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Glück gelingt selten allein

Aus dem Wunsch in Laterns zu bleiben und einem glücklichen Umstand ist ein Haus für zwei Parteien und gewerbliche Nutzung geworden.
Aus dem Wunsch in Laterns zu bleiben und einem glücklichen Umstand ist ein Haus für zwei Parteien und gewerbliche Nutzung geworden. ©Petra Rainer
Laterns. Was tun, wenn die aktuellen Wohnbedürfnisse nicht mehr mit jenen von vor 20 Jahren übereinstimmen? Ein generationengerechter Neubeginn in Laterns.
Haus Egon Heinzle in Laterns

Ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung in Europa lässt sich mit wenigen Worten beschreiben: Wir werden weniger, älter und durchmischter – so die Prognose. Die Geburtenrate sinkt, die Lebenserwartung steigt und Familien- und Sozialstrukturen verändern sich. Großfamilien, in der verschiedene Generationen unter einem Dach leben, gibt es nur noch selten. Daneben gibt es den starken Wunsch nach Indiviualisierung, nach der Möglichkeit, das eigene Leben selbstbestimmt gestalten zu können. Im Wohnen kommen Realität und Anspruch zusammen. Wünsche und Möglichkeiten, nicht nur finanzielle, treffen aufeinander. Was tun, wenn sich das Leben fortschreibt, vielleicht anders als gedacht? Wenn das Alte nicht mehr passt, das Neue aber noch nicht vorstellbar ist?

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aus ©Ein Plätzchen an der Sonne. Direkt vom zentralen Wohnraum geht es auf den Balkon als erweiterten Wohnraum. Der Schwung im Geländer bringt Lebensfreude für Bauherr und Gäste. Foto: Petra Rainer (Ausschnitt)

Egon Heinzle hat sich dieser Frage vor mittlerweile drei Jahren gestellt. Nun wohnt er in einem neuen Haus, jedoch nicht allein. Der Blick aus dem Fenster führt nicht nur zu Kirche, Pfarrhaus, Straße und Friedhof, sondern auch zum Dach seines alten Hauses. „Dort habe ich 30 Jahre gelebt. Aber mir ist das alles zu groß und zu viel geworden. Das war mir zu verschwenderisch und auch zu aufwendig.“ Egon Heinzle hat sein Haus dem ältesten Sohn übergeben. „Das war keine schwere Entscheidung. Herausfordernd war eher, sich das Neue vorzustellen, denn ich wollte im Ort wohnen bleiben.“

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1_3__G6B0172 ©Direkt an der Straße mit gemeinsamer Einfahrt zum gemeinsamen Parkplatz des Pfarrhauses. Mehrwert für viele. Foto: Petra Rainer

Aus dem Wunsch zu bleiben, der Lust am Planen und einem glücklichen Umstand ist nun ein Haus für zwei Parteien und gewerbliche Nutzung geworden, auf nur 243 m2 Grundstücksgröße. „Das Grundstück ist direkt an der Landesstraße gelegen. Für viele kommt das vermutlich gar nicht in Frage. Für mich ist das kein Problem. Dazu kam, dass die Zufahrt und Parkmöglichkeit für das Pfarrhaus lange nicht gegeben war. Wir konnten das als gemeinsame Fläche realisieren. Jetzt profitieren viele davon.“ Wichtig war dem Bauherren die Konzeption von drei getrennt begehbaren Einheiten. „Meine Wohnung ist ebenerdig angelegt, barrierefrei und sehr kompakt.“

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1_4_T1A7218 ©Das schmale Fensterband gibt sich mit Längslattung zur Straße verschlossen. Auch die Spenglerarbeit setzt einen wertigen Akzent. Foto: Petra Rainer

Im Obergeschoß fand der jüngere Sohn eine Bleibe – offen, mit mehreren Ebenen in die Höhe, um Platz zu sparen, und einer Dachterrasse. Zusammen mit der Pfarre Laterns, sie hatte weder Zufahrt noch Parkmöglichkeiten, wurde im Untergeschoß neben der hauseigenen Garage eine Garage für das Pfarrhaus geschaffen. Das Kellergeschoß beherbergt das Pelletslager mit dem Heizraum sowie einen Hobbyraum und die Erschließung ins Erdgeschoß. „Ich bin auch im eigentlichen Ruhestand aktiv und arbeite an der Weiterentwicklung von Erfindungen, die ich gemacht habe.“ Eine davon ist Flip Clip, ein Halterungssystem, bei dem das Gewicht die Klemmwirkung bestimmt und für Sportequipment wie Geräte aller Art einsetzbar ist.

