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Mogadischu: Taktischer Rückzug

In Somalia haben sich die islamistischen Milizen angesichts der vorrückenden äthiopischen Truppen aus der Hauptstadt Mogadischu zurückgezogen, die sie seit Juni kontrollierten.

Mit dem „taktischen Rückzug“ solle ein Blutvergießen vermieden werden, sagte Islamistenführer Sheikh Sharif Ahmed am Donnerstag dem arabischen TV-Sender Al-Jazeera. Der äthiopischen Armee warf er vor, „Völkermord am somalischen Volk“ zu begehen. Der „Rat der Islamischen Gerichte“, der vor der äthiopischen Offensive weite Teile des ostafrikanischen Landes beherrschte, bereitet sich möglicherweise auf einen Guerillakrieg vor. Während sich der UNO-Sicherheitsrat in New York abermals auf keine Erklärung zum Konflikt einigen konnte, kam es in Mogadischu noch vor dem Einmarsch von Einheiten der somalischen Übergangsregierung und äthiopischer Truppen zu Plünderungen und Schießereien. Die Afrikanische Union hat den sofortigen Rückzug aller ausländischen Truppen auf beiden Seiten gefordert. „Unsere Streitkräfte werden Mogadischu aus zwei Richtungen einnehmen, aus Nord und Süd“, erklärte Abdirahman Dinari als Sprecher der Übergangsregierung in Baidoa. Diese habe den Ausnahmezustand ausgerufen. Islamistenführer Sharif Ahmed betonte, der Rückzug bedeute keinesfalls eine Niederlage: „Mitglieder der Union der Islamischen Gerichte werden sich nicht ergeben. Wir werden uns verteidigen und dem Feind eine Niederlage zufügen.“ Die Milizen der islamischen Tribunale hatten sich im Juni in schweren Kämpfen gegen die von den USA unterstützte Warlord-„Allianz für die Wiederherstellung des Friedens und gegen Terrorismus“ (ARPCT) durchgesetzt, deren Führer jetzt zur Übergangsregierung gehören. Auf den Einmarsch der Äthiopier hatten die Islamisten mit der Ausrufung des „Heiligen Kriegs“ reagiert. Die USA beschuldigen die islamischen Gerichte, Mitglieder des Terrornetzwerks Al-Kaida zu schützen. Sheikh Hassan Dahir Aweys, der starke Mann der Islamisten, soll nach Erkenntnissen der US-Regierung Anfang der 1990er-Jahre ein Kampfgefährte von Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden gewesen sein.

Bewaffnete Anhänger der Übergangsregierung haben nach eigenen Angaben den Flughafen und den ehemaligen Präsidentenpalast in Mogadischu besetzt. Milizionäre, die Menschen von Plünderungen abhalten wollten, töteten nach Augenzeugenberichten fünf Menschen. Reporter berichteten, dass sich einige Islamisten dem Kommando von Clanführern unterstellt hätten. Einrichtungen des Rats der Islamischen Gerichte wurden geplündert, es kam zu Schießereien vor allem im Norden Mogadischus.

Die Afrika-Beauftragte des US-Außenministeriums, Jendayi Frazer, hatte bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus erklärt, dass die Islamisten, die nach US-Erkenntnissen finanzielle Unterstützung aus Saudi-Arabien und Waffen aus Eritrea und dem Jemen erhielten, im Begriff sein könnten, ein Herrschaftssystem nach dem Vorbild der Taliban aufbauen, die von 1996 bis 2001 in Afghanistan an der Macht waren. Nach Informationen der „New York Times“ sollen die Führer der Anfang des Jahres gebildeten ARPCT vom US-Geheimdienst CIA mit Summen von bis zu 150.000 Dollar monatlich unterstützt worden sein. Washington half zusammen mit Äthiopien der Übergangsregierung des nominellen Präsidenten Abdullahi Yusuf Ahmed, die ihren Sitz bisher in Baidoa hatte. Diese ursprüngliche Exil-Regierung war im benachbarten Kenia gebildet worden, hatte bisher aber kaum Einfluss auf die Entwicklungen in Somalia. In den Landesteilen Somaliland und Puntland bestehen seit Jahren separatistische Regierungen.

Nach dem Sturz von Militärdiktator General Mohammed Siad Barre 1991 versank Somalia in Anarchie. Wegen einer schweren Hungerkatastrophe 1992 hatte die UNO eine internationale Luftbrücke eingerichtet. Mit der Landung einer US-geführten multinationalen Truppe begann die Operation „Restore Hope“, die mit einem Fiasko endete. Rund 37.000 Friedenssoldaten sollten die Versorgung der Hungernden sichern. Im Oktober 1993 wurden in Mogadischu 18 US-Soldaten von einer wütenden Menschenmenge umgebracht, ihre Leichen geschändet. Der damalige US-Präsident Bill Clinton ordnete daraufhin den sofortigen Abzug der Truppen an.

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