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Neues altes Zuhause

Bei der Wahl der Materialien war es dem Bauherrn wichtig, natürliche und ökologische Baustoffe zu verwenden.
Bei der Wahl der Materialien war es dem Bauherrn wichtig, natürliche und ökologische Baustoffe zu verwenden.
Viel Licht, ein Raum zum Musikhören und ein großes Bad waren die Wünsche des Bauherrn. In seinem geerbten Elternhaus treffen nach einem Umbau alte Qualitäten auf neue. Auf den Bestand eingehend, schaffen sanfte Eingriffe helle und offene Räume für ein neues Wohngefühl.
Schöner Wohnen in Höchst

„Das ist mein Elternhaus, das ich geerbt habe“, beginnt Bauherr Jürgen Gehrer. Außen gut erhalten, entsprach das im Jahr 1935 erbaute Haus im Inneren allerdings nicht mehr ganz den heutigen Ansprüchen. „Das Haus hatte zwar eine Heizung, aber nur die unteren Räume waren beheizt. Oben waren früher Schlafzimmer und diese waren nicht beheizt. Im Winter gab es Eisblumen am Fenster.“ „Alt und kalt“, beschreibt Architekt Dieter Klammer den Zustand vor dem Umbau. Da für Jürgen Gehrer feststand, dass er weiterhin im Haus wohnen wollte, entschied er sich für eine Sanierung, um die Wohnqualität zu verbessern. Er informierte sich bereits vor Planungsbeginn über Materialien, sah Vergleichsbeispiele an und legte sich Konzepte zusammen. Architekt Klammer: „Es war ein super Miteinander, weil die Information schon da war.“ Beiderseits war es ein Anliegen und Ziel, soviel wie möglich auf den Bestand einzugehen, vorhandene Qualitäten hervorzuheben und damit zu arbeiten.

Das äußere Erscheinungsbild konnte weitgehend erhalten bleiben. An der Südfassade erhielt die bereits vorhandene Gaube eine großflächige Verglasung. Aus praktischen Überlegungen wurde die Eingangssituation verlegt. Ursprünglich befand sich der Haupteingang des Wohnhauses auf der Gartenseite im Süden. „Es hatte sich aber schon eingebürgert, dass man eigentlich immer auf der Rückseite des Hauses hereingekommen ist“, erzählt Architekt Klammer. Daher machte es Sinn, den ehemaligen Nebeneingang durch ein neues Portal zum Haupteingang aufzuwerten und das zuvor dunkle Stiegenhaus mit einem großen Fenster zu öffnen. Es entstand ein heller, freundlicher Eingangsbereich und zentraler Verteilerraum. Die Treppe blieb teilweise erhalten, wurde lediglich geschliffen und dadurch aufgefrischt. Original ist auch das Podest, das durch die Nagearbeit eines (mittlerweile nicht mehr aktiven) Holzwurms eine besonders bemusterte Oberfläche besitzt.

Das eigentliche Erdgeschoß liegt einen Halbstock erhöht über dem Straßen- und Gartenniveau. Durch die Verlegung des Haupteingangs war der Flur an dieser Stelle überflüssig geworden. Mit Entfernung der Wand zwischen Flur und Esszimmer konnte für das nach Süden ausgerichtete Esszimmer mehr Fläche gewonnen werden. Der Zugang zum Garten ist nun direkt über die erhaltene Veranda möglich. Die restlichen Räume im Erdgeschoß wurden weitestgehend belassen. „Es ging darum, das untere Geschoß zusammen mit dem Bestand stimmig zu gestalten, sodass man die ‚Abschnitte’ nicht spürt“, erklärt der Architekt.

