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Medizin-Nobelpreis 2015 geht an drei Tropenmedizinforscher

Die Preisträger 2015 in der Übersicht
Die Preisträger 2015 in der Übersicht
Der Medizin-Nobelpreis 2015 geht an drei Forscher: Wilhelm C. Campell (geboren in 1930 Irland; Drew University/USA) und Satoshi Omura (geb. 1935; Kitasato Universität) sowie die Chinesin Youyou Tu (geb. 1930; Chinesische Akademie für traditionelle chinesische Medizin). Die Ehrung erfolgt für die Entdeckung wichtiger Arzneimittel für die Tropenmedizin, teilte das Nobelpreiskomitee am Montag mit.

Campbell und Omura teilen sich die Hälfte der mit acht Millionen Schwedischen Kronen (848.000 Euro) dotierten Auszeichnung. Sie haben mit Avermectin und dessen Abwandlung Ivermectin ein neues Arzneimittel gegen die Wurmkrankheiten Onchozerkose und lymphatische Filariose entdeckt. Youyou Tu fand den Anti-Malaria-Wirkstoff Artemisinin.

“Krankheiten, die durch Parasiten verursacht werden, plagen die Menschheit seit Jahrtausenden und stellen ein großes und globales Gesundheitsproblem dar”, stellte das Nobelpreiskomitee am Montag bei der Bekanntgabe der diesjährigen Laureaten fest. “Diese Krankheiten betreffen die Ärmsten der Welt und sind eine enorme Barriere für Gesundheit und Wohlstand.”

Der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch würdigte am Montag die Fortschritte, welche die Medizin durch diese Entwicklungen vor rund 20 Jahren gemacht hat: “Beide Wirkstoffe haben dazu beigetragen, die Häufigkeit dieser Erkrankungen stark zu reduzieren. Wenn wir heute bereits wesentlich weniger Malariaerkrankungen haben, dann ist das vor allem auf die Moskitonetze (mit Repellenzien versetzt; Anm.) und Arteminsinin-Kombinationstherapien zurückzuführen. Mit Ivermectin konnte in Afrika die Wurmerkrankung Onchozerkose, die im Endstadium auch die Flussblindheit hervorruft, drastisch zurückgedrängt werden.”

Der Ausgangspunkt für die Entwicklung von Avermectin und dessen Abwandlung, Ivermectin, war klassische Wirkstoffforschung. Omura arbeitete als Mikrobiologe mit Streptomyces-Bodenbakterien. Proben dafür hatte er übrigens auch neben seinem Golfplatz gewonnen. Der Wissenschafter isolierte von mehreren tausend Kulturen die 50 am meisten Erfolg versprechenden für die weitere Entwicklung.

Einige dieser Kulturen bekam der US-Parasitologe Willam C. Campbell. Er fand heraus, dass einer der aus ihnen gewonnenen Wirkstoffe hoch effizient gegen Parasiten von Rindern etc. war. Man wandelte die Ursprungssubstanz schließlich in Ivermectin ab – für das Humanarzneimittel.

Ebenfall “klassisch” ist die Herkunft des von Nobelpreisträgerin Youyou Tu (China) entdeckten Artemisinin-Wirkstoffs. Er bildet heute in der Form von Kombinationspräparaten das Rückgrat der wirksamen Malariatherapie und stammt aus dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua). Youyou Tu testete in groß angelegten Reihenuntersuchungen altbekannte pflanzliche Mittel an mit Malaria infizierten Tieren. Schließlich wurde Youyou Tu die erste, die zeigen konnte, das sich Artemisinin erfolgreich gegen die Tropenkrankheit einsetzen lässt, weil der Wirkstoff besser bioverfügbar ist. Heute wird Artemisinin laut allen Empfehlungen nur als Kombinationspräparat mit lang wirksamen Anti-Malariasubstanzen eingesetzt. Leider zeigen sich aber trotzdem in Indochina immer Resistenzen.

