter Verschluss, doch dem Blatt liegt nach eigenen Angaben eine Kurzzusammenfassung vor.
Die Verantwortlichen orten demnach diverse technische Mängel beim Reaktor in Mühleberg bei Bern. Bei ungünstiger Wetterlage müssten im Fall eines schweren Störfalls gar Teile der österreichischen Bevölkerung mit Jodtabletten versorgt werden und sich in Schutzräume begeben.
Laut dem Blatt sind die österreichischen Behörden alarmiert und wollen deshalb den Druck auf die Schweiz erhöhen. Aus amtsinternen Dokumenten gehe hervor, dass die Resultate bereits an die zuständigen Schweizer Behörden übermittelt wurden und das Umweltministerium auf eine baldige Antwort hinsichtlich der offenen Sicherheitsfragen dränge. Seitens des Ministeriums in Wien war am Sonntag zunächst niemand für eine Stellungnahme gegenüber der APA zu erreichen.
Aufregung um geheime Unterlagen
Pikant an der Sache ist, dass sich im Anhang der Studie offenbar eine Liste mit geheimen Unterlagen befindet, die dem Umweltministerium sowie der Öffentlichkeit in Österreich und der Schweiz nicht zugänglich seien. Die Österreicher verlangen Einsicht, da sie die Ergebnisse verändern könnten.
Das Schweizer Bundesamt für Energie (BFE) bestätigte den Eingang der Studienergebnisse. “Wie haben eine umfangreiche Fachstellungnahme erhalten”, erklärte Amtssprecher Philipp Schwander. Das BFE beauftragte das Schweizerische Nuklearinspektorat (ENSI) mit der Sichtung und erwartet eine Stellungnahme. Laut dem ENSI soll diese an einem Expertentreffen im Rahmen des bilateralen Nuklearinformationsabkommens zwischen der Schweiz und Österreich besprochen werden.
Österreich schließt Klage nicht aus
Nach Angaben der “SonntagsZeitung” schloss die österreichische Regierung als letzte Option sogar eine Klage gegen das AKW Mühleberg nicht mehr aus.
Die Mühleberg-Betreiberin BKW selbst hatte bisher nach eigenem Bekunden keine Kenntnis vom Vorpreschen der Österreicher und wiegelte ab: “Es gibt in unseren Analysen keine Anzeichen dafür, dass es zu relevanten Austritten von Radioaktivität kommen könnte”, und schon gar nicht zu Ereignissen, die Auswirkungen auf Österreich hätten, sagte BKW-Sprecher Antonio Sommavilla.
Gegenüber dem Blatt wies er jegliche Vorwürfe der Unterlassung dezidiert von sich und betonte, dass die BKW dem Schweizer Gesetz und der Schweizer Aufsichtsbehörde ENSI verpflichtet sei. Die Studie habe er noch nie gesehen.
Schweizer betonen Sicherheit des AKW
Erst am 9. Juli ließ das ENSI verlauten, dass die Schweizer Atomkraftwerke mit einem Beben fertig würden, wie es alle 10.000 Jahre auftreten könnte. Das gelte auch dann, wenn zum Beben ein Hochwasser hinzukomme. Ein solches würde insbesondere dem AKW Mühleberg drohen, da es unterhalb einer Staumauer liegt.
Im Fall einer Studie zum Atomkraftwerk Mühleberg nahe Bern, die Österreich in Auftrag gegeben hatte, sieht die Regierung nun die Schweiz am Zug. Die Ergebnisse seien bereits Anfang Mai an das Schweizer Bundesamt für Energie (BFE) übergeben worden, eine Antwort erwarte man bis Herbst, erklärte Andreas Molin, Atomexperte im Umweltministerium in Wien, am Sonntag auf APA-Anfrage.
Umweltministerium: Schweizer am Zug
Neue bahnbrechende Erkenntnisse brachte das umfassende Fachgutachten, das das Ministerium im September vergangenen Jahres in Auftrag gegeben hatte, nicht. Es habe die “bei Mühleberg üblichen Fragen” aufgeworfen, die auch schon in der Vergangenheit für Diskussionen sorgten, so Molin. Über diese offenen Fragen, unter anderem das Erdbeben- und Überflutungsrisiko betreffend, wolle man mit den Schweizer Kollegen im Rahmen eines Expertentreffens bzw. eines Workshops sprechen. Dort solle nach Ansicht Molins geklärt werden, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Risiken zu minimieren. Jetzt sei “der Ball aber noch bei den Schweizern”.
Schweizer Reaktion auf Gutachten wird abgewartet
Erst nachdem man den Standpunkt der Nachbarn kenne, könne man über eine mögliche Klage diskutieren. Die Schweizer “SonntagsZeitung” hatte spekuliert, dass die österreichische Regierung als letzte Option auch eine Klage gegen das AKW Mühleberg nicht mehr ausschließen würde. Ende Mai hatte bereits ein Anwalt aus Vorarlberg beim Landesgericht Feldkirch eine Unterlassungsklage gegen das Atomkraftwerk eingebracht. Nach Molins Informationen hatte sich diese auch auf Teile der Studie des Umweltministeriums gestützt.
Warum die Mühleberg-Betreiberin BKW nach Informationen der “SonntagsZeitung” von dem Gutachten nicht in Kenntnis gesetzt wurde, konnte Molin nicht beantworten. “Wir arbeiten mit dem BFE und dem ENSI (Schweizerisches Nuklearinspektorat, Anm.) zusammen, das sind unsere Partner.” Auch bilateral sei dies im Nuklearinformationsabkommen geregelt, das Österreich übrigens mit allen Nachbarländern außer Italien, abgeschlossen hat.
(APA)
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