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LRB 355 bringt Zukunft in die Bau-Gegenwart

Liebherr hat mit seinem Spezialtiefbaugerät LRB 355 eine Weltneuheit geschaffen.

Nenzing. (cro) Der sperrige Name des Spezialtiefbaugeräts LRB 355 erinnert wohl mehr an eine Figur aus dem Star-Wars-Universum als an die Gemeinde Nenzing im westlichsten Bundesland Österreichs. Doch weder der Droide C3PO noch der kleine Roboter R2D2 standen Pate für das Ramm- und Bohrgerät aus dem Hause Liebherr. Dennoch schreibt das 1976 gegründete Werk in Vorarlberg Geschichte oder um im Krieg der Sterne-Jargon zu bleiben: eine „Space Opera“.

Einziger, doch sehr bedeutender Unterschied: Sie findet im Hier und Heute statt und nicht vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie.

Exakte Positionierung
Ein Blick auf die Baustelle 2017 geworfen: Schauplatz Dornbirner Messezentrum. Eindrucksvoll präsentiert sich die Großbaustelle. Doch während für den Laien die Faszination im Gesamten liegt, richtet sich der Blick der Branchen-Experten auf das 105 Tonnen schwere und 33,5 Meter hohe Multifunktionsgerät. Fast unbemerkt geht vor den Zuschauern eine Weltpremiere über die Bühne, mit einer noch nie dagewesenen Technologie, die zukunftsweisend auch für die Baustelle der Zukunft ist. „Das Spezialtiefbaugerät LRB 355 ist mit dem Liebherr Positioning System ausgestattet und ermöglicht ein exaktes Positionieren der Betonpfähle auf der Baustelle“, erklärt Marketing- und Kommunikationsleiter Wolfgang Pfister. Die Steuerung funktioniert dabei ähnlich wie das Navi im Auto über Satelliten.

Sie basieren jedoch auf der wesentlich präziseren Technologie DGPS (Differential Global Positioning System). „Absolut neu ist der Abgleich der Position mit den Planungsdaten“, setzt Pfister fort. Durch die Vernetzung mit den Prozessdaten erhält der Fahrer des LRB wichtige Informationen: Wo steht meine Maschine, wo befindet sich meine nächste Arbeitsposition, wo genau müssen die Bohrpfähle gesetzt werden und wo sind die Gebiete mit Gefahrenpotenzial, die nicht befahren werden dürfen. Dargestellt auf einem übersichtlichen Farbdisplay, erfasst der Ausführende die Situation rasch. So wird eine effiziente Zusammenarbeit von Mensch und Baumaschine ermöglicht. Schließlich sind Termintreue und hohe Qualität erfolgsentscheidende Kriterien im Bauwesen.

Vorreiter
Liebherr entwickelt sich vom reinen Gerätehersteller zum Systemanbieter und Lösungspartner. „Die ersten Schritte haben wir schon vor zehn Jahren gesetzt, indem wir unser datenaufzeichnendes Telematik-System in Baumaschinen verbaut haben“, begründet Pfister die Vorreiterrolle des Unternehmens. Inzwischen ließ Liebherr bereits mit zahlreichen Tools zur Simulation, Positionsbestimmung, Dokumentation und Kommunikation aufhorchen. Ein klein wenig Star-Wars-Luft kann man also auch in Vorarlberg einatmen. LRB 355 beherrscht zwar keine sechs Millionen Formen der Kommunikation. Eindrucksvoll ist das Tiefbaugerät dennoch. Einen Trailer gibt es auf Youtube.

Fakten:

Liebherr-Werk Nenzing GmbH

Geschäftsführung:
Manfred Brandl, Gerhard Frainer, Markus Schmidle, Holger Streitz

  • Umsatz 2016 Baumaschinen Nenzing:466,6 Millionen Euro (+13,5 %)
  • Beschäftigte in Vorarlberg: 1740 (230 Ingenieure), Lehrlinge: 134
  • Spezialtiefbaugerät LRB 355 Maximale Höhe: 33,50 Meter
  • Gewicht: 105 Tonnen
  • Motorleistung: 750 kW (1020 PS) Max.
  • Drehmoment: 450 kNm

Expertengespräch:

„Analoge Denkmuster über Bord werfen“
Auch in Zukunft gibt es für den Menschen noch mehr als genug zu tun.
Schwarzach. (VN) „Fortschritt ist Fordschritt.“ Kurt Tucholsky brachte auf den Punkt, was im Dezember 1913 in Detroit ins Rollen gebracht wurde. Das Ford T-Modell lief das erste Mal vom Band. Im Kofferraum die zweite industrielle Revolution durch die Möglichkeit der Massenproduktion am Fließband. Inzwischen steckt die Industrie mitten in der vierten Revolution. Die Massenproduktion jedenfalls werde für die lokale Wirtschaft keine große Rolle mehr spielen. Davon ist Bernd Hepberger, CEO von Massive Art, überzeugt: eine Vorausschau.

Was zeichnet den Transformationsprozess hin zur Industrie 4.0 aus?
Hepberger: Hinter dem abstrakten Begriff „Industrie 4.0“ versteckt sich ein sehr komplexer Prozess, der unsere Industrielandschaft bereits völlig umgekrempelt hat und unaufhaltsam weiter¬geht. Einerseits werden vormals analoge bzw. mechanische Funktionen zunehmend digitalisiert, anderseits bewegen wir uns weg vom physikalischen Produkt hin zum virtualisierten Service. Das stellt für viele Unternehmen natürlich eine große Herausforderung dar. Vor allem das Management muss jetzt schnell neu ausgerichtet werden, damit Strategien für die Zukunft entwickelt und umgesetzt werden können.

Wird der Faktor Mensch ersetzbar, wenn intelligente Maschinen/Systeme perfekt miteinander kommunizieren?
Hepberger: Unsere Wirtschaft verändert sich kontinuierlich, Industrie 4.0 ist dabei nur ein weiterer konsequenter Schritt. Natürlich werden viele, hauptsächlich manuelle Jobs durch immer intelligentere Maschinen ersetzt. Es ist in absehbarer Zeit jedoch nicht davon auszugehen, dass Computer schöpferische Kreativität entwickeln. Es gibt für den Menschen also noch mehr als genug zu tun.

Was müssen wir tun, um in der Industrie 4.0 noch Arbeit zu finden?
Hepberger: Es entstehen ständig neue Berufsbilder. Man denke nur, wie viele Programmierer heute gesucht werden. Hier muss die Wirtschaft, aber auch vor allem die Politik aktiv eingreifen und unser Ausbildungssystem an diese Situation anpassen. Auch Themen wie das bedingungslose Grundeinkommen werden uns in den nächsten Jahren sehr beschäftigen.

Wie sehen, Ihrer Meinung nach, Vorarlbergs Industriebetriebe in 15 Jahren aus?
Hepberger: Ich sehe vor allem einen Wechsel vom Hardware- hin zum Software-Lieferanten. Die Vorarlberger Industrie ist sehr gut darin, spezifische technische Problemstellungen zu meistern. Und diese werden in Zukunft verstärkt in den Betriebsprogrammen zu finden sein. Zudem werden viele Unternehmer erkennen, dass man nur erfolgreich sein kann, wenn man einen auf den Kunden individuell abgestimmten Service bietet. Die klassische Massenproduktion wird für unsere lokale Wirtschaft keine große Rolle mehr spielen.

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