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Migranten fehlen in Schule und Lehre Unterstützung und Vorbilder

AK-Studie mit Interviews von Jugendlichen, Lehrern und Ausbildnern in Wien und Vorarlberg.
AK-Studie mit Interviews von Jugendlichen, Lehrern und Ausbildnern in Wien und Vorarlberg. ©Symbolbild/bilderbox
Jugendliche mit Migrationshintergrund sind sowohl in der Lehre als auch an weiterführenden Schulen unterrepräsentiert. Den Gründen dafür ist der Soziologe Konrad Hofer in einer Studie für die Arbeiterkammer (AK) nachgegangen - sie liegen einerseits im Halbtags-Schulsystem, bei vielen Betrieben, aber auch in den Familien bzw. den Jugendlichen selbst.


Derzeit beträgt der Anteil von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache in der achten Schulstufe 21 Prozent. Zum Vergleich: In weiterführenden Ausbildungen sind es nur mehr knapp 15 Prozent. Darüber hinaus besuchen diejenigen Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die eine weiterführende Ausbildung beginnen, vor allem Ausbildungswege mit ohnehin hohen Abbruchsraten wie etwa Handelsschulen.

Kinder von Arbeitsmigranten haben es besonders schwer

Für seine qualitative Untersuchung hat Hofer mehr als 100 Jugendliche in Wien und Vorarlberg sowie deren Eltern, Lehrer und Ausbildner befragt. Das Ergebnis war zum Teil wenig überraschend: Jugendliche mit schlechten Schulnoten haben vor allem in Wien wenig Chancen auf eine Lehrstelle. Das liegt aber nicht unbedingt an mangelnden Kompetenzen. Bei Befragungen habe etwa ein Jugendlicher angegeben, dass es nach der Schule statt an die Hausübungen immer zu den Freunden in den Park ging. “Bei den Schularbeiten war der aber überhaupt nicht schlecht”, so Hofer bei der Studienpräsentation am Mittwoch. Mit seinen mangels Hausaufgaben schlechten Noten habe er aber keine Chance auf eine Lehrstelle gehabt.

Besonders schwer hätten es Kinder von gering qualifizierten Arbeitsmigranten, betonte die Leiterin der Bildungspolitik-Abteilung der AK, Gabriele Schmid. “Da ist es wenig verwunderlich, dass die Kinder zwischen den Stühlen übrig bleiben, wenn sie von den Eltern nicht unterstützt werden können.” Die derzeit vorherrschende Halbtagsschule gehe davon aus, dass Eltern ihren Kindern am Nachmittag helfen können. “Das System hat es verschlafen, auf diese nicht so neue Situation einzugehen.”

Unterschiede bei Migrantengruppen

Dabei gebe es aber Unterschiede zwischen den Migrantengruppen. Vor allem in der türkischen Community sei die Erwerbsquote von Frauen gering, die Väter verfügten nur über geringe Qualifikationen. “Für die Jugendlichen ist das die Normalität”, so Hofer. “Damit wird soziale Ungleichheit reproduziert.” Ganz anders dagegen die Situation bei Familien aus Ex-Jugoslawien: “Da gibt es eigentlich keinen Unterschied mehr zu Einheimischen.” Meist seien beide Eltern berufstätig: “Die schicken ihre Kinder in Ganztagsschulen, oft Privatschulen, weil sie sagen: ‘Wir haben keine Zeit für sie, weil wir arbeiten müssen.'” Die familiäre Situation sei aber oft entscheidend: Jugendliche, deren Väter bzw. Geschwister oft arbeitslos sind, gewöhnen sich an diesen Zustand: “Das AMS in Bezug auf Jobs und Sozialleistungen zu kontaktieren, wird zu einer Selbstverständlichkeit.”

Probleme ortete Hofer auch bei der betrieblichen Ausbildung. “Viele konnten sich dort nicht integrieren.” In einem Interview habe es etwa stellvertretend geheißen: “Ich bin dort nur herumgestanden, nicht einmal putzen durfte ich – ich bin mir deppert vorgekommen.” Positivere Erfahrungen habe es vor allem bei Betrieben in Vorarlberg gegeben: Dort mussten etwa Lehrlinge unmittelbar nach ihren Prüfungen in der Schule zum Chef und erhielten Prämien bei guten Leistungen bzw. Förderung bei schlechten.

AK fordert Bildungspflicht

Auch die Organisation von Berufsschulen spiele eine Rolle, so Hofer. Das Abhalten von Blockunterricht mache es engagierten Ausbildnern schwer, Jugendliche individuell zu fördern. Gebe es dagegen nur einmal pro Woche Unterricht an der Berufsschule, könnten dazwischen Defizite aufgeholt werden.

Die AK fordert unter anderem eine Bildungspflicht ergänzend zur Schulpflicht: Jugendliche sollen die Schule nicht einfach nach neun Jahren verlassen, sondern erst dann, wenn sie die Grundkompetenzen tatsächlich erworben haben. In der Lehrausbildung müsse es außerdem eine Qualitätssicherung geben.

(APA)

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