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Hoch droben

Laterns: Das Schulhaus, der Bau des Dorfsaals und der Berg bilden einen verkehrsfreien Vorplatz.
Laterns: Das Schulhaus, der Bau des Dorfsaals und der Berg bilden einen verkehrsfreien Vorplatz. ©Maurice Shourot
Laterns - Manche meinen, man müsse hoch hinaus, um zu verstehen, wie klein man ist. Haben uns dann diejenigen etwas voraus, die von droben kommen?
Laterns: Schule und Saal

Auf solche Gedanken kann man schon kommen , wenn man in Laterns auf dem Dorfplatz steht, über die Kirchspitze ins fast 500 m tiefere Rheintal blickt, die weißen Gipfel von Alpstein und Churfirsten in der Ferne, vor sich das tiefe Tal der Frutz und die dichten Wälder der gegenüberliegenden Steilhänge, zum Greifen so nah? Ein Platz, nicht im Dorf, sondern darüber, Mittelstück einer Kaskade dreier Plätze zwischen Parkplatz und Sportplatz; Dorfplatz, weil von hier zwei für das Gemeindeleben zentrale Bauten erschlossen werden: die Schule und der Dorfsaal. Beide seit einem halben Jahr in Betrieb mit einer langen Vorgeschichte und mit einem Architektenwettbewerb als Abschluss. Zwei Bauten für zwei verschiedene Zwecke, so das prämierte Projekt von Bernardo Bader.

„Seit ich ab Mitte der 1990er-Jahre in der Gemeinde politisch aktiv bin, war die Schule ein Thema“, erinnert sich Bürgermeister Harald Nesensohn. „Man versuchte es mit der Sanierung der alten Schule, aber die kam aus einer Zeit, als man billigst und eben schlecht baute, es gab Standortuntersuchungen, gar Dorfentwicklungsstudien.“ Als ein Haus unten an der Straße verkauft wurde, verfügte die Gemeinde über einen sinnvollen Bauplatz für einen Neubau am Rand des Dorfkerns frei von räumlicher Enge.

Eng blieb freilich der finanzielle Rahmen – und die Furcht der Bergbauern vor kostentreibenden Planungsverfahren aus dem Tal. So kam es erstmals im Land zu einem Generalplanerwettbewerb, bei dem Bauunternehmen mit hinzugezogenem Architekt ein genau definiertes Raumprogramm einschließlich Kostenlimit und Fertigstellungstermin zum Festpreis anzubieten hatte. „Am Ende des Tages muss ich den Bauunternehmer loben“, räumt Architekt Bernardo Bader ein, dem das Ringen innerhalb dieses engen Rahmens einiges abverlangte.

Bei einem Grundstück, das fast 1:1 abfällt, dazu schlechtem Grund im Bereich der alten Schule, lag der Entwurf nahe: „Das Bild war schnell klar: zwei bocknormale Häuser, die gut zueinander stehen, gute Plätze bilden, ins Gelände passen“, bringt es der Architekt auf den Punkt. „Die Feinjustierung freilich ist dann das Entscheidende.“

Man könnte sagen: Genau das tut landschaftsgebundenes, anonymes Bauen seit Jahrhunderten, variiert nach Standorten. Bäuerliches Bauen in den Bergen rückt unterschiedliche Funktionen – Wohnen, Stall, Lager- und Arbeitsräume – aneinander, unter ein Dach. Das Walserhaus, wie in dieser Gegend, zeichnet sich dadurch aus, dass das Dach des längeren Wirtschaftsteils parallel zum Hang, das des Wohnteils dagegen senkrecht zu ihm steht. Es sind Satteldächer und im Übrigen sind die Volumen kompakt gehalten. Die beiden „bocknormalen“ Häuser: Senkrecht zum Hang die Schule, wo man sich eher wie im Wohnhaus aufhält; parallel dagegen der Dorfsaal, der gleichzeitig Turnhalle ist und dem aktiven Wirtschaften entspricht. Dieses Haus ist wie ein Stadel stehend verschalt, liegend dagegen das Schulhaus wie der Eindruck der oft schindelverkleideten Wohnteile.

