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„ Mich muss nicht jeder mögen“

Französisch im Herzen, britisch im Aussehen und ein Faible für Handwerk und alte Dinge: Jan Härle.
Französisch im Herzen, britisch im Aussehen und ein Faible für Handwerk und alte Dinge: Jan Härle. ©Matthias Rhomberg
Mit seinem Restaurant „Freigeist“ sorgte Jan Härle (33) für Furore in der Gastroszene. Nun kocht er gutbürgerlich im Lustenauer Gasthof Meindl. W&W sprach mit dem Ausnahmekoch und Querdenker.

WANN & WO: Jan, du wurdest schon mehrmals als „Enfant terrible“ der Gastro-Szene bezeichnet. Kannst du dir vorstellen, warum?

Jan Härle: Vielleicht, weil ich immer alles ein bisschen anders gemacht habe. Das „Freigeist“ war das, was ich bin, wie ich bin. Ich habe damals ein Lokal eröffnet, in das ich selbst gerne gehen würde.

WANN & WO: Einige haben versucht, das Konzept des Freigeist zu kopieren. Geklappt hat das nicht.

Jan Härle: Man muss bei allem, was man macht, sich selbst treu sein. Ich bin kein Johann Lafer, ich bin kein Dieter Koschina, ich bin Jan, und wenn ich das umsetze, was Jan ist und wofür er steht, dann ist es auch richtig und ehrlich und funktioniert.

WANN & WO: Letztes Jahr hast du als Küchenchef in den Lustenauer Gasthof Meindl gewechselt und bist nun nicht mehr dein eigener Chef. War die Umstellung schwierig?

Jan Härle: Überhaupt nicht. Ich habe einen prima Chef, der mir extrem viele Freiheiten gibt. Wir haben die Chance, etwas wirklich Tolles aufbauen zu können. Für mich hat sich natürlich das Risiko vermindert, das wollte ich auch so. Ich bin vor acht Monaten Vater geworden und will, dass meine Familie und ich abgesichert sind, ebenso wie eine geregelte Arbeitszeit. Trotzdem kann ich in diesem Betrieb einiges mitbestimmen und wir verstehen uns auch gut.

WANN & WO: War der Wechsel vom eigenen Haubenlokal in den gutbürgerlichen Gasthof nicht hart?

Jan Härle: Überhaupt nicht. Das ist einfach anders kochen, mit anderen Produkten, in einem anderen Stil. Und Hauben sind mir ziemlich wurscht. Auf das, was andere sagen, höre ich sowieso nicht.

WANN & WO: In vielen Gastro-betrieben wird gejammert. Fehlende Fachkräfte, qualitative Mängel… Wo siehst du die Probleme in der heutigen Gastronomie?

Jan Härle: Eines davon ist sicher, dass die Leute für gutes Essen kein Geld mehr ausgeben wollen, dass die Wichtigkeit von Nahrungsmitteln nicht mehr so gegeben ist. Früher ging man nicht so oft essen, aber wenn, dann ordentlich. Man hat auch Geld für Lebensmittel ausgegeben. Wenn ich heute ein Hühnchen für 2,50 Euro das Kilo kaufe, was erwarte ich dann, was da drin ist? Ich glaube, die Gastronomie leidet sehr darunter, dass die Leute Essen nicht mehr wertschätzen.

WANN & WO: Dem wirkt der Trend zu regionalen und saisonalen Produkten entgegen, der ja mittlerweile fast schon zum „guten Ton“ gehört. Wie stehst du dazu?

Jan Härle: Regionalität ist eine tolle Sache. Alles, was möglich ist, sollte man regional beziehen. Aber manches gibt es bei uns halt nicht. Vorarlberg ist keine Fleischwirtschaft, sondern eine Milchwirtschaft. Ein gutes Lamm kommt einfach aus Irland, und wenn es dort gut aufgezogen wird und genug Auslauf hat, wieso soll ich es nicht beziehen? Ich sage immer, so viele Lämmer, wie auf unseren Speisekarten als „Vorarlberger Lamm“ beschrieben werden, haben wir gar nicht.

