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Lauflust - Alternativtraining Teil 2: Beweglichkeit

Beweglichkeit ist für Läufer essentiell für gute Leistungen.
Beweglichkeit ist für Läufer essentiell für gute Leistungen. ©handout: Privat
Gelenke, Faszien, Muskeln - Viele Strukturen können unsere Schrittlänge beim Laufen einschränken und sind deshalb auch große Leistungsminderer. Genau aus diesem Grund wollen wir heute das Thema Beweglichkeit als ergänzende Einheit zum normalen Lauftraining vorstellen..


Die Gelenke

Die Belastbarkeit unserer Gelenke steht und fällt mit dem Zustand unserer Gelenksknorpel. Um die Knorpeldicke positiv zu beeinflussen, sollten die im Sport und Alltag belasteten Gelenke regelmäßig in allen Winkelgraden durchbewegt werden. Der Fachausdruck dafür ist »Mobilisation«. Wenn Sie Ihre Gelenke regelmäßig mobilisieren, d.h. bewegen, verdickt sich die Knorpelschicht an den Gelenksflächen und es wird mehr Gelenksflüssigkeit produziert. Das ergibt eine wesentlich bessere Dämpfung bei mechanischen Belastungen wie z.B. den Stoßbelastungen durch die Schritte beim Gehen oder Laufen.
Praktisch könnte das Ganze dann so aussehen: Zehen beugen und strecken, Fersenkreisen, Vorfußstrecken und -hochziehen, um die Gelenksknorpel der Füße zu aktivieren. Eine tiefe Hocke, mit dem Schutz der Hände an den Knien, Kniehebeschritte und leichte Schwungübungen der Beine in eine Anspreiz-Abspreiz-Bewegung, sowie in eine Vor-Zurück-Bewegung, um die Knie und Hüftgelenke vorzubereiten. Mobilisieren geht schnell und zahlt sich sowohl kurz- als auch langfristig aus. In der Literatur werden positive Effekte nach 5-10 Minuten, als Sofortreaktion des Knorpels, beschrieben. Dabei kommt es zu einer erhöhten Widerstandsfähigkeit des Knorpelgewebes und es wird mehr Gelenksflüssigkeit gebildet, welche die Knorpelflächen schmiert und Reibung vermindert. Nach einigen Monaten mit regelmäßigen Mobilisationseinheiten wird auch eine Langzeitreaktion des Gelenksknorpels beschrieben: der Knorpel wird dicker und belastungsfähiger. Wir empfehlen kurze Mobilisationseinheiten als fixen Bestandteil jedes Aufwärmprogrammes, sowie ausführliche Einheiten als Alternativtraining auf einer Gymnastikmatte.
Das Ziel unserer Mobilisationseinheiten ist eine schmerzfreie, volle Beweglichkeit in allen Gelenken, damit wir eine möglichst lange Schrittlänge in der Laufbewegung erreichen. Ist diese einmal erreicht, so kann sie mit wenig zeitlichem Aufwand erhalten werden. Und ein langer Schritt ist schlussendlich ein entscheidender Leistungsfaktor beim Erreichen der persönlichen Laufziele.

Die Faszien
Sie umhüllen alle Muskeln und Organe, durchziehen den Körper von außen nach innen und von unten nach oben. Ein faszinierendes Fasernetz, das dem Körper seine Form verleiht und lange Zeit in den Trainingsbüchern vernachlässigt wurde. Doch vor einigen Jahren wurde in einer Studie eines deutschen Humanbiologen gezeigt, das auch Faszien kontraktil sind und nerval innerviert werden. Das heißt im Klartext: sie können sich verspannen und Schmerzen machen, genau so, wie es beispielsweise ein kranker Muskel auch machen könnte. Gerade Läufer leiden sehr oft unter solchen Verspannungen. Doch es gibt einfache Mittel, um diese zu lösen. Als ich in Kenia während einem Höhentrainingslager Marathonläufer betreut habe, kam uns die Idee diese Verspannungen mit Nudelwalghölzern zu lösen. Wir fuhren also mit einem Bus zwei Stunden nach Nairobi, um in einem Supermarkt Teigroller für alle Läufer zu kaufen. Ich werde das Bild nie vergessen, wie 10 Kenianische Marathonathleten vor mir saßen und sich mit den Nudelhölzern die verspannten Waden und Oberschenkelfaszien gelockert haben. Doch so komisch es auch aussehen mag, so verblüffend gut ist die Wirkung – Mit einem Faszienroller (wie in den Bildern anbei) können solche Verspannungen in den faszialen Strukturen gelöst werden und wir haben wieder eine neue Waffe im Kampf gegen Überlastungsbeschwerden.

