Egal, ob man die Digitalisierung als Fortschritt, Effizienzsteigerung und Zuwachs an Komfort sieht oder als Bedrohung bewährter Strukturen und persönlicher Autonomie – die digitale Revolution durchdringt all unsere Lebensbereiche. „Der digitale Raum reicht mehr und mehr in den analogen. Wir leben zusehends im On“, so die renommierte Medienwissenschaftlerin Petra Grimm in der Reihe „Wertvolle Kinder“ im Vorarlberger Kinderdorf Kronhalde. Unter dem Stichwort „Internet der Dinge“ führte Grimm auch die Infiltrierung unserer Privatsphäre durch Technisierung, Mediatisierung und Digitalisierung an. Intelligente Geräte machen das Zuhause zum „Smart Home“ – bis hin zu intelligenten Socken, die es erleichtern sollen, nach dem Waschen für jeden Socken wieder das passende Gegenüber zu finden.
Das Handy als Teil des Körpers
Auch der Lebensraum unserer Kinder spielt sich zunehmend im Online sprich in Sozialen Medien ab. Das Handy sei wie ein Teil ihres Körpers, zitierte die Hochschulprofessorin eine jugendliche Seminarteilnehmerin. Dinge mit anderen im Netz teilen, sich selbst zu inszenieren führt zu Anerkennung und Aufmerksamkeit, bedingt aber auch eine Datenpreisgabe und Gefährdung der Privatsphäre. Vielen Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen sei dies nicht bewusst. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass hinter Facebook, Whats App, Google & Co kommerzielle Interessen stehen.
Google & Co verfolgen kommerzielle Interessen
Wer beispielsweise mit Google sucht, wird zwar oft fündig, bezahlt dafür aber mit Daten und persönlichen Informationen, die das Unternehmen nutzt, um passgenaue Anzeigen zu platzieren. Facebook steht dem um nichts nach. Über sogenannte „filter bubbles“ werden Daten und Nutzerverhalten gespeichert und ausgewertet. Ziel ist die Erstellung eines Userprofils auf Basis einer Persönlichkeitsbeurteilung, das die Schaltung von adäquaten Werbeanzeigen zum richtigen Zeitpunkt ermöglicht.
Wertewandel
Die digitale Transformation der Gesellschaft inkludiert auch eine Ökonomisierung der Werte. „Der digitale Kosmos, in dem wir leben, ist von ökonomischen Kriterien geprägt“, sagt Prof. Grimm. Die unzähligen Nachrichten und Bilder, die täglich übers Smartphone ankommen, erfordern Quellenkompetenz und eine Auseinandersetzung mit Haltungen, Werten, mit Ethik, Empathie und digitaler Courage. Keineswegs sei ein Handyverbot oder der komplette Verzicht auf die Teilnahme an sozialen Foren die Lösung, was einem sozialen Ausschluss gleichkommen würde. Dennoch ist Grimm überzeugt, dass wir uns auf eine „digitale Ethik“ verständigen sollten.
In der Zwickmühle
Zunehmend befänden sich Jugendliche nämlich in der Zwickmühle bzw. einem Wertekonflikt. Wie viel gebe ich für möglichst viele Likes von mir preis? Bin ich bereit, gegen herabwürdigende und verletzende Äußerungen im Netz einzutreten? Gemeinsam mit Studentinnen und Studenten hat die Forscherin „10 Gebote der digitalen Ethik“ entwickelt, die uns wie ein Navi-Gerät durch den virtuellen Raum lotsen sollen.
Preisgabe intimster Daten
Selbst sei Grimm froh „dass nicht alles, was ich in meiner Jugend gemacht habe, auf YouTube zu sehen ist“. Die Privatsphäre erfülle wichtige Funktionen, die wir nicht einfach aufgeben sollten. Dazu zählt beispielsweise die persönliche Autonomie. Exemplarisch „durfte“ das Publikum im Vorarlberger Kinderdorf Kronhalde via YouTube dem Schwangerschaftstest eines Mädchens beiwohnen. „Wir müssen mit Jugendlichen darüber ins Gespräch kommen, was es für Auswirkungen hat, wenn sie intimste Daten in die Welt streuen“, kommentierte Grimm das Video.
Vernetzt und verletzt
Eine große Unsicherheit herrsche bei Jugendlichen, was die Glaubwürdigkeit der Informationen aus dem Internet anbelangt. „Sie sind nicht versiert im Umgang mit Wertungen, können z. B. gesponserte Nachrichten nicht von seriösen unterscheiden.“ Bei Bildern werde aufgrund ihres authentischen, dokumentarischen Charakters schon gar nicht mehr auf die Quellenangabe geschaut. Dies öffne Cybermobbing Tür und Tor, das von rund 40 Prozent aller Jugendlichen in Deutschland durchaus als problematische Seite des Internets wahrgenommen wird.
Die Alternativen
Grimm fordert eine Sensibilisierung darüber, wie wir Smartphone etc. nutzen. Sie nannte in ihrem spannenden Vortrag auch Wege für die eigene verantwortungsvolle und reflektierte Mediennutzung sowie nicht-kommerzielle Alternativen zu Google & Co. Ein Wissen, das wir an unseren Nachwuchs weiter geben können – ebenso wie vielleicht einfach öfter mal eine Pause im „Off“ einlegen, damit das „always on“ nicht allzu müde macht.
Ethik macht klick: www.klicksafe.de – hier gibt es auch spezielle Unterrichtsmodule, die die Auseinandersetzung mit Werten und Haltungen fördern.
Suchmaschinen, die nicht schnüffeln: z. B. Ixquick, Qwant oder Gemager
Data Selfie – ist ein Programm, mit dem man herausfinden kann, welche Persönlichkeitsbeurteilung FB aufgrund des persönlichen Userverhaltens vornimmt.
Damit kann man auch klarmachen, dass FB ein wirtschaftliches Interesse verfolgt.
Speziell für Jugendliche
www.juuuport.de – Jugendliche beraten Jugendliche
www.handysektor.de – Infos zu Apps, Smartphone etc.
Die Vortragsreihe „Wertvolle Kinder“ des Vorarlberger Kinderdorfs wird gemeinsam mit dem ORF Vorarlberg und Russmedia durchgeführt und vorwiegend vom Land Vorarlberg/Fachbereich Kinder und Jugend finanziert. Sämtliche Vorträge können in der Vokithek des Vorarlberger Kinderdorfs (http://www.vorarlberger-kinderdorf.at/links-und-mehr/vortraege-nachsehen-und-hoeren ) nachgehört werden.
Der nächste Vortrag der Reihe:
24. Jänner 2018, 20 Uhr: „Total aufgeklärt?!“, Sexualpädagogin Prisca Walliser (http://www.vorarlberger-kinderdorf.at/veranstaltungen/total-aufgeklaert-sexualaufklaerung-im-zeitalter-medialer-ueberflutung )
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