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Libanon: Regierungswechsel ungewiss

Die politische Krise im Libanon hat sich zu einem schweren Verfassungskonflikt ausgeweitet, der die wichtigsten Machtorgane des Staates blockiert. Gegenseitige Blockierung der höchsten Verfassungsorgane.

Während die Regierung unter Ministerpräsident Fouad Siniora wegen des Ausscheidens der schiitischen Minister mit einem Legitimitätsproblem zu kämpfen hat und die radikale Hisbollah vorgezogene Parlamentswahlen fordert, sehen führende Vertreter der antisyrischen Mehrheitskoalition in einem baldigen Präsidentenwechsel den Schlüssel zu einer Lösung.

Zuerst müsse ein neuer Staatspräsident gefunden werden, erklärte der sunnitische Verkehrsminister Mohammed Safadi laut einem Bericht der Beiruter Tageszeitung „L’Orient-Le Jour“ vom Freitag. Diesem werde es dann obliegen, eine neue Regierung zu ernennen. Anschließend könnten Parlamentswahlen stattfinden. Safadi räumte zugleich ein, dass die gegenwärtigen Schwierigkeiten „großteils“ das Resultat der Spannungen zwischen „den beiden Achsen – der amerikanisch-israelischen und der iranisch-syrischen“ seien. Der maronitische Industrieminister Pierre Gemayel sagte seinerseits, der „gordische Knoten“, der durchschlagen werden müsse, sei „die Frage der Präsidentschaft“. Der sunnitische Ex-Premier Selim Hoss sprach sich dafür aus, die im November 2007 fällige Wahl des Nachfolgers von Staatspräsident Emile Lahoud vorzuziehen; der Gewählte könnte mit Lahoud bis zum Ende von dessen Mandat „kohabitieren“, meinte Hoss.

Der libanesische Präsident muss maronitischer Christ sein. Lahouds sechsjährige Amtszeit war 2004 unter syrischem Druck durch eine umstrittene Verfassungsänderung um drei Jahre verlängert worden. Eine Absetzung durch das Parlament mit Zweidrittelmehrheit ist nur bei „Hochverrat“ oder Verfassungsbruch möglich. Anspruch auf Lahouds Nachfolge hat Ex-Armeechef General Michel Aoun angemeldet, dessen antisyrische christliche „Freie Patriotische Bewegung“ (CPL) nicht zur Mehrheitskoalition gehört und ein spektakuläres Bündnis mit der Hisbollah eingegangen war, das Aoun mit der Notwendigkeit begründet hat, einen neuen konfessionellen Bürgerkrieg zu verhindern. Der ursprünglich pro-westliche Aoun hat den sunnitischen Premier Siniora zum Rücktritt aufgefordert. Lahoud und der schiitische Parlamentspräsident Nabih Berri haben die Regierung für nicht mehr verfassungskonform erklärt. Ihre Beschlüsse seien „null und nichtig“.

Eine sunnitische Untergrundorganisation mit der Bezeichnung „Mujaheddin des Libanon“ hat unterdessen die Sunniten zum Widerstand gegen die Schiiten aufgerufen, deren führende Organisation Hisbollah sich anschicke, „das ganze Land zu beherrschen“. „Heute wollen sie den Libanon in seiner Gesamtheit beherrschen, indem sie sich mit den Kreuzfahrern verbünden (…) Sie müssen wissen, dass wir bereit sind, sie zu bekämpfen“, hieß es in der Erklärung, in der für die Schiiten die herabsetzende Bezeichnung „Rafidha“ verwendet wurde. Gleichzeitig wurden darin heftige Angriffe gegen den Iran und Syrien gerichtet.

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