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"Minarette für uns wie Kirchtürme"

©Philipp Steurer
Nuray Inöntepe, neuer türkischer Generalkonsul, schlägt im VN-Interview Architektenwettbewerb für Minarette vor.

VN: Sie waren schon 2001 als Vizekonsul hier und kehren nun als Generalkonsul nach Bregenz zurück. War das Ihr Wunsch?

Nuray Inöntepe: Ich hab meine schönsten Jahre in Bregenz verbracht. Als ich von der Entscheidung Ankaras erfuhr, saß ich im Auto. Ich brauchte ein paar Sekunden, um es zu realisieren. Dann hab ich laut gejubelt. Meine Mitfahrer haben geschaut . . .

VN: Hat sich Bregenz verändert zwischenzeitlich?

Nuray Inöntepe: Es ist immer noch extrem schön. Nur der Verkehrsstau ist gewachsen.

VN: Und ihre rund 15.000 Landsleute, die hier leben?

Nuray Inöntepe:: Ich denke, es geht ihnen besser. Jedenfalls denen, welche die Wirtschaftskrise 2002 überstanden haben. Die Schwachen hat die Krise fortgespült.

VN: Ausländer waren Wahlkampf-thema im September 2009. Hat das die Beziehungen zwischen Türken und Vorarlbergern verschlechtert?

Nuray Inöntepe: Die Anti-Ausländer-Gefühle hat die Politik geschürt. Die wirklichen Beziehungen zwischen den Menschen blieben davon unberührt. Allerdings haben wir uns angewöhnt, das Integrationsthema immer aus dem negativen Blick­winkel zu sehen: Die Mehrheitsgesellschaft tut das nicht, die türkische Gemeinschaft tut jenes nicht. Das halte ich nicht für produktiv. Deshalb sage ich meinen Freunden immer: Lasst uns das Positive in den Blick nehmen und das Negative ändern.

VN: Die Sprache ist so ein Dauerbrenner. Was muss man unternehmen, dass türkischstämmige Kinder nicht sprachlos in den Kindergarten kommen?

Nuray Inöntepe: Wer eine andere Sprache lernen will, braucht zunächst eine Muttersprache, aus der er übersetzen kann. Andernfalls hat das Kind nur einen Korb voller deutscher Wörter, weiß sie aber nicht anzuwenden. Leider haben wir in dieser Frage beinah eine Generation verloren. Ich denke, wir müssen unsere Kinder bilingual aufziehen. Nur so werden sie später gleichwertige Partner im Wirtschaftsleben.

VN: ntegration ist aus Ihrer Sicht keine reine „Bringschuld“ der Migranten.

Nuray Inöntepe: Nein, auch die Mehrheitsbevölkerung muss sich bewegen. Wenn sie die Türen nicht öffnet, nützen alle Bemühung der Migranten nichts.

VN: Minarette haben uns zuletzt sehr beschäftigt. Wie wichtig sind sie für türkische Migranten?

Nuray Inöntepe: Ich weiß, dass man sie hierzulande als Symbole islamischer Macht sieht. Aber sie haben für uns denselben Stellenwert wie Kirchtürme für die christlichen Kirchen. Minarette sind Symbole für Gebetsstätten. Ich war bei der Eröffnung von Deutschlands zweitgrößter Moschee dabei. Da haben auch EU und die Stadt Duisburg mitbezahlt. Und der Bürgermeister sagte: „Das ist unsere Moschee!“

VN: Sie fänden Minarette hierzulande wichtig?

Nuray Inöntepe:: Die hier lebenden Türken akzeptieren selbstverständlich, wenn Minarette de facto verboten sind. Aber vielleicht könnte ja ein Architekturwettbewerb helfen, das Thema zu entspannen.

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