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Weibliche Babys immer noch unwillkommen

Neu Delhi - Grausame Fund in einer Klärgrube auf dem Gelände einer Geburtsklinik von Neu Delhi: Die Polizei fand die Überreste von mindestens 30 weiblichen Föten.

Der Betreiber der Klinik, der sich fälschlicherweise als Arzt ausgab, soll die Föten nach einem Geschlechtstest gezielt abgetrieben und sie dann in die Toilette geworfen haben. Der spektakuläre Fall wirft ein Schlaglicht auf ein altes Problem in Indien: Die gezielte Abtreibung oder Tötung von Mädchen, weil sie in den Augen der Gesellschaft weniger Wert sind als Buben.

Bis vergangenen Freitag entdeckten die Ermittler in der Klärgrube der Klinik im Nobelvorort Gurgaon die teilweise halb verbrannten Knochen und Überreste von 30 weiblichen Föten. Sie rechnen mit weiteren Funden im Schlamm der Grube, die über Rohre mit der Klinik verbunden ist. Der Betreiber A.K. Singh weist die Vorwürfe von sich. Er behauptet, seine Klinik sei auf dem Gelände eines ehemaligen Krematoriums errichtet worden, mit den Knochenfunden sei zu rechnen gewesen.

Singh hatte schon vorher Probleme mit der Justiz, weil er mit Hilfe eines gefälschten Diploms als Arzt praktizierte. Nun drohen ihm nach Angaben eines Anwalts beim Obersten Gerichtshof bis zu sieben Jahre Haft wegen illegaler Geschlechtsbestimmung und Abtreibung. Doch ist Singh kein Einzelfall. Im vergangenen August wurden in einem Brunnen im nordindischen Punjab die Überreste von Dutzenden weiblichen Föten entdeckt. Neben dem Brunnen betrieb ein Paar eine ambulante Gesundheitsstation – es steht im Verdacht, illegale Abtreibungen im großen Stil vorgenommen zu haben.

Schwangerschaftsabbrüche sind in Indien nicht verboten. Doch haben nur ausgewählte Kliniken dafür eine Zulassung. Um die vorsätzliche Abtreibung weiblicher Föten einzudämmen, dürfen Ärzte darüber hinaus seit 1994 per Ultraschall nicht mehr das Geschlecht des Embryos bestimmen. Zur ersten Verurteilung kam es aber erst zwölf Jahre nach Erlass des Gesetzes. „Qualifizierte Ärzte sind gut organisiert und sehr findig, wenn es darum geht, das Geschlecht festzustellen. Doch nur die kleinen Fische werden verfolgt“, beklagt die Frauenrechtlerin Sabu George.

Die Geburt eines Mädchens bedeutet für Familien in vielen Teilen Indiens den finanziellen Ruin, da erwartet wird, dass sie später bei der Hochzeit eine hohe Mitgift erhalten. Buben sind zudem begehrter, weil nur sie den Familiennamen weitergeben können.

Viele Familien treiben deshalb weibliche Föten ab oder lassen neugeborene Mädchen einfach verhungern. Laut einer im vergangenen Jahr von der Wissenschaftszeitung „The Lancet“ veröffentlichten Studie wurden in den vergangenen 20 Jahren in Indien ungefähr zehn Millionen weibliche Föten abgetrieben. Neu Delhi stellt die Berechnungen der Autoren von der Universität Toronto in Frage; sie spricht von fünf Millionen.

In Haryana, dem Bundesstaat, in dem auch Neu Delhi liegt, kommen auf 1.000 Buben unter sechs Jahren 820 Mädchen, im Punjab sind es nur 798 Mädchen – weltweit liegt die Rate bei 1.050 Mädchen. Im Vergleich steht Indien damit in einer Reihe mit Pakistan, Südkorea, China, Afghanistan und Nepal.

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