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Ein See mit Geschichte

©Jörg-Brosche
Wenn der Gardasee überlaufen ist, bietet der westlich gelegene Iseosee eine lohnende Alternative.
Bilder

Es war einmal eine winzig kleine Insel. Das heißt, gar so winzig war das Eiland gar nicht, es handelt sich um die größte Insel inmitten eines Sees in Europa. Das  Eiland hat für eine Seeninsel das beachtliche Ausmaß von zwei mal drei Kilometer, liegt im Iseosee in der Lombardei und ragt aus diesem stolze 400 Meter heraus (im Bild rechts zu sehen). Demzufolge heißt es auch Monte Isola.
Handgeknüpfte Fischernetze
Dereinst waren ihre Bewohner sehr wohlhabend, denn sie lebten inmitten ihres glasklaren und fischreichen Alpensees vortrefflich von ihrer traditionellen Handwerkskunst: von handgeknüpften Fischernetzen.
Im 19. Jahrhundert erlebte das Geschäft seine Blüte. Doch dann kamen die 1960er-Jahre und eine übermächtige Billigkonkurrenz aus China. Der einst so schwunghafte Handel flaute ab und erstarb beinahe ganz. Immer mehr Familien waren gezwungen, für den Broterwerb von der Insel auf das Festland zu pendeln. Bis Fiorello Turla, Spross der letzten verbliebenen Netzweberei „La Rete“, eine pfiffige Idee hatte. Wo siegt nach wie vor Qualität vor Preis, wo zählt Prestige immer noch mehr als asiatische Masse? Wir dürfen nicht vergessen: wir befinden uns in Italien – und so war die Antwort für ihn ganz klar: Calcio – Fußball!

Die Fußball-Insel
Das Sortiment wurde kurzerhand umgestellt und Turla brachte 1970 eine Innovation auf den Markt: mit wabenförmigen (statt quadratischen) Netzmaschen gewann er das Vertrauen der Fußballmannschaften. Das rettete die Firma. Heute ist „La Rete“ (zu deutsch: „das Netz“) die absolute Nummer eins für Fußball-Netze in Europa: nicht nur jedes italienische Fußballstadion mit klingendem Namen hat Tornetze aus Monte Isola, La Rete war auch Ausstatter der Fußball-WM in Italien (1990), der WM in Japan und Korea (2002), der Olympischen Spiele in Athen (2004) sowie der Bewerbe der Champions League.
Mittlerweile verfügt die Firma über mehrere Standbeine: Hängematten, Sicherheits-, Sport- und Schutznetze. Tag für Tag verlässt ein Schiff, randvoll beladen, die Insel. Fiorello Turla richtete übrigens am Firmengelände mit viel Liebe ein kleines Museum zur Geschichte der Netzweberei und des Fischfangs ein – sehr interessant! (www.omaggioamontisola.it)
Charmanter Anachronismus. Ein modernes Märchen – und so ist auch die ganze Insel: trotz ihrer Schönheit wirkt sie ein bisschen wie aus einer anderen, längst vergangenen Zeit. Da gibt es zum Beispiel kein einziges Auto, außer das des Arztes. Für den Rest der Bewohner (und die Touristen) verkehrt ein Minibus. Ansonsten herrscht (unterbrochen von fallweisem Mofa-Geknatter) himmlische Ruhe.

Ein italienischer See
In der Hochsaison allerdings ist die Beschaulichkeit ein wenig gestört, wenn die Fährboote Schiffsladungen von Tagesgästen entladen, die schnatternd die netten Cafés und Restaurants an den Uferpromenaden bevölkern oder als fröhliche Wandersmänner die Insel erobern. Abends kehrt wieder Ruhe ein, denn Beherbergungsbetriebe gibt es nur ganz wenige und winzige.
Der Lago d’Iseo ist ein See der Italiener geblieben. Italienisch sind die Laute, die man ringsum hört, italienisch ist die Küche und italienisch ist die Speisekarte. Während am Gardasee der Tourismus seit der Jahrhundertwende boomt, begann er am Südufer des Iseosees erst in den 70er-Jahren; im Norden des Sees überhaupt erst vor wenigen Jahren. Dabei kann sich der Iseosee in Sachen landschaftlicher Schönheit und kultureller Schätze durchaus mit dem großen Bruder messen. Ein bisschen provinzieller ist er halt – dafür aber liebenswürdiger.
Geografisch gibt’s einige Parallelen: die Gletscher der Eiszeit formten eine fjordähnliche Gestalt, die sich gegen Norden hin immer mehr verengt. Die Iseosee-Küstenstraße am Westufer zwischen Castro und Predore klebt wie die des Gardasees im teils  senkrechten Fels; das Ostufer ist wesentlich lieblicher – hier dominieren grüne Hänge und  Terrassen mit Olivenbäumen (Marone gilt als die „Stadt des Olivenöls“).

Weinlandschaft Franciacorta
Gegen Süden hin öffnet sich der See in die hügelige Endmoränenlandschaft der Franciacorta. Weinkennern klingt der Name wie Musik in den Ohren, denn önologisches Aushängeschild ist der gleichnamige, hochqualitative Spumante, der nach der Champagner-Methode hergestellt wird. Den Kern der Franciacorta bilden vier adrette Dörfchen, einst Corte Franche (freie Höfe) genannt, weil ihren Bewohnern für die Bereitschaft, in den (ehemaligen) Sümpfen zu siedeln, Steuerfreiheit und andere Privilegien zugesagt wurden.
Später bauten vornehme Adelsfamilien aus Brescia hier ihre Landvillen. Weingärten, Burgen und Abteien, Zinnen gekrönte Türme und Villen, eingebettet in das saftige Grün jahrhundertealter Parks, kennzeichnen die an Kunstschätzen reiche Franciacorta (weitere Infos im Internet unter www.stradadelfranciacorta.it, www.franciacorta.net).

