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Leistbar bleiben

"Eingezogen, und vom ersten Augenblick an zu Hause." (Bea Feurstein, Bauherrin)
"Eingezogen, und vom ersten Augenblick an zu Hause." (Bea Feurstein, Bauherrin) ©Adolf Bereuter
Schwarzenberg - Eine ländliche Gemeinde, herrliche Landschaftskulisse, gut angebunden, Festivalort mit Museum und Haubenlokalen und Architektenhäuser in bester Hanglage – wer kann sich das leisten?
Leben & Wohnen in Schwarzenberg

Da gibt’s viele Antworten. Die der Gemeinde etwa: Auf der einen Seite ist ein vermögendes Publikum ein Gewinn, auf der anderen Seite führt gesteigerte Nachfrage nach Bauland bei der Verkehrs- und sozialen Infrastruktur an die Grenze des Machbaren und zur Sorge um ein lebendiges Gemeinwesen.Zum anderen: Der Standard des Hausbaus im Lande steigt – mit ihm der Preis. Ob bei Konstruktion, Haustechnik, den Standards bei Gestaltung und Innenausbau. Das muss nicht immer sein und dem Bauherrn steht offen, zu prüfen, was er wirklich braucht. Wohl dem, der einen verständigen Architekten als Gesprächspartner hat.

Für die junge Familie Feurstein fanden sich sinnvolle Antworten. Ihr neues Haus liegt abseits des Ortszentrums in einem Weiler am Ende eines Weges, bevor das Gelände ins Tal abfällt. Eine Handvoll bescheidener Bauernhäuser zwischen Obstbäumen, mit dem praktischen Hausverstand der Bauern in Holz gebaut. Das Haus der Feursteins ist tatsächlich vom Fundament weg neu, doch es ersetzt einen Altbau – den Wirtschaftsteil eines dieser Häuser. Nach Aufgabe der Landwirtschaft vor einem halben Jahrhundert wurde dieser teilweise als Wohnung genutzt, die nun nicht mehr genügte.

Die Herausforderung bestand in der Begrenzung des Volumens durch die Abmessung des Vorgängerbaus und durch seine Lage, die eine Orientierung nach Süden ausschloss. Der Wunsch der Bauherrn nach privatem Außenraum machte die Sache nicht einfacher. „Alle Wünsche unterzubringen – das war wie beim Kabinettmacher, Tüfteln an den Grundrissen, Ausreizen der Höhen und des Geländeverlaufs. Und das im Anschluss an den Altbau, der erst mit dem Teilabriss ganz zum Vorschein kam“, berichtet Architekt Markus Innauer.

Am Ende dieses Prozesses steht ein Haus für vier Personen, zur Hälfte unterkellert, ein Koch-, Ess- und Wohngeschoß zu ebener Erde und Schlafräume mit Bad im Dach. Das Wohnzimmer hat Morgen- und Abendsonne, der zur Küche offene Raum mit beidseitigem Zugang zum Garten ist in der Höhe differenziert. Hoch und offen sind Küche und Essplatz als Zentrum, der Wohnraum dagegen zieht die Decke ein.

Eine dunkle Wand, gemauert aus Betonsteinen, unterstreicht diese Geborgenheit. Sie ist Trennwand zum alten Wohntrakt und, wenngleich dem Brandschutz geschuldet, durchgehendes Element der Raumgestaltung: Jeder Raum hat Anteil am Stein – Kontrast zum Holz, das ansonsten dominiert. Oberhalb von Keller und Bodenplatte ist es ein reines Holzhaus, in Elementbauweise mit einer Brettstapeldecke in kurzer Bauzeit erstellt – konstruktiver Holzbau auf heutigem Stand der Technik, der dank sinnvoller Belastung und Spannweiten die ganze Statik erledigt, die notwendige Dämmung einschließt und per Stapler von der Zimmerei in unmittelbarer Nachbarschaft geliefert und aufgerichtet wurde.

