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Bei lebendigem Leib verfault

Ein 23-Jähriger verkaufte Selbstmordpillen an lebensmüde Mitmenschen. Was er seinen Kunden verschwieg: Durch die Pillen verfaulten sie bei lebendigem Leib.

Der 23-jährige Mann muss sich ab morgen vor dem Landgericht Wuppertal verantworten. Laut Anklage sollen sechs Käufer nach Einnahme der Pillen gestorben sein, sieben weitere fielen für bis zu sieben Tage ins Koma. Ein 19-jähriger Selbstmordwilliger konnte gerade noch gerettet werden, war aber bereits von Leichenflecken gezeichnet. Seine Füsse und das Fleisch an seinen Beinen sollen teilweise abgestorben sein.

Die Anklage gegen den 23-Jährigen lautet auf Verstoss gegen das Arzneimittelgesetz in 19 besonders schweren Fällen, hinzu kommt ein leichterer Fall. Die schweren Fälle können jeweils mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Wegen eines Kapitalverbrechens ist der Angeklagte aber nicht zu belangen, wie der Sprecher des Landgerichts, Michael Börsch, erklärte. Da Selbsttötung in Deutschland nicht strafbar ist, kann auch die Beihilfe dazu nicht strafbar sein.

Der als Event-Manager tätige Mann soll sich laut Anklage seine Kunden auf besonders perfide Art gesucht haben: Im Forum der inzwischen geschlossenen Webseite selbstmord.com nahm er demnach Kontakt zu den Selbstmordgefährdeten auf und erschlich sich ihr Vertrauen. «Er hat sich als jemand ausgegeben, der auch Selbstmord begehen will, nachdem sich seine Freundin umgebracht hat», erklärte Oberstaatsanwalt Alfons Grevener. Zudem soll er sich dort als Medizinstudent ausgegeben haben, der sich bestens mit Medikamenten auskenne. Die eigentlichen Verkäufe wurden dem Gerichtssprecher zufolge schliesslich bei privaten Chats vereinbart.

Der 23-Jährige pries den Interessierten zwei Arten rezeptpflichtiger Pillen zum Kauf an: Das Anti-Epileptikum Luminal und das normalerweise zur Behandlung von Nervenkrankheiten angewandte Truxal. Wie er sich die Ware beschaffte, wisse man nicht, erklärte Grevener. Einige hundert Pillen soll dem Mann ein Apotheker gegeben haben, mit dessen Sohn er befreundet war. Diesem habe der 23-Jährige erzählt, ein Verwandter in seiner albanischen Heimat benötige die Medikamente. Er habe auch ein albanisches Rezept vorgelegt. «Das hätte er aber nicht einlösen dürfen», sagte Grevener. Allerdings seien die meisten der so beschafften Pillen auch noch bei dem 23-Jährigen gefunden worden.

Mehr als 1.600 Tabletten verschickt

Insgesamt verkaufte und verschickte der Mann laut Anklage mindestens 1.550 Tabletten Luminal und 118 Tabletten Truxal in verschiedenen Mengen und Kombinationen an insgesamt 18 Personen. «Und er hat ihnen dazu noch detaillierte Anweisungen für die Anwendung gegeben», sagte der Gerichtssprecher. Dafür habe er insgesamt 7.880 Euro sowie zwei Laptops und eine Digitalkamera erhalten. Ein weiterer Kunde soll die bestellten Tabletten nicht bekommen haben, weil er nicht wie vereinbart zahlte.

Auf die Spur des 23-Jährigen kamen die Ermittler durch den Fall eines Betroffenen, dessen erster Selbstmordversuch misslang. Später soll er sich jedoch, wiederum mit Pillen des Angeklagten, das Leben genommen haben. Anzeige erstatteten auch die Eltern des 19-Jährigen, der bei lebendigem Leibe zu verfaulen begann und gerade noch gerettet werden konnte. Grevener zufolge soll der Mann durch den Vorfall letztlich keine Gliedmassen verloren haben: «Durch eine ganze Reihe Gewebeverpflanzungen wurde er gerettet.»

Der Verteidiger des Angeklagten hat auf Anfrage der Nachrichtenagentur AP angekündigt, sein Mandant wolle am ersten Prozesstag zu den Vorwürfen aussagen. Bisher hat er sich zum Inhalt der Anklage noch nicht geäussert. Auch die ersten Zeugen sind dem Gerichtssprecher zufolge bereits für Freitag geladen. Insgesamt sind bisher acht Prozesstage bis zum 24. Januar 2007 angesetzt.

Quelle: 20 Minuten

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