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Mikl-Leitner erntet Skepsis wegen Ausreise-Verbot für Jugendliche

IS-Terror - Ausreise-Verbot für Jugendliche stößt auf Skepsis
IS-Terror - Ausreise-Verbot für Jugendliche stößt auf Skepsis ©APA
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) stößt mit ihrem Versuch, die Ausreise Jugendlicher zur Teilnahme am Jihad zu unterbinde, auf Skepsis. Die Rechtsanwälte, Wirtschafts- und Arbeiterkammer, die Asylkoordination und die Bundesjugendvertretung melden in der Begutachtung Bedenken an.
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Justizministerium und Verfassungsdienst machen auf Formulierungsmängel aufmerksam. Die Änderungen des Grenzkontroll- und des Staatsbürgerschaftsgesetzes sind Teil des Gesetzespakets gegen die Rekrutierungsversuche der islamistischen Terrortruppe IS in Österreich. Laut Mikl-Leitners Entwurf sollen Auslandsreisen Minderjähriger außerhalb der EU nur mit Zustimmung der Obsorgeberechtigten erlaubt sein. Außerdem soll Doppelstaatsbürgern, die für Terrororganisationen in den Krieg ziehen, die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt werden.

Grenzkontrollen für Jugendliche

Nimmt man die neuen Grenzkontrollregelung für Jugendliche beim Wort, “könnte hinkünftig jedes Kind oder jeder Jugendliche bei jedem Grenzübertritt der hier vorgesehenen Prozedur unterzogen werden”, fordert der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) eine präzisere Regelung. Die Anwälte haben den Eindruck, dass einmal mehr ein “medial ins Unermessliche gesteigerter, aber konkret wohl weit überschätzter Anlass als günstige Gelegenheit ergriffen werden soll, die Rechte von (jungen) Bürgern ganz unverhältnismäßig einzuschränken”.

Auch die Bundesjugendvertretung und das Netzwerk Kinderrechte Österreich sehen einen “unverhältnismäßigen Eingriff” in Grundrechte Minderjähriger – konkret jenes auf Freizügigkeit. Jugendliche würden unter den “Generalverdacht” gestellt, dass ihre Eltern “prinzipiell nicht mit deren Ausreise einverstanden sind”. Auch ohne konkreten Verdacht einer Straftat könne ihnen die Ausreise verwehrt und der Pass abgenommen werden – was beides Grundrechtseingriffe seien, die einer Rechtfertigung bedürften.

Skepsis wegen Verbot

In manchen Fällen – Zwangsrekrutierung, Zwangsverheiratung oder sonstige Fälle häuslicher Gewalt – sei es “bedenklich”, nach der Zustimmung des Obsorgeberechtigten zu fragen. “Es muss dem Jugendlichen freigestellt sein, solchen Situationen zu entkommen”, stellt die Asylkoordination fest. Denn: “Wird man den Vater eines Mädchens um Erlaubnis fragen, ob seine Tochter in ein anderes Land einreisen/flüchten darf, wird er sich freuen, seine Tochter alsbald zurückzuerhalten, um die Eheschließung zu vollziehen.”

Vermisst wird eine genaue Regelung, wie die Sicherheitsbehörden feststellen sollen, ob die Eltern der Ausreise zustimmen. Das “ist in der Praxis wohl oft nur sehr schwer möglich”, merkt die Arbeiterkammer (die den Entwurf aber ausdrücklich begrüßt) an. Die in den Erläuterungen angesprochene Zustimmungserklärung schaffe keine Abhilfe: “Es wird kaum möglich sein, in jedem Fall zu prüfen, ob die unterzeichnende Person auch tatsächlich die dazu berechtigte ist.” Die Wirtschaftskammer fragt, ob künftig bei Auslandsreisen Minderjähriger “sämtliche die Obsorge betreffenden Dokumente mitzuführen sind”.

Justizministerium begrüßt Gesetz

Die in den Erläuterungen angesprochene “telefonische Kontaktaufnahme” mit Obsorgeberechtigten ist für das Netzwerk Kinderrechte “unzulänglich und untauglich”. Bei manchen Jugendlichen – konkret unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, etwa Straßenkindern oder Kriegsflüchtlingen – werde die obsorgeberechtigte Personen kaum auszumachen sein, merkt die Asylkoordination an.

Das Justizministerium – das das Ziel des Gesetzes ausdrücklich begrüßt – hat eine Schwäche im Entwurf gefunden. Nicht der Obsorgeberechtigte sollte zustimmen müssen, sondern – wie bei medizinischen Behandlungen – der Elternteil, der zur Pflege und Erziehung berechtigt ist. Denn andernfalls sei es z.B. fraglich, was gilt, wenn “der kontaktberechtigte Elternteil rechtmäßig im Rahmen eines Kontaktrechtes verreist, der allein obsorgeberechtigte Elternteil aber die dieszügliche Einverständniserklärung verweigert?”

Einen Widerspruch will der Verfassungsdienst des Kanzleramtes beseitigt haben: Das Gesetz ermächtige Sicherheitsorgane, Minderjährigen den Grenzübertritt zu verwehren – während laut den Erläuterungen nur die Ausreise verhindert werden soll. Tatsächlich könne nur die Ausreise erfasst werden, denn laut Menschenrechtskonvention darf niemandem das Recht entzogen werden, in den Staat einzureisen, dessen Angehöriger er ist.

Keinen Beifall für Mikl-Leitner

Keinen großen Beifall erntet Mikl mit der Absicht des Staatsbürgerschafts-Entzuges, wenn jemand “freiwillig für eine bewaffnete Gruppe aktiv an Feindseligkeiten im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes teilnimmt”. Denn dies ist, wie im Gesetz auch steht, nur möglich, wenn der Betreffende nicht staatenlos wird. Da Österreich Doppelstaatsbürgerschaften weitgehend verweigert, wird diese Regelung nur begrenzt Anwendung finden, stellen u.a. die Wirtschaftskammer und die Bundesjugendvertretung fest.

Das Amt der Wiener Landesregierung machte auf andere Probleme aufmerksam: Es werde wohl schwer möglich sein, festzustellen, ob jemand für eine “bewaffnete Gruppe” tätig ist – zumal solche kaum Aufschluss über ihnen angehörende Personen geben. Der Betroffene hätte im Verfahren Parteistellung – aber “Personen, die in Bürgerkriegsländer fahren, um dort an Kämpfen teilzunehmen, werden für ein derartiges Verfahren … schwerlich zur Verfügung stehen”.

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(APA)

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