Die rohen Elemente erhielten auf der Baustelle ein feines Kleid: im Gebäudeinnern Birkensperrholzplatten mit sichtbaren Fugen und Schrauben, die Wände, Decke und Türen überziehen. Eine Anmutung, die an Resonanzkörper von Musikinstrumenten denken lässt und mit der Zeit ins rötliche nachdunkelt – Kontrast etwa zum geschliffenen Beton der beanspruchten Böden. Ebenfalls klar abgesetzt das zweite verwendete Holz: gewöhnliche, astreiche Fichte etwa beim raumbildenden Küchenmöbel.

Das Haus: fein wie ein Möbel eingekleidet; die Möbel: robust wie Zimmermannsholz. Die Hülle sorgfältig im Detail, nicht überstrapaziert – der Materialschnitt verschwindet nicht in der Gehrung, die Schrauben bleiben sichtbar. Das Möbel dagegen von fast auffallend feiner Oberfläche – doch auch hier: klare Linie, sichtbare Beschläge, kein technisches Wunderwerk. Da zeigt sich, dass Standards auf den Prüfstand kamen: Es muss nicht immer ausgesuchte Weißtanne sein, es geht auch Industriesperrholz; die Küche muss kein Design-Objekt sein und ihre Mechanik nicht wie von Geisterhand gerührt gehen; ein einfaches Haus muss nicht klimatisiert werden wie mancher Verwaltungsbau, Geothermie und Fußbodenheizung sind genug, ansonsten: Fenster auf und frische Luft.

Auch außen: sparsam gesetzte Fenster, einfache Boden-Deckel-Schalung – „ganz unspektakulär soll sich das Haus in den Weiler einfügen“, so der Architekt. Aus einem der Wohnzimmerfenster sieht man einen kleinen Schuppen, vergrautes Holz in gleicher Schalung, einen Obstbaum inmitten einer Wiese – so einfach ist das. Und so nähert man sich auch dem neuen Haus, nun von der früheren Rückseite: Ein Kiesweg über eine Wiese, vorbei am Carport, der einen Gartenbereich abschirmt.

Ganz ohne Spektakuläres geht’s dann doch nicht – versteckt freilich: Elternschlafzimmer und Bad im Dach sind belichtet, indem in die Dachfläche ein kleiner offener Raum eingeschnitten wurde. So entsteht zwischen den Zimmern ein intimer, von nirgends einsehbarer Außenraum – die Schiebetüre des Bades beiseite geschoben und offen ist’s zu Sonne und Himmel. „Wir sind im April eingezogen, und vom ersten Augenblick an war ich zu Hause. Hell, viel Platz, eben in den Garten – und im Zentrum der große Tisch“, schwärmt Bea Feurstein. Ungezwungen auf dem Land wohnen, das muss man sich leisten können.

Daten & Fakten

Objekt: Haus Feurstein, Wohnhaus, Schwarzenberg
Eigentümer: Bea und Christian Feurstein
Architekt: Markus Innauer, Bezau
Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg
Planung: 2011–2012
Ausführung: 7/2012–3/2013
Grundstücksgröße: 510 m²
Wohnnutzfläche: 130 m²
Keller: 40 m²

Bauweise: Untergeschoß: Massivbau, Obergeschoße: Holzelementbau; Heizung: Wärmepumpe mit Tiefensonde; Warmwasser: Solar

Besonderheiten: Keine Südfassade; Baugrundstück nur 10 m breit, Innenausbau: Betonsteinwand auf Sicht gemauert, Verpackungssperrholz auf Sicht geschraubt

Ausführung: Baumeisterarbeiten: MBau, Schwarzenberg; Zimmerer: Gerhard Berchtold, Schwarzenberg; Fenster: Herbert Düringer, Schwarzenberg; Dach: Roman Moosbrugger, Bezau; Innenausbau: Gerhard Berchtold, Schwarzenberg; Küche: Wolfgang Meusburger, Reuthe; Böden: Elmar Vigl, Au und Bruno Oberhauser, Egg; Heizung/Sanitär: Siegfried Steurer, Andelsbuch; Elektro: Schneider Elektrotechnik, Schwarzenberg

Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der Vorarlberger Nachrichten

Für den Inhalt verantwortlich:
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