Nach Angaben der WHO erkrankten im Jahr 2013 weltweit 198 Millionen Menschen an Malaria. 584.000 Patienten starben an der Tropenkrankheit, 90 Prozent von ihnen in Afrika. Die lymphatische Filariose betrifft mehr als hundert Millionen Menschen. Die Onchozerkose befindet sich durch Therapiekampagnen und Aktivitäten zur Kontrolle der die Wurmlarven übertragenden Mücken immer mehr auf dem Weg zur Ausrottung.

Von Bakterien, Pflanzen und Parasiten

Der Medizin-Nobelpreis 2015 – zur Hälfte an William C. Campbell (USA) und Satoshi Omura (Japan) sowie an Youyou Tu (China) – belohnt wissenschaftliche Arbeiten, die mit der Entwicklung neuer Medikamente ganz wesentlich zur wirksamen Therapie gefährlicher Tropenerkrankungen geführt haben. In Staaten der Dritten und Vierten Welt haben sie die Gesundheitssituation der Menschen dramatisch geändert.

Omura und Campbell haben mit Ivermectin, eine Abwandlung des zunächst entdeckten Avermectin, erst die Eradikation der Flussblindheit in Reichweite rücken lassen. “Die Flussblindheit ist das Endstadium der Wurmerkrankung Onchozerkose. Übertragen wird sie durch Kriebelmücken, die in den Wäldern an Flussläufen leben. Dort haben sich in Afrika wegen der Fruchtbarkeit der Regionen auch die Menschen natürlich vermehrt angesiedelt”, sagte am Montag der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch.

Die Mücken übertragen die Larven der Fadenwürmer, die im Körper ausreifen und wieder Larven (Mikrofilarien) bilden. Bei der Flussblindheit wandern letztere ins Auge ein. “Ivermectin hat eine tolle Wirkung. Es tötet die Mikrofilarien ab”, sagte Kollaritsch. Es gab zwar auch schon vorher Medikamente, aber die waren nur teilweise wirksam bzw. mit hohen Nebenwirkungen verbunden. Ivermectin wirkt sowohl gegen die Onchozerkose als auch gegen die lymphatische Filariose, die in tropischen Ländern mehr als hundert Millionen betrifft.

Der Ausgangspunkt für die Entwicklung von Avermectin und dessen Abwandlung, Ivermectin, war klassische Wirkstoffforschung. Omura arbeitete als Mikrobiologe mit Streptomyces-Bodenbakterien. Aus einem Stamm hat man ehemals das erste TBC-Medikament (Streptomycin) sowie weitere antibiotisch wirksame Substanzen gewonnen. Der Wissenschafter isolierte von mehreren tausend Kulturen die 50 am meisten Erfolg versprechenden für die weitere Entwicklung.

“Ich nehme den Preis dankbar an”, sagte Omura am Montag der offiziellen Plattform des Nobelpreiskomitees “Nobelprize.org” und gab sich angesichts seines Beitrags bescheiden: “Es gab viele Forscher, die Wichtiges beigetragen haben, meine Forschung war gar nicht so entscheidend”. Er habe einiges dazu beigetragen, zu zeigen, wie wichtig Mikroorganismen in der Natur sind. Den Mikroorganismus, der entscheidend für die Entwicklung des Medikaments Avermectin war, fand der leidenschaftliche Golfspieler damals “sehr nahe an einem Golfplatz”, erklärte der neue Nobelpreisträger.

Jedenfalls bekam Willam C. Campbell, ein US-Parasitologe, Kulturen von Omura. Er fand heraus, dass einer der aus ihnen gewonnenen Wirkstoffe hoch effizient gegen Parasiten von Rindern etc. war. Man wandelte die Ursprungssubstanz schließlich in Ivermectin ab und hatte damit den neuen Wirkstoff für den Einsatz beim Menschen.

Anti-Malaria-Substanz

Ebenfall “klassisch” ist die Herkunft des von Nobelpreisträgerin Youyou Tu (China) entdeckten Artemisinin-Wirkstoffs. Er bildet heute in der Form von Kombinationspräparaten das Rückgrat der wirksamen Malariatherapie und stammt aus dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua). “Seit mehr als zweitausend Jahren hat man Artemisia in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet. Aber in den Zubereitungen war der Wirkstoff für die Malariatherapie zu wenig bioverfügbar”, sagte am Montag der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch.