WANN & WO: Du bist ja sehr sehr ehrlich und direkt und polarisierst ab und zu mit deiner geraden Art.

Jan Härle: Was heißt polarisieren, ich sage halt jedem, was ich denke. Kritik gibt es natürlich. Jedem alles recht machen ist eine Kunst, die niemand kann. Das kann ich nicht und das will ich auch gar nicht. Für was auch? Mich muss nicht jeder mögen und da bin ich auch froh drum.

WANN & WO: Deine Tochter Zita ist jetzt acht Monate alt. Was verändert sich mit einem Kind?

Jan Härle: Alles. Aber nur ins Positive. Deine Ziele im Leben, und das, was dir wichtig ist, das ändert sich komplett. Da steht dann das Kind im Mittelpunkt und nicht mehr du.

WANN & WO: Neben Arbeit und Familie hast du noch zahlreiche Hobbys wie Tontaubenschießen oder Jagen. Was fasziniert dich daran?

Jan Härle: Die Natur an sich. Einfach draußen etwas machen, egal, was es ist. Obst auflesen, zu den Hühnern sehen, den Stall herrichten. Ich will einfach im Freien sein.

WANN & WO: Du magst traditionelles Handwerk. Hast du das Gefühl, dass Altes verloren geht?

Jan Härle: Nein, ich glaube, es kommt immer mehr wieder. Arbeiten wie früher, das Handwerk. Eine gewisse Sparte von Leuten legt wieder Wert darauf, Qualität zu kaufen, Dinge, bei denen sich jemand etwas gedacht hat. Nicht eine Massenware kaufen, sondern zum Beispiel einen Stuhl beim Tischler machen lassen. Etwas kaufen, das man sein Leben lang hat, keinen Ramsch holen, den man dann beim Umzug nicht mitnimmt, weil man ihn gar nicht mehr auseinander bauen kann. Ich glaube und hoffe, dass diese Wegwerf-Mentalität weniger wird.

WANN & WO: Du bist viel herumgekommen und hast viel gesehen. Einmal hast du gesagt, du bist „im Herzen Franzose und dem Aussehen nach Brite.“

Jan Härle: Stimmt. An den Briten gefällt mir ihr Stil, ihr Geschmack, den haben sie einfach. Und die Franzosen haben einfach eine komplett andere Lebenseinstellung als der Vorarlberger an sich. Ich will das nicht verallgemeinern, aber die Grundeinstellung des Franzosen ist schon ein bisschen laissez-faire. Erstmal genießen, bevor man arbeiten geht. Bei uns ist es ja genau umgekehrt. Erstmal ordentlich buckeln, und dann, wenn alles gut ist, genießen wir dann eventuell einmal was. Der Franzose nimmt es einfach alles ein bisschen lockerer.Das fasziniert mich. Aber natürlich kann ich das nicht immer, das geht nicht, das bin ich nicht. Ich bin in Lustenau aufgewachsen, ich bin Vorarlberger durch und durch, ein Schaffer und Buckler.

WANN & WO: Worüber denkt ein Jan Härle nach, wenn er mal Zeit für sich hat und im Garten sitzt?

Jan Härle: Ich habe nie Zeit. Ich mache immer irgenwas. Wirklich. Ich habe immer ein Projekt, bei meinem Opa, im Ried, daheim, ich habe immer was zu tun. Mir ist nie langweilig. Ich setze mich nur hin, wenn ich Besuch habe, und dann wird sich unterhalten. Aber da denke ich nicht. Ich bin sowieso nicht der große Denker, ich bin ein Macher. Ich habe mir noch nie so den Kopf über Dinge zerbrochen, ich habe sie einfach gemacht. Manche sind in die Hose gegangen, und manche wurden super.

Wordrap

Küche: Arbeit
Tiere: Hund
Lustenau: Heimat
Ehe: Dunja
Vaterschaft: super
Jagen: super
Veganer: Verstehe ich nicht

 

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