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MH17: Europa zwischen Wut und Ratlosigkeit - 272 Opfer geborgen

Vermutlich 298 Menschen ließen ihr Leben beim Absturz der MH17 in der Ostukraine.
Vermutlich 298 Menschen ließen ihr Leben beim Absturz der MH17 in der Ostukraine. ©EPA/ AP
Der Abschuss eines Passagierflugzeugs über der Ukraine hat die EU erschüttert - und Rufe nach neuen Sanktionen gegen Russland ausgelöst. Putin hingegen hat eine Verantwortung Russlands für den Absturz zurückgewiesen und seinerseits die Ukraine für die Tragödie verantwortlich gemacht. Unterdessen wurden am Absturzort der Maschine 272 der vermutlich 298 Opfer geborgen.
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Die sterblichen Überreste der 272 geborgenen Todesopfer seien in die nahe Ortschaft Tores gebracht worden, wo sie zunächst in speziellen Eisenbahnwaggons mit Kühlung gelagert würden, teilte ein Sprecher der Rettungskräfte in Kiew mit. Er kritisierte erneut die Anwesenheit prorussischer Separatisten am Absturzort. Die bewaffneten Aufständischen würden die Sucharbeiten weiter erheblich behindern.

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Deutschland: “Spottet jeder Beschreibung”

Die deutsche Bundesregierung bezeichnete die Situation am Absturzort als unerträglich. “Was wir da an Bildern gesehen haben von der Absturzstelle, spottet im Grunde jeder Beschreibung”, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, in Berlin. Dutzende Journalisten hätten die Gelegenheit bekommen, Beweismittel zu zertrampeln. Die internationalen Beobachter der OSZE würden zudem daran gehindert, ihre Arbeit zu machen. “All das sind Dinge, die zurecht die Weltöffentlichkeit empören”, sagte Schäfer.

Separatisten weisen Vorwürfe zurück

Der Separatistenanführer Andrej Purgin wies Anschuldigungen zurück. Die militanten Gruppen würden die “Rechtmäßigkeit” der Ermittlungen überwachen, sagte er in Donezk. Die “Volkswehr” habe dem Antrag der Führung in Kiew zugestimmt, die sterblichen Überreste in die rund 300 Kilometer entfernte Großstadt Charkow bringen zu lassen. Zunächst sollten sich Experten in Tores vom Zustand des Transports überzeugen. Dort trafen am Montag Experten aus den Niederlanden ein. Diese sollen die Identifizierung der Opfer koordinieren.

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mh1722 ©Foto: EPA

31 Ermittler an der Unglücksstelle

Dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk zufolge kamen in Charkow bisher insgesamt 31 Ermittler an. Neben 23 Niederländern seien dies Experten aus Deutschland, Großbritannien, Australien und den USA. Kiew sei bereit, die gesamte Koordination nach dem Absturz an Den Haag zu übergeben, betonte Jazenjuk. Unter den Opfern sind 193 Niederländer und auch vier Deutsche.

Kiew: MH17 von Rakete des Systems BUK getroffen

Für die ukrainische Regierung steht fest, dass die malaysische Passagiermaschine über dem Osten des Landes abgeschossen wurde. Daran gebe es keinen Zweifel, sagt Ministerpräsident Arseni Jazenjuk. Sehr wahrscheinlich sei das Flugzeug von einer Rakete des Systems BUK getroffen worden, dass “Profis” bedient hätten.

Die Aufständischen bekräftigten, den Flugdatenschreiber und den Stimmenrekorder der Maschine im Besitz zu haben. “Es sieht jedenfalls so aus, als seien das die Geräte. Wir übergeben sie internationalen Ermittlern”, sagte der Separatistenanführer Alexander Borodaj.

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EU-Außenminister beraten über Rolle Moskaus

Die EU-Außenminister wollen sich auf eine gemeinsame Deutung der Rolle Moskaus im Ukraine-Konflikt verständigen. Besorgt sind die Außenminister der 28 EU-Staaten oft, aber wenn sie sich am Dienstag (09.30 Uhr) in Brüssel treffen, dann lasten auch Wut und Ratlosigkeit auf der Ministerrunde. Nach dem Abschuss des malaysischen Verkehrsflugzeugs MH17 geht es nicht nur um eine Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland. Diplomaten sagen, manche EU-Regierung treibe die Sorge um, Moskau könne sich in eine internationale Isolation lavieren, in der es als Gesprächspartner nicht mehr ernst genommen werde.”

Ärger und Fassungslosigkeit über Putin und Separatisten

Es gibt eine Menge Wut, besonders bei den Niederländern, aber nicht nur dort”, sagt ein EU-Diplomat über die Stimmungslage in den EU-Hauptstädten. Die Art und Weise, wie sich Russlands Präsident Wladimir Putin nach dem Absturz für unzuständig erklärte und wie die von Russland unterstützten Separatisten mit den Toten und deren Habseligkeiten umgingen, hat zu Ärger und Fassungslosigkeit im Westen geführt.

