And it’s always now, can you feel the silence “ , fragt Van Morrison und ergänzt „On Hyndford street you can feel the silence.“ Eine ganz gewöhnliche Straße, in Belfast – oder irgendwo? Genau hier – und doch ortlos. Besonders – und doch ganz gewöhnlich. Ein Moment – und doch zeitlos: „It’s always now.“ Wundersam: das kann der Mittag im Sommer. Und dann hebt ein Lüftchen an, es raschelt – da ist sie, frei nach Nietzsche, die Inspiration. Die begegnet einem in der alten Säge in Bezau. Ein Ort für Inspiration, weil er inspiriert. Zum Sehen und Zeigen und Begegnen, für Nichts und Alles. Was ihm an Nutzbestimmung fehlt, gewinnt er an Ausstrahlung. Schüler erhalten dort Kunstunterricht, Seminare und Ausstellungen gibt’s, private Anlässe. Gewusst habe er das nicht, sagt Kaspar Greber, als er hier begann, den Räumen zu ihrer heutigen Gestalt zu verhelfen. Mut zum Nichts muss dabei gewesen sein – und eine Ahnung.Der Rhythmus der Säge, erinnert er sich, habe zum Klang des Tages im Weiler gehört, Besuche beim Säger, dem Onkel, zur Kindheit. Der wusste jeden, der vorbeikam, zu unterhalten. Bis zu seinem letzten Tag im Jahr 2008 stand er an der Säge, sein Leben lang. Das ist das Alter der Anlage. Im Hauptbau stand die Einblattgattersäge, daneben, als Anbau, das Schleiferstüble. Zur Halbzeit kam eine Vollgattersäge hinzu, unter Dach und zweiseitig offen für das lange Holz. Ein umgebauter Lkw- Dieselmotor trieb die Sägen und – über Transmissionsriemen angeschlossen – die Schleifmaschinen an. Neben dem Maschinenraum im Keller ein Lager für Sägmehl, vor dem Gebäude ausreichend Fläche für Holzstapel.
Mit dem Tod des Onkels fiel das Erbe an Kaspar Greber, der in Bezau eine große Zimmerei betreibt. „Erbschaft! Ja: Interessant war’s schon, aber in was für desolatem Zustand – und doch: mit eigenem Reiz. Immerhin kam ja da das Holz her, bevor wir Zimmerer es in die Hand nehmen. Und: der Onkel und seine Säge waren Teil der Ortschaft, das war nicht zu entfernen, aber ich wollte auch nichts dazubauen.“
Doch der Zustand duldete keinen Aufschub: „Zuerst ging’s wirklich darum, es außen zu richten, damit nichts umfällt.“ Dann das Übliche: Ausräumen, sortieren, säubern, waschen, bürsten, das Gefüge freilegen. Riegelwerk, senkrechte Schalung mit Deckleisten, vier Bünde einfaches Hängewerk, sichtbare Deckung auf Latten. „Allmählich hat sich der Raum gezeigt und ich habe mich in ihn verliebt: die Klarheit, Geradlinigkeit, die Maße und Proportionen, Rhythmus und Ordnung – Architektur, stimmig. Da war klar – ich will was draus machen.“
Das Wunderbare dabei: Er hat fast nichts „draus gemacht“ und damit alles. Gereinigt, marode Teile ausgewechselt, erneuert nur wo nötig. Etwa die Böden, wo sich zeigt, was Holz aus richtigen Lagen, richtig verarbeitet, vermag: massive Dielen, sägerau, bis zu einer Elle breit, ohne Riss und Verwerfung. Selbstverständlichkeit, die nie „g’scheit“ daherkommt. Übersichtlich, weil bis aufs Nötigste ausgeräumt. „Neutral, für alles möglich, für nichts da“, so beschreibt er den Raum. Dazu kommen wenige neue Möbel und Einbauten für Gäste: Die fahrbare Wasserstelle einer Bar aus Edelstahl, eine geschindelte Kommode, eine Treppe nach unten mit Handlauf aus Schwarzstahl, WC-Anlage im Keller mit Trennwänden aus gehobelten Brettern vor schwarz gestrichenem Beton und Vor- Mauer-Installation.
Das Schleiferstüble besaß einen mit Sägemehl befeuerten Ofen und mit Spänen gedämmte Wände. Knapp 20 Quadratmeter, eine Tür ins Freie, zwei kleine Fenster. Die Sonne wandert über den rohen, sauberen Dielenboden. Tisch und Bänke in neuem Wälderdesign aus der Werkstatt des Meisters, darüber der alte, blecherne Lampenschirm des Schleiferstübles. In der einen Ecke ein hölzerner Kasten, wohl vor einem Jahrhundert für eine Küche gefügt, in der anderen Ecke ein eiserner Herd, gut doppelt so alt, gegenüber ein nagelneuer Kühlschrank. Nichts kommt dem andern in die Quere, jedes Ding steht für sich, hat seinen Platz, zurechtgerückt, stimmt in seiner selbstverständlichen Gebräuchlichkeit mit allem andern überein, hier, jetzt. Ein Mittags(t)raum.
Daten und Fakten
Objekt: Alte Säge
Eigentümer: Kaspar Greber, Bezau
Architekten: Broger/Greber
Planungszeit: 2010–2011
Ausführung: 2010–2012
Nutzfläche: 123 m² (überdacht)
Keller: 41 m² (Sanitäranlage u. Lager)
Grundstücksgröße: 5600 m²
Bauweise: Sägerstüble „gedämmt“: Wände: Riegelwerk ausgedämmt, Dachstuhl: Pfetten, Sparren, Streuschalung mit Eternitdach; Innen: Altholz naturbelassen und gereinigt; Außen; Weißtannenschindeln neu; Stadel Säge „ungedämmt“: Wände: Riegelwerk mit Deckelschirm, Dachstuhl: Pfetten, Sparren, Streuschalung mit Eternitdach; alte Bauteile als Bestand; Keller: Betonmauerwerk
Fußböden: Dielboden (original wälderisch) mit 300 mm breiter Oberfläche und Bandsägenschnitt; Heizung: Holzofen und Radiatoren; Innenwände neu: Altholz mit Oberfläche in Bandsägenschnitt; Fenster und Läden: restauriert und gereinigt
Ausführung: zu große Teilen in Eigenarbeit; Firma Kaspar Greber, Bezau; Heizung und Lüftung: Firma Wälderinstallateur, Bezau; Elektriker: Firma Michael Beer, Bezau
(VN/ Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der Vorarlberger Nachrichten)
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten.
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