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"Musste einen Monat dieselbe Unterwäsche tragen!"

Der 27-jährige Daniel aus Hohenems hätte nach seiner Festnahme niemals gedacht, dass er die kommenden zwei Monate seines Lebens hinter Gittern verbringen wird.
Der 27-jährige Daniel aus Hohenems hätte nach seiner Festnahme niemals gedacht, dass er die kommenden zwei Monate seines Lebens hinter Gittern verbringen wird. ©Stiplovsek
Silvester 2012: Drogenbesitz bescherte Daniel (27) aus Hohenems 61 Tage Haft in der Schweiz. Mit W&W sprach er über katastrophale Zustände und Psychoterror während seiner Zeit hinter Gittern.

„Hätte ich mich nicht verfahren, wäre alles anders gekommen“, erinnert sich Daniel. Der 30. Dezember 2012 sollte dem 27-Jährigen im Gedächtnis bleiben. Es war gegen Abend, als er mit seinem Auto im schweizerischen Arbon unterwegs war. Er hatte sich verfahren, dann plötzlich knallte es. „Ich verursachte einen Auffahrunfall. Als die Polizei mich nach dem Unfallhergang fragte, war ich verwirrt und wechselte ständig meine Aussagen. Dann haben sie mich auf den Posten mitgenommen“, erzählt der gelernte Maler. Die anschließende Leibesvisitation endete für ihn hinter Gittern. „Sie haben bei mir Drogen gefunden. ‚Junge, du hast es echt verkackt‘ waren meine ersten Gedanken.“ Am nächsten Tag folgte seine Aussage bei der Staatsanwaltschaft. Daniel klammerte sich an die Hoffnung, an diesem Silvester- Abend mit Freunden feiern zu können. Dem war aber nicht so.

“Bekam zu kleinen Pulli”

„In der ersten Woche habe ich Tag für Tag gehofft, wieder auf freien Fuß zu kommen. Dann wurde mir mitgeteilt, dass ich für einen Monat in U-Haft nach Bischofszell komme.“ Daniel hatte eine kleine Einzelzelle, in der er sich gar nicht wohlfühlte. „Ich hatte zwar Tageslicht, aber das Fenster war immer geschlossen. Die Zelle war sehr spärlich mit dem Nötigsten ausgestattet. Ich bekam einen viel zu kleinen Pulli, ich schätze von einem Kleinkind, und eine Jogginghose. Beides war benutzt. Mittwochs und freitags durfte ich duschen. Danach ging es in dieselben Klamotten. Unterwäsche und Socken musste ich einen Monat lang tragen. Die U-Haft war der blanke Horror.“ Während dieser Zeit sah Daniel keine Menschenseele, außer den Wärtern. Telefonieren durfte der Vorarlberger auch nicht. Briefe an seine Mutter waren nur nach ordentlicher Prüfung erlaubt. „In der ersten Zeit habe ich viel über den Vorfall nachgedacht. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich bereute, was passiert war“, erinnert sich der 27-Jährige zurück. „Die Mahlzeiten im Knast waren so klein, dass ich richtig abnahm. Nachbestellen war nicht drin. Das Essen war furchtbar. Pro Tag durfte ich die Zelle für eine halbe Stunde verlassen.“ Nach einem Monat wurde seine Haft verlängert. Daniel wurde nach Frauenfeld in die Sicherheitshaft verlegt. „Dort bekam ich wenigstens anständige, unbenutze Kleidung. Pro Tag hatte ich eine Stunde Hofgang und konnte mich mit anderen Insassen unterhalten.“ Seine Mutter durfte er einmal für eine halbe Stunde sehen, allerdings durfte er mit ihr nicht über den Vorfall sprechen. Nach 61 Tagen Gefängnis war endlich die Gerichtsverhandlung. „Ich weiß noch, dass der Richter sagte, dass man mich sofort entlassen muss. Ich wurde rund einen Monat zu lange festgehalten.“ Derzeit laufen die Verhandlungen bezüglich einer Wiedergutmachung. „Darauf bin ich nicht unbedingt scharf. Ich wäre lieber früher aus dem Knast gekommen.“

