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Mediengipfel in Lech eröffnet: Diskussion über Zukunft Europas

10. Europäischer Mediengipfel in Lech am Arlberg eröffnet
10. Europäischer Mediengipfel in Lech am Arlberg eröffnet ©pro.media kommunikation
Der deutsche Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer hat am Donnerstagabend den 10. Europäischen Mediengipfel in Lech am Arlberg mit seinem Prolog „Gesellschaft mit kleinstmöglichem Risiko: Die Offene Gesellschaft“ thematisch eröffnet. Er plädierte dafür, dem Populismus mit Einigkeit entgegenzutreten.
Mediengipfel in Lech 2016

„Die offene Gesellschaft baut darauf auf, dass ein stabiler Rechtsstaat existiert, dass Institutionen sicherstellen, dass niemand die alleinige Macht hat“, mit diesen Worten hat am Donnerstag in Lech am Arlberg der deutsche Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer den 10. Europäischen Mediengipfel thematisch eröffnet. Er wies in seiner Eröffnungsrede darauf hin, dass der „mediale Umgang mit Rechtspopulismus unklug ist.“ Denn dadurch, dass solche Themen überproportional diskutiert werden, würden sie diskursfähig gemacht. Zudem müsse man sich bewusst sein, dass „aus etlichen Studien der Nachkriegszeit bekannt ist, dass es ein Fünftel der Bevölkerung gibt, welches Vorurteile hat und rassistisch ist,“ betonte der Soziologe.

Schwarzenberg kritisiert die EU

Die EU hat es in den vergangenen Jahrzehnten verabsäumt, sich auch als politische Union zu definieren. Diese Kritik übte der tschechische Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg am Donnerstagabend zum Auftakt des 10. Europäischen Mediengipfels in Lech am Arlberg. “Nur den freien Markt zu sehen” sei zu wenig gewesen. Aktuellen Phänomenen wie dem Populismus könne man aber nur politisch geeint begegnen.

Es gebe “Demagogen und Großmäuler” und es gebe “demokratische Parteien, linke und konservative”, sagte Schwarzenberg. Diese müssten nun über die Grenzen zusammenhalten, sonst seien sie am Holzweg. Den Erfolg rechter wie linker Populisten ortete der bald 79-Jährige indes in der mangelnden Innovationskraft der etablierten Parteien. “Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale, sie stammen alle aus dem 19. Jahrhundert und sind nach 150 Jahren etwas erschöpft.” Neue politische Ideen hätten zuletzt die Grünen auf Tapet gebracht, und das sei nun auch schon bald wieder 50 Jahre her.

Parteien verwechselbar

Zudem seien die Ideen der alteingesessenen Partien inhaltlich ähnlich und verwechselbar, analysierte Schwarzenberg. “Es verschwimmen die Grenzen.” Zwar sei durch das Friedensprojekt EU in Europa ein Wohlstand geschaffen worden, von dem “unsere Großväter nicht zu träumen gewagt hätten”, doch habe man die Bevölkerung auch darüber hinwegtäuschen wollen, dass Europa in mancherlei Hinsicht etwa gegenüber der Konkurrenz aus Asien ins Hintertreffen gerate. Europa könne es einmal so gehen wie Venedig, sinnierte Schwarzenberg. Dies sei heute ein Ort mit viel Kultur, Sehenswürdigkeiten und Geschichte, aber ohne Macht mehr am Mittelmeer.

Der in Europa bemerkbare Aufschwung populistischer Kräfte sei aber in gewisser Weise auch hausgemacht, übte der deutsche Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer Kritik an den Medien. Der mediale Umgang mit dem Rechtspopulismus sei beispielsweise höchst “unklug”. Seit den Zeiten des ehmaligen FPÖ/BZÖ-Politkers Jörg Haiders sei bekannt, dass” rechtspopulistisches Marketing über Grenzüberschreitung” funktioniere. Die “bewusste Verletzung von Sagbarkeitsgrenzen hat einen Medienschleife zur Folge, die das zurückweist, aber auch diskutiert.” Somit würden Themen, die ein äußerster Rand der Gesellschaft vorgebe, diskursfähig gemacht. Der designierte US-Präsident Donald Trump habe dies im vergangenen US-Wahlkampf perfektioniert.

Karas kritisiert Trumps Wahlkampf

An diesem Punkt hakte am Donnerstagabend in Lech auch der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas ein. Es herrsche nunmehr vielerorts die Ansicht vor, dass Trump nicht an seinen Aussagen im Wahlkampf gemessen werden dürfe, kritisierte Karas. So als ob es legitim sei, im Wahlkampf Dinge zu sagen, die danach keine Gültigkeit oder Wertigkeit mehr hätten. “Es heißt dann, es wird schon nicht so schlimm kommen.” Demokratiepolitisch sei dies aber eine schlechte und gefährliche Entwicklung.

Referenden als Ventil missbraucht

Abgeschlossen wurde der erste Tag des Mediengipfels mit einer Podiumsdiskussion mehrerer Experten über die Entwicklung in der EU und in den USA. Auf dem Panel diskutierten die New-York-Times-Korrespondentin Alison Smale, der Afrika-Experte Hans Stoisser, Karel Schwarzenberg, der Europaparlamentarier Othmar Karas und der ehemalige bayrische Ministerpräsident Günther Beckstein. Die Diskussion wurde von Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin „Der Standard“, geleitet.

Auf die Frage „Wir befinden uns in einer neuen Phase der Instabilität mit Brexit und Trump, wer ist daran Schuld und wie geht es weiter?“ gab es unterschiedliche Antworten.

Alison Smale bezeichnete den Brexit als gefährlich, weil es in Großbritannien keine geschriebene Verfassung gebe. „Die Regierung hat die Verantwortung an die Wählerschaft abgegeben.“ Schwarzenberg meinte zum Thema Brexit: „Ich bin ein Gegner von Referenden, weil da andere Fragen beatwortet werden, als gestellt werden.“ Brüssel habe hier sein politisches Ziel verfehlt und man habe sich nicht sonderlich bemüht, das Vereinigte Königreich in der EU zu halten. Othmar Karas nahm diesen Ball auf und benannte ein weiteres Problem: „Wen meinen wir, wenn wir von Brüssel sprechen? Die Mitgliedsstaaten sind nicht bereit, richtig zusammenzuarbeiten, auch nicht im Außengrenzschutz.“

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