Eine komplette Umstrukturierung und Optimierung erfuhr hingegen das Obergeschoß. „Wir haben sehr stark aufgerissen – sowohl in der Höhe als auch in den Wegen. Es ging um Großzügigkeit“, erklärt Dieter Klammer. „Man hat einen komplett offenen Grundriss und kann überall immer weiter gehen. Es gibt keine Sackgasse.“ Der mittig liegende Gang ist eigentlich keiner, denn durch Verschieben der Glastüren wird das Obergeschoß auch quer geöffnet. In Schlafzimmer und Hobbyraum wurden die Deckenbalken entfernt, sodass der Dachraum als Ganzes erlebbar ist. Den oberen Abschluss bilden eng liegende Holzlamellen, die den beiden Räumen eine besonders angenehme Akustik verleihen. Der nach Süden orientierte Hobbyraum ist durch die giebelseitige Verglasung der Gaube sehr hell und offen. Horizontale Holzlamellen im oberen Bereich des Giebels dienen als konstruktiver Sonnenschutz und führen die Optik der bestehenden Fassade weiter. Das großzügige Bad erhält durch Einbau einer neuen raumbreiten Gaube viel Tageslicht. Für die Deckenlattung in diesem Bereich konnte Abbruchmaterial aus dem restlichen Obergeschoß wiederverwendet werden, sodass zwischen alter und neuer Decke kaum ein Unterschied zu erkennen ist. Der fugenlose, dunkle Terrazzoboden wirkt sehr edel und bietet der freigelegten Balkenkonstruktion ein würdiges Gegenüber. An den Wänden wurde eine Kalkglätte aufgebracht.

Bei der Wahl der Materialien war es dem Bauherrn wichtig, natürliche und ökologische Baustoffe zu verwenden. Für die Isolierung kamen daher Holzfaserplatten zum Einsatz. Lehmplatten und Lehmputz sorgen für ein angenehmes Raumklima. Böden, Decken und Schränke sind aus Lärchenholz. Das Heizungssystem wurde komplett erneuert. „Ich wollte weg von fossilen Brennstoffen und habe eine Erdsonde machen lassen. Zusätzlich gibt es einen großen Kollektor am Dach zur Heizungseinspeisung durch Solarenergie“, erzählt der Bauherr. Dadurch kann die Hälfte der Energiekosten eingespart werden. Im oberen Stockwerk wurde eine Fußbodenheizung installiert. Um in den unteren Räumlichkeiten den bestehenden Fußboden zu erhalten, wurden dort Heizschlangen in den Wänden verlegt. Mit viel Liebe zum Detail arbeitete Jürgen Gehrer viele Stunden in Eigenleistung am Umbau mit. Ein „Riesenunterschied“ sei es nun im neuen alten Haus zu wohnen.

Daten & Fakten

Objekt: Umbau Haus Gehrer, Wohnhaus, Höchst

Eigentümer/Bauherr: Jürgen Gehrer, Höchst

Architektur: architektur.terminal hackl und klammer, Röthis

Fachplaner: Statik: Mader und Flatz, Bregenz

Ausführung: 2009–2012

Grundstücksgröße: 484,7 m²

Wohnnutzfläche: 56 m²

Bauweise: Fußboden: Riemenboden, Nassraum: Gussasphalt; Dacheindeckung: Bieberschwanzziegeln; Gaube Nord Neu: Kupferverblechung; Fassade: bestehende, rot gestrichene Holzverschalung, bestehende Fensterläden; Eingangsportal Neu: Kupferverblechung; Gaube Süd: Giebelverglasung und Außensonnenschutz/Holzlamellen Neu; Holz-Alu-Fenster; Wandaufbau: Holzstrick Bestand, teils Lattung/Dämmung mit GK-Platte Bestand, Vorsatzschale bzw. Trockenbauwand mit Lehmbauplatte inkl. Putz Neu; Adaptierung der bestehenden Holztreppe; Einbaumöbel Neu: Lärche furniert oder Massivholz

Besonderheiten: Einsatz natürlicher Materialien und erneuerbarer Energiequellen, Ausführung mit großem Anteil Eigenarbeit

Ausführung: Zimmermann: Matthias Hildebrand, Gaißau; Tischler-Fenster- Holz: Tischlerei Pfefferkorn, Bludesch; Tischler-Türen: Dünser Elmar Tischlerei, Thüringerberg; Glaser: Längle Glas, Götzis; Spengler: Othmar Schneider, Fußach; Dachdecker: Dachdeckerei Blum, Höchst; Gußasphalt: Leite Asphalt, Dornbirn; Riemenboden: Anton Spiegel Parkett, Dornbirn; Stiege: Tischlerei Wohlgenannt, Dornbirn

Quelle: VN/ Leben & Wohnen

Für den Inhalt verantwortlich:
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