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Laufen tut weh

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Ja, Sie haben richtig gelesen. Laufen, und vor allem laufen an der eigenen Leistungsgrenze, kann sehr wehtun. Bereits im letzten Artikel über Visualisierung haben wir dieses Thema kurz angesprochen. Heute wollen wir uns den „Qualen“ des Laufens genauer widmen.

(Gleich zu Beginn soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass es hier nicht um das Sporttreiben mit Verletzungen, oder Krankheit geht. Gesundheit ist das höchste Gut und wird hier vorausgesetzt. Bei Verletzungen verweisen wir auf unseren Schmerzleitfaden und unsere früheren Artikel.)

Eines der großen Ziele unserer modernen Zivilisation ist es, Anstrengung so gut wie möglich zu vermeiden. Wir fahren mit dem Auto zur Arbeit, mit dem Lift in den ersten Stock. Das Essen wird geliefert. Die Waschmaschine wäscht die Kleidung, die Spülmaschine das Geschirr. Sport kommt im Fernsehen. Und doch gehen immer mehr Menschen laufen. Neben der Einsicht, dass neben einem Alltag in Ruhe, ein bisschen Bewegung gut für die Gesundheit wäre, könnte man hier auch ein gewisses Maß an Sehnsucht vermuten. Laufen ist nämlich eine der anstrengendsten und daher qualvollsten Sportarten überhaupt. Dies gilt besonders für das Laufen an der eigenen Leistungsgrenze, beispielsweise bei einem Wettkampf. Aber genau darin liegt auch der Reiz. Wie viel ist man bereit für ein Ziel zu tun, im Training und im Rennen zu leiden? Den eigenen Schweinehund besiegen!? Je mehr man investiert hat, desto größer ist auch die Befriedigung. Wenn es leicht wäre könnte es ja jeder machen. Darüber hinaus kann man auf diesem Weg viel über sich selbst lernen.

Was lange nur angenommen wurde, wird nun auch immer mehr wissenschaftlich bewiesen. Es ist nämlich nicht unser Körper, sondern unser Geist, welcher unsere individuelle Leistungsgrenze bestimmt. Mit anderen Worten, unser Körper könnte noch lange weiterlaufen, aber das Gehirn entscheidet irgendwann: „Nun ist es genug, ich will mich nicht mehr länger quälen…“ Es zwingt uns langsamer zu werden, die Anstrengung zu reduzieren. Damit schützt es den Körper auch vor einer Überlastung, allerdings meistens lange bevor diese wirklich eintritt. Laufleistung hat daher viel mit Leidensfähigkeit zu tun. Bei zwei gleich gut trainierten Läufern, wird immer der gewinnen, der bereit ist sich mehr zu quälen.

Um Ihre sportlichen Ziele zu erreichen, müssen Sie also auch ab und zu leiden. Soweit die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass man diese Leidensfähigkeit trainieren kann und, dass man diese Form der Selbstüberwindung durchaus positiv betrachten sollte. Im letzten Artikel haben wir bereits beschrieben wie Sie sich mit Visualisierung auf anstrengende Wettkämpfe vorbereiten können. Hierdurch können Sie lernen mit dem Schmerz besser umzugehen. Ebenso ist es wichtig sich auch im Training immer wieder mit der eigenen Leidensfähigkeit zu befassen. Ein Tempolauf, oder ein Intervalltraining, bei dem Sie nahe an Ihrem Leistungslimit laufen, ist genauso ein Mentaltraining, bei welchem Sie Ihre Fähigkeit Schmerz zu ertragen schulen können. Man sollte dies sogar als Teil des Trainings betrachten. Gehen Sie nicht mit dem Gedanken in ein Training, wie schlimm und furchtbar anstrengend es werden wird, sondern sehen Sie es als Möglichkeit gezielt daran zu arbeiten, wie viel Sie an Anstrengung tolerieren können. Wenn Sie Ihre Denkweise hier quasi ins Positive drehen, werden Sie bemerken, dass es Ihnen mit der Zeit immer leichter fallen wird, schwere Beine, brennende Oberschenkel, oder pfeifende Lungen zu akzeptieren.

Ebenso wurde, in einem früheren Artikel, schon Meditation und Achtsamkeit angesprochen. Dies ist eine weitere Möglichkeit wie man mit Anstrengung, oder schwierigen Situationen umgehen kann. Man nimmt sie als solche war und akzeptiert sie. Gefühle bleiben aus dem Spiel. Perfektion lässt sich jedoch nur mit viel Übung erreichen. Die Atemmeditation bietet, zur Übung dieser Fähigkeit, einen guten Einstieg.

Wenn Sie diesen Artikel als Nichtläufer gelesen haben, mögen Sie nun vielleicht denken, was für komische Leute das sein müssen die sich freiwillig so quälen und dann auch noch Spaß daran haben wollen!? Ist es aber nicht bei den meisten Dingen so, dass gerade die, in die man viel Zeit, Energie und Kraft investieren musste die lohnendsten sind? Und dass man in diesem Prozess viel über sich selbst lernt!? Das Laufen ist dabei nur eine Metapher für das Leben. Dieses besteht auch nicht immer nur aus Sonnenschein und Schokolade, oder, um es mit Johann Wolfgang von Goethe zu sagen: „Es wechselt Pein und Lust. Genieße, wenn du kannst, und leide, wenn du musst.“

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