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Dass die Außenminister eine internationale Untersuchung des Abschusses und die Bestrafung der Schuldigen fordern werden, ist eher Formsache.

Schärfere Sanktionen: EU zeigt sich uneins

Nicht ganz so einig werden die Vertreter der EU-Regierungen sein, wenn es um die Frage neuer und schärferer Sanktionen gegen Russland geht. Wie schon bisher kurz vor EU-Sanktionen hat Putin auch jetzt wieder erklärt, was der Westen erwartet: “Russland unternimmt alles, damit der Konflikt zu Gesprächen mit friedlichen und ausschließlich diplomatischen Mitteln übergeht”, ließ er in der Nacht auf Montag wissen. Und er unterstütze eine Untersuchung des Absturzes durch die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO).

Derlei öffentliche Bekundungen stehen nach Ansicht vieler EU-Regierungen freilich in einem Widerspruch zu dem, was an Ort und Stelle mit Billigung und tätiger Unterstützung durch Russland geschehe. Seit Monaten beklagen westliche Politiker, dass das gesprochene Wort Putins oft den tatsächlichen Ereignissen entgegenstehe. Ratlosigkeit mache sich breit, wenn man Worte Putins und Handlungen seiner Regierung zu verstehen suche.

Kerry sieht Absturz als “Weckruf”

“Was passiert, ist wirklich grotesk und steht im Gegensatz zu allem, was Putin und Russland zu tun angekündigt haben”, wetterte US-Außenminister John Kerry erst am Sonntag. Und verwies darauf, dass Russland im Juni die Separatisten nicht nur mit Panzern, Panzerwagen und Artillerie, sondern auch mit jenen SA-11-Raketen versorgt habe, die allen westlichen Erkenntnissen zufolge die Maschine der Malaysia Airlines vom Himmel holten. Und Kerry sagte zu EU-Sanktionen: “Wir reden mit unseren europäischen Partnern. Wir hoffen, dies ist ein Weckruf für einige Länder in Europa, die sich bisher nur zögerlich bewegen wollten.”

Neue Sanktionsliste ungewiss

Zu jenen “zögerlichen” Ländern gehören unter anderem Deutschland und Frankreich, obwohl diese am Wochenende gemeinsam mit Großbritannien “Konsequenzen” für Moskau androhten. Tatsächlich hatten die Staats- und Regierungschefs der EU am 16. Juli eine Ausweitung der Sanktionen grundsätzlich beschlossen – wozu vor allem finanzielle Sanktionen sowie Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen milliardenschwere Oligarchen gehören, die “die verantwortlichen russischen Entscheidungsträger aktiv materiell oder finanziell unterstützen”. Ob eine neue Sanktionsliste mit Namen von Personen und erstmals auch Firmen am Dienstag beschlossen werden würde, war aber zunächst noch sehr ungewiss.

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Putin macht Ukraine verantwortlich

Russlands Präsident Wladimir Putin hat eine Verantwortung Russlands für den Absturz des malaysischen Flugzeugs in der Ukraine indes zurückgewiesen und vor einem politischen “Missbrauch” der Katastrophe gewarnt. Hätte die Regierung in Kiew Ende Juni den Kampf gegen die Separatisten im Osten des Landes nicht wiederaufgenommen, wäre die Tragödie nicht geschehen. Das sagte Putin in einer am Montag in Moskau veröffentlichten Videobotschaft.

Weiter heftige Gefechte in der Ostukraine

Auch nach dem Absturz des Passagierflugzeugs liefern sich Armee und Separatisten heftige Gefechte. In Donezk stehe nach intensivem Artilleriebeschuss schwarzer Rauch über dem Bahnhof, berichteten örtliche Medien. “Mindestens drei Menschen starben”, sagte ein Behördensprecher. Auch rund um den stillgelegten internationalen Flughafen kam es zu Schusswechseln. In Luhansk (Lugansk) kamen bei Kämpfen mindestens zwei Zivilisten ums Leben. Hier seien auch 26 Häuser durch Granaten beschädigt worden, teilte die Stadtverwaltung mit.

Die ukrainische Armee ist nach offiziellen Angaben nicht für Explosionen im Zentrum von Donezk verantwortlich. Es gebe den strikten Befehl, in der Stadt weder Kampfflugzeuge noch Artillerie einzusetzen, erklärt der ukrainische Sicherheitsrat. Ein Sprecher der ukrainischen Armee sagt, die Militäroperation in der Ostukraine ist in einer “aktiven Phase”.

(red/APA/dpa)

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