AA

„Man lernt mehr vom Leben als man gibt“

Richard Ulmer genießt den Ausblick auf die Berge auch täglich vom Balkon seiner Wohnung in Dornbirn.
Richard Ulmer genießt den Ausblick auf die Berge auch täglich vom Balkon seiner Wohnung in Dornbirn. ©Edith Hämmerle
Menschen aus der Heimat: Seit zehn Jahren engagiert sich Richard Ulmer für blinde und sehbehinderte Menschen.
Richard Ulmer

Dornbirn. Im 83. Lebensjahr fühlt er sich gesund und dem Alter entsprechend sportlich topfit. Für Richard Ulmer keine Selbstverständlichkeit. Er schaut auf ein erfülltes Leben zurück. Wie oft er die Schönheit der Natur bei Bergtouren genießen konnte, sei für ihn unbezahlbar. Dafür will er im Alter der Gesellschaft etwas zurückgeben. „Damit schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe“, meint der Bergfreak lachend. Er engagiert sich seit zehn Jahren für blinde und sehbehinderte Menschen. Als Wanderbegleiter führt er sie quer durch die Natur und frönt dabei seinem Hobby, dem Bergwandern. Wie er zu seinem Ehrenamt kam? Daran erinnert er sich als wäre es erst gestern gewesen. Es war im Winter 2007 bei einer Skitour auf‘s Bödele, als ihm eine junge Dame vom Alpenverein mit einer Gruppe begegnete, die auf Schneeschuhen talwärts ging. Schon von Weitem erkannte er, dass es sich um blinde oder sehbehinderte Menschen handeln musste, die der Tourenführerin wie selbstverständlich folgten. „Das hat mich damals unheimlich beeindruckt“, bekennt der erfahrene Alpinist. Diese Begegnung habe ihn nicht mehr losgelassen. Er erkundigte sich wenig später bei jener Wanderbegleiterin, welche Voraussetzungen dafür erforderlichen sind und bald darauf nahm er Kontakt mit dem Vorarlberger Blinden- und Sehbehindertenbund in Schwarzach auf.

Abenteuer Hoher Kasten

Unvergessen bleibt für den damals 72-Jährigen die erste anspruchsvolle Wandertour auf den Hohen Kasten (1794 m). Unterwegs mit einer sportlichen Gruppe von blinden und sehbehinderten Personen, war die Verantwortung entsprechend groß, erzählt er rückblickend von der etwa dreistündigen Wanderung. Zu all dem war das Wetter nicht optimal, so habe er der Gruppe eine Fahrt mit der Bergbahn talwärts vorgeschlagen. Doch niemand nahm das Angebot an. Alle wollten zu Fuß gehen. Über schmale Wege, teils mit Wurzeln übersät, ging es steil hinunter. Der jeweils Hintere hielt sich am Rucksack des Vorderen fest. Doch das ungute Gefühl des Dornbirner Wanderführers wechselte rasch zum Staunen. „Wie sich diese Menschen an die Gegebenheiten der Natur anpassen konnten, wie aufmerksam sie auf die Anweisungen reagierten, wie von einer unbeschreiblichen Freude beflügelt, schafften sie den Weg ins Tal. Davon kann man nur lernen und auf einmal wird einem bewusst, was es heißt, Sehen zu können“, schildert Ulmer seine ersten Eindrücke als Begleiter von außergewöhnlichen Menschen.

Alpine Erfahrung

Bereits seit 27 Jahren ist Richard Ulmer Tourenführer für Seniorengruppen beim Alpenverein Dornbirn. Jeden Mittwoch wird eine Bergwanderung unternommen. Bei jedem Wetter. Dadurch kennt er die Berge im ganzen Land wie die eigene Westentasche. Das sei ein großer Vorteil für die Begleitung von Menschen, die sich aufgrund ihrer Sehbeeinträchtigung nicht orientieren können. Ebenso kommen ihm die zahlreichen alpinen Übungen im Hochgebirge über den Alpenverein zugute. Und natürlich der Austausch mit Kollegen. Insgesamt sind es sieben „Alpenvereinler“, die sich als Begleiter(innen) der sportlichen Aktivwochen, die vom „Haus Ingrüne“ angeboten werden, zur Verfügung stellen. Im Winter stehen auch Skilanglauf-Angebote und Schneeschuhwanderungen auf dem Programm des Blinden- und Sehbehindertenverbandes, wobei Arnold Berger als Leiter die Sportaktivitäten koordiniert. Eine spezielle Herausforderung sei es schon, das Langlaufen mit Leuten, die nicht sehen können, erwähnt Ulmer. Gerade dabei sei die Kommunikation enorm wichtig, man kündigt jede Kurve an, und ob es danach abwärts oder aufwärts geht. „Beim Bergwandern beispielsweise verwendet man Holzkugeln, die an einer Schnur befestigt sind, womit zwei Wandernde in Kontakt bleiben“. Das gewähre weit mehr Freiheit, als sich an den Händen zu halten, gibt Ulmer Einblick in eine andere Welt. „Man lernt mehr vom Leben als man gibt“, beschreibt er abschließend kurz seine Motivation für eine sinnvolle Aufgabe im Alter.

Zur Person:
Richard Ulmer
geb.: 6. 5. 1935
Wohnort: Dornbirn
Familie: verh. 4 Kinder (1 Tochter, 3 Söhne) 9 Enkel
Beruf: Bankangestellter in Pension
Hobbys: Früher Bergsteigen, Skitouren, jetzt Bergwandern
Lebensmotto: „Gemeinschaft in der Natur so lange wie möglich erleben“

 

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Dornbirn
  • „Man lernt mehr vom Leben als man gibt“