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"Normale Ethik im Dorf: Neid"

Harald Gfader geht keiner Konfrontation aus dem Weg, vermisst aber in vielen Angelegenheiten Fairness und Empathie.
Harald Gfader geht keiner Konfrontation aus dem Weg, vermisst aber in vielen Angelegenheiten Fairness und Empathie. ©MiK
Schwarzach - Maler und Funkhaus-Kurator Harald Gfader im WANN & WO Sonntags-Talk über Kunst im Ländle, Kritik und Umgangsformen.

WANN & WO: Warum ist es Ihnen ein Anliegen, Kunst aufs Land zu bringen?

Harald Gfader: Ich habe lange in Wien gelebt und habe auch meine Galerien in Wien. Ich weiß aber, dass hier ein Bedarf ist, auch als Mitbegründer der Art Bodensee. Es war früher sozusagen ein Mangel an Ausstellungsfläche, und Kunst ist ja nichts ohne Betrachter. Wenn die Kunst aber elitär tut und vorgibt, das zu sein – was sie im Grunde genommen aber nie war – muss man sie aufbereiten. Für mich gehört es zum Job, Kunst zu vermitteln.

WANN & WO: Zieht Kunst am Land interessierteres Publikum an?

Harald Gfader: Wir haben gemerkt, dass unsere Besucher früher zaghaft waren, es kommen aber immer mehr. Das Glas Wein, wegen dem in der Stadt vielleicht manche kommen, gehört als Kommunikationsanteil wie das Schauen dazu, auch die Adabeis und Zaungäste sind ein Teil des Ganzen. Warum jemand kommt, ist mir eigentlich egal.

WANN & WO: Was ist, wenn sich jemand an Ihrer Kunst stößt?

Harald Gfader: Das gehört dazu! Aktion bringt Reaktion! Das Problem ist ein anderes: Inwieweit ist der Künstler fähig, zu seiner Sache zu stehen? Wenn ich eine Ausstellung mache, geht es nicht darum, von vornherein gute Kritiken abzuholen. Es geht darum, dass ich wahrgenommen werde und dass ich mich der Kritik stelle. Eher herrscht ein Mangel an der Kritik selber. Ohne diese gibt es keine Entwicklung.

WANN & WO: Warum sind soziale Randgruppen so spannend?

Harald Gfader: Weil sie auch zum Ganzen dazugehören. Ich bin ein ganzheitlicher Mensch und wurde so zur Kunst sozialisiert. Mein Professor, Adolf Frohner, war ein ausgesprochener Sozi. Das Soziale, das Emphatische das gehört auch in meiner Kunstwelt dazu, obwohl sich ebendort gegenwärtig viele recht asozial verhalten.

WANN & WO: Wie meinen Sie das?

Harald Gfader: „Des Kaisers neue Kleider“ sind bei uns flächendeckend geworden. Man tut, als ob. Alles wird als solches hingenommen, Hauptsache es sieht gut aus. Widersprüche werden nur im Keller getätigt. Wir sind visuell überreizt. Wir haben im Land keine Diskursivität oder Kontroversialität. Wir haben von hinten ein Hauen und Stechen, wie in politischen Umgangsformen. Geringschätzung an Werk und Person ist eine echte Respektlosigkeit, die es früher nicht gegeben hat.

WANN & WO: Wird die direkte Konfrontation bewusst vermieden?

Harald Gfader: Komplett. So viel kollektive Feigheit, wie ich sie momentan in der Kunstszene erlebe, wow! Sich bei anderen über dritte aufzuregen, in einer Tiefe, die als Abgrund zu bezeichnen wäre, ist zur Zeit eine Hyperkulturkrankheit, furchtbar. Man nehme das „asoziale Netz“, wo man sich abputzen kann. Zuckerberg hat die Büchse der Pandora geöffnet.

WANN & WO: Was kann man tun?

Harald Gfader: Man muss Verantwortung übernehmen, das muss ich auch. Ich bin keiner, der auf den Weg geht, um zu streiten. Ich lasse mich aber auch nicht verbiegen. Wenn das jemand versucht, wehre ich mich. Das darf ich und so habe ich auch meine Kinder erzogen.

WANN & WO: Wie erinnern Sie sich an die Studienzeit in Wien?

Harald Gfader: Das war die schönste Zeit in meinem Leben. Ich kam ja sehr spät zur Kunst. Meine Initiale hatte ich im Merrill Museum in Houston. Da habe ich zum ersten Mal ein Werk von Cy Twombly gesehen. Ich war 18, Rock ’n’ Roll, zu alt für Punk (lacht). Mit Adolf Frohner habe ich mich beinhart gerieben. Er ließ mich aber nie fallen und ich habe viel gelernt. Ich mache nicht auf cooler Künstler, der ein riesen Theater macht, wenn er den Raum betritt. Am Boden bleiben, Künstler bin ich in meinem Atelier. Das reicht.

WANN & WO: Was hat Vorarlberg der Kunst zu bieten?

Harald Gfader: Sehr viel. Ich gehe gern in die sogenannten kunstbefreiten Niederungen. Dort fühle ich mich besonders wohl, weil es keine Niederungen sind – es ist nur eine andere Tür. Das gibt es auch hier, wir haben tolle Leute. Ich bin ein Überzeugungstäter in puncto Vorarl­berg. Es gibt eine unglaublich hohe Dichte an kreativen Leuten. Kunst und Kultur hat immer mit Alter und Altersentwicklung zu tun. Anders gesagt, es ist mir höchst suspekt, einen 23-Jährigen mit einem riesigen Mercedes oder Porsche zu sehen. Man zieht ihnen existenziell, materiell den Speck durch die Nase. Ich hatte mit jungen Künstlern zu tun, die verlangen das Drei- bis Vierfache für ein Werk und sind empört, wenn man ihnen sagt: „Arbeite mal daran! Tu nicht nur so als ob!“ Das meinte ich mit „Kaisers neue Kleider“.

