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Kroatien: Del Ponte in Zagreb

Ein Besuch von UNO-Chefanklägerin Carla Del Ponte in Zagreb hat keine näheren Aufschlüsse hinsichtlich der von Kroatien angestrebten Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU gebracht.

Nach einem Treffen mit Präsident Stjepan Mesic und Premier Ivo Sanader räumte Del Ponte ein, dass es in den vergangenen Monaten „gewisse positive Entwicklungen“ gegeben habe. Sie sei aber „enttäuscht“, dass der vom Haager Tribunal wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen angeklagte General Ante Gotovina noch immer in Freiheit ist.

Die Chefanklägerin legte sich nach dem Gespräch nicht fest, welches Urteil sie über die Zusammenarbeit Kroatiens mit Den Haag bei dem für Montag geplanten Treffens der EU-Außenminister in Luxemburg abgeben wird. Bis dahin seien noch „zwei Tage Zeit“. Ihre diesbezügliche Bewertung gilt als einer der entscheidenden Punkte für die mögliche Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Kroatien.

“Sichtbar enttäuscht”

Laut kroatischer Nachrichtenagentur Hina waren auch Sanader und Mesic nach dem Treffen mit Del Ponte „sichtbar enttäuscht“. Kroatien habe mit der Umsetzung des Aktionsplanes gezeigt, dass es voll mit dem Haager Tribunal kooperiere, betonten sie unisono. Die EU hatte im März den geplanten Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien wegen unzureichender Kooperation des Landes bezüglich einer Auslieferung Gotovinas ausgesetzt und eine „EU-Task-Force“ einberufen.

Nach dem Aufschub der EU-Gespräche erstellte Sanader einen „Aktionsplan“, um Gotovinas Unterstützer-Netzwerk zu zerschlagen und die Zusammenarbeit mit Den Haag unter Beweis zu stellen. Unmittelbar vor dem Besuch Del Pontes hatte der SPÖ-Europaabgeordnete und Kroatien-Berichterstatter des EU-Parlaments, Hannes Swoboda, in Zagreb erklärt, die baldige Aufnahme von Beitrittsgesprächen sei „wichtig für die gesamte Region“.

Transformationsprozess

„Kroatien hat einen enormen wirtschaftlichen und politischen Transformationsprozess durchgemacht“, erklärte Swoboda nach einem Treffen mit Sanader (Kroatische Demokratische Gemeinschaft/HDZ). Ein möglicher Beitritt wäre ein Ansporn für weitere Reformvorhaben und Ausdruck der Hoffnung für die Länder der Region, dass auch sie mit der Zeit die Möglichkeit eines EU-Beitritts haben könnten.

Nach einem Gespräch mit dem Chef der Sozialdemokraten (SDP), Ex-Premier Ivica Racan, würdigte Swoboda die „wichtigen Schritte“, die schon während der Regierungszeit des Mehrparteien-Kabinetts unter Racan (2000-2003) unternommen worden seien. Dieser zeigte sich optimistisch, dass die Gespräche zwischen Kroatien und der EU bald beginnen könnten. „Das ist nicht nur ein frommer Wunsch. Mein Optimismus basiert auf Fakten.“

Frage des Hausverstandes und der Fairness

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) betonte am Freitag in Graz, dass Kroatien schon sehr viele Leistungen erbracht habe. Deshalb gebe es keinen Grund, den Verhandlungsbeginn weiter hinauszuschieben. Das sei auch eine Frage des Hausverstandes und der Fairness. Die EU-Stimmung in Kroatien ist laut einer Umfrage der Tageszeitung „Vecernji list“ wieder etwas positiver.

Erstmals seit Februar gibt es mehr Befürworter als Gegner. 40,9 Prozent gaben an an, sie würden derzeit für einen EU-Beitritt ihres Landes votieren. In der entsprechenden August-Umfrage des Blatts waren es 39,2 Prozent gewesen. Deutlich gesunken ist die Zahl der erklärten EU-Gegner. Sie machten vor einem Monat noch 44,6 Prozent aus, derzeit sind es laut „Vecernji list“ 36,8 Prozent. Unentschlossen waren diesmal 22,3 Prozent.

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