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Wie oft, wie fest und wie lange soll eine Selbstmassage durchgeführt werden?
Viele haben vielleicht schon die schmerzhafte Erfahrung gemacht, wenn man das Faszienrollen übertreibt. Wir empfehlen deshalb ein langsames ausrollen für 1-2 Minuten pro Muskelgruppe – Beginnend an der Fußsohle, Waden, seitlicher Unterschenkel, vorderer/seitlicher/hinterer Oberschenkelbereich, Gesäß – und teilen selbst die Erfahrung das Schmerz dabei nicht nötig ist. 1-2 Einheiten pro Woche sind ebenfalls völlig ausreichend. Bei einem Physiotherapie-Kongress, diesen Sommer, in Brasilien, sprach sich, bei einen Vortrag, auch der große Faszienforscher Dr.Robert Schleip positiv zu dieser Beobachtung aus. Es ist zwar nach wie vor eine Vermutung der Wissenschaft, doch wahrscheinlich liegen diese Verklebungen und Verspannungen der Faszien eher in oberflächlichen Bereichen. Stimmt diese Theorie, so würde ein sanftes Ausrollen, in einem sehr langsamen Tempo, den besten Effekt bringen. Als kleiner Tipp kann man verschiedene Sinneswahrnehmungen als Kriterium für die Dauer und Härte verwenden: Stellt sich ein angenehm-entspanntes Gefühl, beim Ausrollen der Muskelgruppen, ein, so kann zum nächsten Bereich gewechselt werden. Oder per Blickdiagnose: Erkennen Sie eine leichte Rötung der Haut, die durch das Ausrollen entstanden ist, so kann zum nächsten Bereich gewechselt werden. Allgemein kann man sagen, dass viel Körperwahrnehmung bei der Selbstmassage nötig ist, doch es wird eben auch genau diese damit geschult: ein weiterer Vorteil.

Die Muskulatur
Nun kommen wir zu einem sehr kontroversen Thema. Soll man besser vor oder nach dem Training dehnen? Was wird überhaupt gedehnt? Ist Dehnen überhaupt gut? Wir möchten bei all diesen Fragen, zu denen es noch keine klare wissenschaftliche Meinung gibt, nun geschickt die Kurve kratzen, in dem wir den Fokus wieder zurück auf unser Ziel lenke: Volle Beweglichkeit in allen Strukturen, die unsere Schrittlänge vermindern können. Das Ziel ist es, einen gesunden Laufstil zu finden, mit einer Schrittlänge, die für unseren Körper optimal ist. Ein verspannter Hüftbeuger kann dabei die volle Schrittlänge genau so hemmen, wie es eine verkürzte Oberschenkelmuskulatur kann. Deshalb möchten wir nun Übungen zeigen, die Gelenke, Faszien, als auch die Muskulatur dehnen sollen, um volle Mobilität für die Laufbewegung zu erreichen. Wer die volle Mobilität in diesen Strukturen hat, kann sie mit sehr wenig Aufwand aufrecht erhalten. Andere müssen dabei mehr Zeit investieren und vielleicht in separaten Alternativtrainings 1-2x pro Woche zusätzlich an ihrer Beweglichkeit arbeiten.

Mobilisationsübungen der Gelenke sind aus unserer Sicht Pflicht für jede Trainingseinheit, da es sehr schnell geht und sehr viel bringt.
In den folgenden Bildern ist je eine Übung für die Körpervorderseite (Schienbeinmuskulatur, vordere Oberschenkelmuskulatur, Hüftbeuger und Rumpfvorderseite), die Körperrückseite (Fußsohle, Waden, hintere Oberschenkelmuskulatur, Gesäß und Rücken), sowie die Körperaußenseite (seitliche Oberschenkelmuskulatur, Rumpfseite).

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In einem der folgenden Artikel gehen wir dann genauer auf Muskelschmerzen ein. Doch damit man diese Schmerzen garnicht erst bekommt, lohnt sich das Alternativtraining allemal – also halten Sie Ihre Gelenke, Faszien und Muskeln gut in Schuss. Die Artikel werden immer montags veröffentlicht und wir freuen uns schon auf viele Gedanken und Feedback zum heutigen Artikel!

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