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aus1 ©Freundliche, helle Atmosphäre, gut durchdachte Stauräume, wertiges Material und exzellente Verarbeitung. Im Bild Architekt Rainer Huchler und Bauherr Egon Heinzle. Foto: Petra Rainer

Entsprechend genau hat der Innovator auch auf Details bei der Umsetzung geschaut. Konventionell und doch besonders ist der Entwurf, mit dem Rainer Huchler von Marte-Huchler Architektur und Innenarchitektur den Wunsch nach Pragmatik mit hohem Anteil an Eigenarbeit, auch denkerischer, in der Planung berücksichtigt hat. Das Untergeschoß des Gebäudes ist massiv in Beton gefertigt. Es folgt eine Holzriegelkonstruktion mit Massivholzdecke in Erd- und Obergeschoß. Die Fassade wurde mit rechteckigen Schindeln in einem Abstand von fünf Zentimentern verkleidet. Dazwischen strukturieren Längslatten den Baukörper und sorgen für genug Helligkeit im Innenraum. Die Tönung der Fassade wurde durch mehrfaches Beizen der Schindeln und Latten erreicht. Ein besonderer Effekt, der sofort auffällt – vor allem in Kombination mit dem Material, das Rainer Huchler für die Fensterrahmen gewählt hat und das kupferfarben in der Sonne glänzt. Die Skulpturalität kommt aus der Proportion und dem Schwung, mit dem der Balkon an die Haupträume angegliedert wurde.

»“Wir haben unsere Wohnbedürfnisse klar formuliert. Diese Klarheit ist wichtig, um gut miteinander auszukommen.” (Egon Heinzle, Bauherr)«

Die Rundung des Balkons ergab sich zunächst aus dem Ausreizen des vorhandenen Raums, und wurde vom Architekten schließlich aber aus ästhetischen Gründen als Bezug für den Übergang vom Hauptgebäude zum Flachbau gesetzt. Der Innenausbau erfolgte ebenso pragmatisch, jedoch mit großer Aufmerksamkeit für hochwertige Materialien, Vollholz, Abstimmung von Hölzern, einem guten Gefühl für haptische Oberflächen und Lichtstimmungen. Vater und Sohn leben hier in getrennten, privaten Zonen – generationengerecht und sehr unterschiedlich.

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2_6__G6B0209 ©Wohnraum für einen jungen Erwachsenen: offene Raumstruktur für flexible Nutzung, Helligkeit und unkomplizierte Einrichtung. Foto: Petra Rainer

„Wir haben unsere Wohnbedürfnisse klar formuliert und diese Klarheit ist wichtig, um gut miteinander auszukommen.“ Die Erschließungszone in Form des gemeinsamen Einganges und Treppenhauses wird gemeinsam genutzt, die übrigen Räume sind getrennt. „Garten haben wir keinen und wollen wir auch nicht. Mein kleiner Balkon ist ein feiner Ort zum Ausruhen und mein Sohn ist viel unterwegs. Und wenn wir einmal nicht mehr hier wohnen sollten, geben wir zwei gute Wohneinheiten weiter.“

Daten und Fakten

Objekt: Haus Egon Heinzle, Laterns
Eigentümer/Bauherr: Egon Heinzle
Architektur und Bauleitung: Marte-Huchler, Muntlix
Statik: zte Leitner
Fachplaner: Elektroplanung: Markus Meissl, Feldkirch
Planung: 2013
Ausführung: 3/2014–11/2014
Grundstücksgröße: 243 m²
Wohnnutzfläche: 154 m²
Keller: 106 m²
Bauweise: Untergeschoß: massiv, Beton; Erdgeschoß und Obergeschoß: Holzriegelkonstruktion mit Massivholzdecke
Besonderheiten: naturbelassene oder geölte Holzoberflächen, Küche: Sonderfertigung Schreiner; Ausführung mit großem Anteil Eigenarbeit, Fassadenschindelung mit Rechteckschindel 5 cm Abstand
Ausführung: Zimmerer: Dobler Holzbau, Röthis; Fenster: Reinhard Sparr, Thüringen; Innenausbau: Milan Injac, Rankweil; Böden: Josef Fröwis, Bezau; Heizung/Lüftung/Sanitär: Steurer, Andelsbuch; Elektro: Markus Meissl, Feldkirch; Schindelarbeiten: Stefan Moosbrugger, Mellau; Dachdecker: Josef Lins, Feldkirch; Spengler- und Schwarzdeckerarbeiten: Tectum, Hohenems; Garagentore: Alois Amann, Götzis; Tischlerarbeiten und Innentüren: Gerold Matt, Laterns
Energiekennwert: 36 kWh/m² im Jahr

Für den Inhalt verantwortlich:
Vorarlberger Architektur Institut
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