WANN & WO: Wie haben Sie das Medium „Sound“ für sich entdeckt?

Harald Gfader: Durch Jugendsünden der dynamischen Art, die ich heute noch ab und zu spüre. Ich hatte einen Motorradunfall und mehrere verletzte Wirbel. Es hat mich auf gut Vorarlbergerisch ,vermurslat‘. Damals hatte ich gerade das Atelier gebaut und das war dann alles zu viel. Ich musste alles neu aufbauen. Wie ich aber zum „Sound“ gekommen bin, war kurios. Als ich studiert habe, gab es auf der Angewandten das elektroakustische Institut. Martin Breindl, Andrea Sodomka oder Karl-Heinz Essl Jr. haben dort studiert und mich dem Medium zugeführt. Mittlerweile baue ich Synthesizer selbst, weil ich halt auch ein Durchgeknallter bin. Aber egal, ob Berlin, Rom oder sonstwo, ich gehe am liebsten in Hipster-Gayclubs, weil sie dort den besten Sound auflegen! Ich habe mich in der Musik nie als Künstler gesehen und großen Respekt vor den echten Könnern!

WANN & WO: Sind Preise wichtig?

Harald Gfader: Eigentlich nicht, aber es tut dem Ego kurzfristig gut. Außerdem wird man ja leider nur über das wahrgenommen.

WANN & WO: Und Ausstellungsverbote?

Harald Gfader: An die habe ich mich gewöhnt. Das war lange mein wunder Punkt, das einzige, das ich in meiner Biografie extra erwähne. Fazit, über den Umgang dieser Menschen: Lieber bin ich 18 Monate hochschwanger und habe kein Geld zum Entbinden, als zehn Minuten so „nieder-trächtig“, wie diese Leute immer noch sind. Es ist furchtbar, wie man in einer hoch entwickelten Gesellschaft im Kollektiv so agieren kann. Um Ausstellungsverbote wirklich auszusprechen sind sie zu feige! Man reicht aber in einer Vereinigung zehn Jahre lang jedes Jahr ein Konzept ein und kommt nie zu einer Ausstellung – in Berlin, Stuttgart, Los Angeles oder Wien kommt man schon dazu – aber hier nicht! Und der gesamte Vorstand, Kollegen, die über dich entscheiden, geben keine oder nur eine halbe Antwort und schanzen sich selbst im gleichen Haus zwei bis drei Ausstellungen zu. So ist es mir ergangen, ich bin aber nicht der Einzige!

WANN & WO: Im Rahmen der Bestellung als Funkhaus-Kurator sind ja die Wogen hochgegangen. Können Sie den Zorn verstehen?

Harald Gfader: Nein, das ist nur Neid. Normale Ethik im Dorf – Neid, mehr nicht. Nach Außen wurde es als Komplettkündigung verkauft, der Gfader als der Böse und zu war die Tür. Das stört mich nicht, die gebildete Schwarmintelligenz irritiert mich. Keiner ist gekommen und hat sich die andere Seite angehört. So viel zum Thema Charakter! Der Direktor hätte das Ganze auch ersatzlos streichen können – da hätten sie weniger Theater gemacht. Prinzipiell ging es um meine Person. Wenn das der Akt der Kritik sein sollte – Gfader böse! – gut, passt. Dann bin ich lieber die Kraft, die das Gute will, und stets das Böse schafft. In fünf Jahren ist alles vorbei.

WANN & WO: Würden Sie nichts anders machen?

Harald Gfader: Das sind Erfahrungswerte, die das Leben schreibt. Wieso sollte ich jetzt mit 57 Jahren aufhören zu lernen? Ich finde es toll, dass ich solche Erfahrungen wie diese ORF-Geschichte noch machen darf. Bis auf eine Sache bin ich im Grunde nicht einmal angerührt.

WANN & WO: Welche meinen Sie?

Harald Gfader: Ich bin schriftlich auf jemanden zugegangen, dass man sich zusammensetzt und miteinander redet, und habe einen Zweizeiler zurückbekommen, in dem stand: „Man sehe keine Notwendigkeit, mit mir ein Gespräch zu führen“, obwohl der Verursacher definitiv nicht ich war. Dann muss ich sagen: „Okay, wenn das die Kultur sein soll – ich bin es nicht!“

Wordrap

Malerei: Große Lust und Ekstase.
Klang: Obergeil.
Leben: Zu kurz.
Befindlichkeiten: Ich fühle mich wohl und dann fühle ich mich auch nicht wohl wenn ich mich wohlfühl.
Vorarlberg: Zur besonderen Verwendung.
Wien: Tolle Stadt – DIE Stadt ist Rom.
Zukunft: Malen, Malen, Malen, Malen.

Zur Person

Name/Beruf: Harald Gfader/Künstler Geboren: 1960 in Feldkirch Wohnort: Göfis Studium: HS für angewandte Kunst in Wien Projekte: Mitbegründer Art Bodensee, Verein milK_Ressort, „Featured-Artist“ für Nachwuchskünstler

(WANN & WO)

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