Nach Angaben der WHO erkrankten im Jahr 2013 weltweit 198 Millionen Menschen an Malaria. 584.000 Patienten starben an der Tropenkrankheit, 90 Prozent von ihnen in Afrika. Malaria wird durch Parasiten verursacht, die durch die Stiche infizierter Mücken übertragen werden.

Zwar hatte es vor den Artemisinin-Präparaten auch schon mehrere andere Arzneimittel – zum Beispiel das alte Chinin oder auch Chloroquin – gegeben, aber die Effektivität ließ nach. Youyou Tu als Expertin für traditionelle chinesische Medizin, in groß angelegten Reihenuntersuchungen testete sie altbekannte pflanzliche Mittel an mit Malaria infizierten Tieren. Ein Extrakt aus dem Beifuß versprach eventuell eine Wirkung. Schließlich wurde Youyou Tu die erste, die zeigen konnte, das sich Artemisinin erfolgreich gegen die Tropenkrankheit einsetzen lässt.

“Man hat schließlich bemerkt, dass es bei der Behandlung mit Artemisinin als Monosubstanz zu einer hohen Zahl von Rückfällen kam. Deshalb kombinierte man dann Artemisinin mit anderen lang wirksamen Substanzen und schuf die Artemisinin-Kombinationstherapie. Leider zeigen sich vor allem in Indochina immer mehr Resistenzen. Aber das Zurückdrängen der Malaria ist sicherlich zur Hälfte auf die Moskitonetze (mit Repellenzien versetzt; Anm.) und zur anderen Hälfte auf diese Medikamente zurückzuführen”, betonte Kollaritsch.

Die Medizin-Nobelpreisträger seit 2005

Der Medizin-Nobelpreis wird seit 1901 verliehen. Die erste Auszeichnung ging damals an den deutschen Bakteriologen Emil Adolf von Behring für die Entdeckung der Serumtherapie gegen Diphtherie. Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre waren:

  • 2014: Das norwegische Ehepaar May-Britt und Edvard Moser sowie John O’Keefe (USA/Großbritannien) für die Entdeckung eines Navis im Hirn: Sie fanden grundlegende Strukturen unseres Orientierungssinns.
  • 2013: Thomas Südhof (gebürtig in Deutschland) sowie James Rothman (USA) und Randy Schekman (USA) für die Entdeckung von wesentlichen Transportmechanismen in Zellen.
  • 2012: Der Brite John Gurdon und der Japaner Shinya Yamanaka für die Rückprogrammierung erwachsener Körperzellen in den embryonalen Zustand.
  • 2011: Bruce Beutler (USA) und Jules Hoffmann (Frankreich) für Arbeiten zur Alarmierung des angeborenen Abwehrsystems. Ralph Steinman aus Kanada entdeckte Zellen, die das erworbene Immunsystem aktivieren. Er war kurz vor der Verkündung gestorben und bekam den Preis posthum.
  • 2010: Der Brite Robert Edwards für die Entwicklung der Reagenzglas-Befruchtung.
  • 2009: Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak (alle USA) für die Erforschung der Zellalterung.
  • 2008: Harald zur Hausen (Deutschland) für die Entdeckung der Papilloma-Viren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen, sowie die Franzosen Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier für die Entdeckung des Aidserregers HIV.
  • 2007: Mario R. Capecchi, Oliver Smithies (beide USA) und Sir Martin J. Evans (Großbritannien) für eine genetische Technik, um Versuchsmäuse mit menschlichen Krankheiten zu schaffen.
  • 2006: Die US-Forscher Andrew Z. Fire und Craig C. Mello für eine Technik, mit der sich Gene gezielt stumm schalten lassen.
  • 2005: Barry J. Marshall und J. Robin Warren (beide Australien) für die Entdeckung des Magenkeims Helicobacter pylori und dessen Rolle bei der Entstehung von Magengeschwüren.

(APA)

 

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