„Schweizer Gericht wird die Strafe festzulegen haben“

Rechtsanwalt Dr. Hanno Lecher, Dornbirn: „Das Strafausmaß bestimmt sich immer nach den gesetzlichen Bestimmungen jenes Landes, dessen Gesetze übertreten wurden. Im konkreten Fall wurden dem Vorarlberger die Übertretung von Bestimmungen des Schweizer Strafgesetzbuches etc. zur Last gelegt. Im Strafverfahren wird das Schweizer Gericht anhand der in der Schweiz zur Anwendung gelangenden Strafzumessungsgründe die schuld- und tatangemessene Strafe festzulegen haben.“

„Übertretungen nur mit Buße bestrafen“

Generalstaatsanwalt Stv. Stefan Haffter (Staatsanwaltschaft Bischofszell) klärt über die Rechtslage in der Schweiz auf.

WANN & WO: Wie sieht die Rechtslage in der Schweiz in Daniels Fall aus?
Haffter: Bei einem Verkehrsunfall nimmt die Polizei den Sachverhalt auf, klärt den Unfallhergang ab und erhebt in diesem Zusammenhang von Amtes wegen alle unfallrelevanten Fakten. Dazu gehört u.a. auch die Überprüfung des Fahrzeuglenkers betreffend Fahrfähigkeit bzw. Fahrunfähigkeit. Ergibt der beim Fahrzeuglenker durchgeführte Atemluft- und Drogentest ein positives Resultat, eröffnet die Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung und ordnet beim Fahrzeuglenker eine Blut und Urinprobe an.

WANN & WO: Wie geht man vor, wenn gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen wird?
Haffter: Besteht ein dringender Tatverdacht, dass eine Person gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen hat, so wird zuerst abgeklärt, ob es sich beim Straftatbestand um eine Übertretung, ein Vergehen oder ein Verbrechen handelt (unterschiedliche Strafmaße). Übertretungen (z.B. Konsumhandlungen) werden immer mit einer Buße bestraft und es sind auch keine Zwangsmaßnahmen zulässig. Sobald Vergehen/Verbrechen, z.B. Handel mit Betäubungsmitteln, zur Diskussion stehen, eröffnet die zuständige Staatsanwaltschaft gegen den Tatverdächtigen ein Strafverfahren.

WANN & WO: Wann ist eine U-Haft/Sicherheitshaft zulässig?
Haffter: Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft Fluchtgefahr oder Fortsetzungsgefahr zu befürchten ist, oder dass sie Personen beeinflusst, oder auf Beweismittel einwirkt. Haft istaber auch dann zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen.

Statement zur Rechtslage in Österreich

„20 bis 50 Euro Entschädigung pro Tag für zu unrecht verbüßte Haft“

„Wenn in Österreich jemand zu Unrecht inhaftiert oder trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht freigelassen wird, kann der so Geschädigte nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz Ersatz für das erlittene Ungemach begehren. Gesetzlich ist normiert, dass er für jeden Tag zu unrecht verbüßter Haft einen Entschädigungsbetrag zwischen 20 und 50 Euro ersetzt erhält. Selbstverständlich stehen der zu unrecht inhaftierten Person auch für den Zeitraum der gesetzwidrigen Anhaltung sämtliche herkömmlichen Schadensersatzansprüche (beispielsweise Verdienstentgang) zu. Bei zu unrecht verhängter oder fortgesetzter Haft liegt ein Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit vor, das jeder Person zusteht und in Österreich auf Verfassungsebene gewährleistet ist. Verstöße gegen dieses Grundrecht sind dabei äußerst heikel, da sie nicht nur juristisch gesehen gegen das Grundrecht verstoßen, sondern vielmehr Experteninterview auch in aller Regel der Reputation des zu unrecht Inhaftierten großen Schaden zufügt. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber Verstöße gegen dieses Grundrecht auch gesetzlich geahndet und stellt auch die fahrlässige Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit (Inhaftierung) durch einen Beamten, wenn sie zu unrecht erfolgt, gem. § 303 StGB unter Strafe.“

Rechtsanwalt Mag. Thomas Raneburger, Feldkirch

(WANN & WO)

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