In ihrer kompakten Erscheinung gleichen sich die beiden Bauten, in Dachform und in Konstruktion – beide sind Holzbauten mit Satteldächern und mäßigem Dachüberstand. In die kompakten Baukörper sind vor den Eingängen großzügige offene Vorhallen eingeschnitten. Es gibt ein Fenster, das an das Walserhaus erinnert: Wie es in der Holzwand sitzt, wie es unterteilt ist, wie es proportioniert ist. Freilich ist es entsprechend der Nutzung größer – mehr beim Klassenzimmer, nochmals mehr beim Saal.

Der ist mit Vorhalle und Foyer entschieden zum Dorfplatz hin orientiert. Betritt man ihn, so kehrt sich das um. Die eine Längswand öffnet sich mit großen, quadratischen Fenstern zum Tal, gegenüber erlauben Oberlichtfenster den Blick den Berg hinauf. „Das Bild war mir wichtig: ein Dorfsaal, hoch, mit einer Decke wie das Dach, Blick in die Landschaft – und alles aus Holz, wie hier üblich“, erklärt der Architekt, und der Bürgermeister ergänzt: „Man fühlt sich hier sehr wohl, es ist unser Stoff – die Fichte, die Tanne, alles Holz hier kommt aus unserer Gemeinde.“ Da spricht der Stolz eines Tales mit, das für sein Holz berühmt ist – ob als Klangholz oder Küblereiholz.

Der Saal hat einen eigenen Bühnenraum, der sich so raffiniert abtrennen lässt, dass sich ein MusikÜbungsraum ergibt. Dieser Raum ist über einen eigenen Zugang vom oberen Parkplatz zugänglich und wird ergänzt durch Räume für die Dorfjugend.

Zwischen den Häusern vermitteln die Plätze – der Dorfplatz mit den Hauptzugängen, der auch das Festzelt ebenerdig aufnehmen kann. Darunter, im Gelände, ein Verbindungstrakt zwischen Schule und Turnhalle mit Umkleiden und Nebenräumen, ebenerdig offen zum vorgelagerten zweiten Platz, dem Sportplatz, auch Pausenhof. Beschützt durch zwei Bauten „von hier“, ist es ein Ort für Sport und Spiel, der fast über dem Tal schwebt und in der Rangliste der Schönsten im Lande gewiss weit oben steht.

Daten & Fakten

  • Objekt: Schule und Saal, Laterns
  • Eigentümer: Gemeinde Laterns, Bürgermeister Harald Nesensohn
  • Architekt: Bernardo Bader Architekten, Dornbirn
  • Totalunternehmer: Dobler Hochbau
  • Fachplanung: Statik: SSD, Röthis; Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Heizung/ Sanitär: E-Plus, Egg; Elektroplanung: Norbert Steiner, Nüzider; Bauleitung: Dobler Hochbau
  • Wettbewerb: 2011
  • Ausführung: 10/2011– 04/2013
  • Nutzfläche: 1598 m² (davon Schule 590 m²)
  • Bauweise: Holzelementbauweise; Untergeschoß in Beton
  • Besonderheiten: Holzbereitstellung aus gemeindeeigenem Forst: Rundholz Fichte 1500 m³, Weißtanne 3700 m2
  • Ausführung: Baumeister, Innenausbau: Dobler Hochbau, Röthis; Heizung/Sanitär: Markus Stolz, Feldkirch; Elektroinstallation: Elmar Graf, Dornbirn
  • Energiekennwert: 17/19 kWh/m² im Jahr (Schule/Saal)

Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
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Kommenden Freitag, 28. März, um 17 Uhr gibt es die Möglichkeit dieses Schulhaus mit Dorfsaal in Laterns 1:1 zu erkunden. Einfach vorbeikommen, keine Anmeldung! Info und Folder auf v-a-i.at

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