Die Uferstraße ist an vielen Stellen in den Fels gehauen
Iseosee. Der Iseosee (italienisch Lago d’Iseo oder Sebino) ist der viertgrößte der oberitalienischen Seen. Er befindet sich etwa 20 km nordwestlich von Brescia. Das Seebecken wurde von den Gletschern der Valcamonica ausgehöhlt. Man kann den See trotz vieler ins Wasser reichender Felswände komplett umfahren – die Straße ist an vielen Stellen aus dem Felsen gehauen.

25
Kilometer ist der Iseosee lang, vier km breit und bis zu 258 m tief. Er  liegt 185 m über dem Meer und ist herrlich rein und glasklar. Mit seinen milden Temperaturen lädt er zum Baden ein. Rund um den See gibt es zahlreiche frei zugängliche Badestellen, die schönsten sind in Sale Marasino und Pilzone sowie auf der Insel Monte Isola.

Mittelalterliche Dörfer entlang des Sees

dörfer. Die adretten Ortschaften der Uferregion verfügen über entzückende historische Zentren und versprühen trotz ihrer Lage am Rande der Alpen südländisches Flair. Lóvere beispielsweise ist eines der „Borghi piu belli d’Italia“ (schönste mittelalterliche Orte Italiens – www.borghitalia.it) – übrigens gemeinsam mit Monte Isola. Sárnico ist bekannt für seine Jugendstilvillen.

„Festa di Santa Croce“
Tradition. Ein paar so traditionsverbundene wie liebenswürdige Verschrobenheiten leistet sich Monte Isola: die uralt-überlieferte Bootsform ist das Naët – ein spitzes, schmales Holzboot, das nach demselben System wie die Gondola in Venedig funktioniert: auf der einen Seite wiegt es deutlich mehr, damit der Gondoliere das Gleichgewicht halten kann.
Eine weitere Besonderheit: alle fünf Jahre im September findet in Carzano das „Festa di Santa Croce“ statt. Der Ort wurde in seiner Geschichte als einziger der Region nie von der Pest dahingerafft – die Bewohnern danken dies mit dem großen Marienfest, bei dem die Gässchen in einem Meer von bunten Papierblumen versinken.  Es wird nur alle fünf Jahre gefeiert – das nächste Mal 2010, vom 14. bis 19. September.

Der See ist ein Segelparadies
Segelrevier. Der Norden des Sees ist ein Paradies für Segler und Surfer. Wie am Gardasee heißt er Ora und ist ein  perfekter, gleichmäßiger Segelwind (Segelschule Max Barro, www.avas.it).

Radeln am Ufer des Sees entlang
rad. Vor einigen Jahren wurde die Küstenstraße „Sebina Orientale“ am Ostufer in einen Tunnel verbannt. Jetzt ist am malerischen Seeufer Platz für Radfahrer (www.sportaction.it, www.iseobike.it).

Reiseinfos:

Anreise: Tagsüber bestehen viertelstündlich Fährverbindungen zwischen Peschiera Maraglio und Sulzano sowie zwischen Carzano und Sale Marasino. Diese werden auch die ganze Nacht über betrieben. Auch alle Linienschiffe fahren die Insel an, sodass es auch in Sensole und Siviano tagsüber etwa stündlich Schiffsverbindungen gibt. Die Linienschiffe verkehren zwischen Iseo-Sulzano und den Inselorten während des ganzen Jahres von morgens früh bis spät in die Nacht.
Allgemeine Informationen: Italienische Zentrale für Tourismus ENIT, Tel. 01 505 16 39, E-Mail: vienna@enit.it , Internet www.enit.at, Brescia Tourism (für die ganze Region), Tel. +39/030/24 00 835, E-Mail: info@bresciatourism.it (gutes Prospektmaterial – auch auf deutsch!) www.bresciatourism.it, Agenzia Territoriale per il Tourismo Lago d’Iseo Franciacorta
Tel. +39/030/98 68 533, E-Mail: info@agenzialagoiseofranciacorta.itwww.agenzialagoiseofranciacorta.it,
Hoteltipps:Iseolago Hotel: Klassisches Ferienhotel etwas außerhalb von Iseo nahe des Freizeitzentrums Sassabanek (Tennis, Pools, Strandbad, Restaurants etc.) – Hotelgäste haben gratis Zutritt. (Tel. +39 030 988 91, www.iseolagohotel.it).
Agriturismo Forest: Urlaub am Bauernhof in erhöhter Lage über Iseo inmitten von Olivenhainen – herrliche Aussicht (Tel. +39 030 98 16 40, www.agriturismoforest.com).
Riva Lago Hotel: Historischer Palazzo direkt am See in Sulzano, 2006 renoviert, nun ein sehr stilvolles Hotel Garni mit  Seezugang, Pool und Garten (Tel. +39/030/98 50 11, www.rivalago.it).
Residence Vittoria Monteisola: Direkt am Seeufer, kleiner Strand; 14 Apartments, (Tel. +39/030/988 62 22, www.monteisola.com).

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