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ÖVP-Wahlprogramm für Kurz "liberal, christlich-sozial"

Schieder fürchtet Kürzungen für den Mittelstand - Kickl sieht zu viel Geld für Flüchtlinge.
Schieder fürchtet Kürzungen für den Mittelstand - Kickl sieht zu viel Geld für Flüchtlinge. ©AFP
ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hat am Dienstag den ersten von drei Teilen seines Wahlprogramms präsentiert. Veröffentlicht wurden die Punkte bereits am Vortag, Kurz hält die Maßnahmen wie etwa Steuersenkung oder Mindestsicherung light für "liberal und christlich-sozial" und die Umsetzung für "ambitioniert, aber machbar".
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Vorgestellt wurden die Inhalte gemeinsam mit Experten, die mitgearbeitet haben. Das Programm sei nicht etwa ein paar Personen in der Parteizentrale in Auftrag gegeben worden, sondern im Zuge der Österreich-Gespräche durch KMU, Spitäler, Gesundheitseinrichtungen, nach Gesprächen mit Lehrern, Sicherheitsexperten und vielen anderen entstanden, erklärte Kurz. Insgesamt besteht es aus drei Teilen mit einem Umfang von 250 Seiten, der erste Part umfasst 119 und enthält 32 Themenbereiche. Bewusst sei auch eingeflossen, “was mich politisch ausmacht”, es sei daher “liberal und christlich sozial”, so der Parteichef. Ziel sei es, die Bürger zu entlasten und ihnen mehr Freiheit zu geben. Ein starker Fokus liege dabei auch auf den Familien. Er habe immer ein Problem damit gehabt, dass der Staat den Bürgern möglichst viel an Steuern wegnehmen soll, um es dann “großzügig und gönnerhaft zu verteilen”: “Das Gönnerhafte in der Politik hat mich von Anfang an abgeschreckt.”

Kurz verwies auf die vier Leitlinien des Programms. Zum ersten: “Wer arbeitet und Leistung erbringt, darf in Österreich nicht der Dumme sein.” Wer Leistung beziehen will, müsse zuerst Leistung erbringen, denn der Sozialstaat könne nur funktionieren, wenn alle einzahlen. Wem Leistung zusteht, der solle sie unbürokratisch bekommen und zuletzt: “Wer sich selbst nicht helfen kann, dem muss geholfen werden.”

Moser fordert Steuer- sowie Gebührensenkung

Mit dabei war auch der Listendritte, Ex-Rechnungshofpräsident Josef Moser. Seiner Erfahrung nach würden die Mittel der Steuerzahler in Österreich nicht effizient genug verwendet, das Land habe daher seine Rolle als Vorzeigeland eingebüßt. Bei der Steuerquote – 43 Prozent – liege man etwa über dem EU-Schnitt und: “Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem und Effizienzproblem.” Um die Wirtschaft anzukurbeln und die Bürger zu entlasten, brauche es daher eine Steuer- sowie Gebührensenkung, forderte Moser. Österreich brauche auch Strukturreformen. Konkret pochte er auf eine Steuersenkung auf 40 Prozent, eine Ausgabenbremse und einen effizienten Einsatz der öffentlichen Mittel. Bei Nichteinhaltung der Schuldenbremse brauche es außerdem Sanktionen. Moser plädierte auch dafür, die Themen Umwelt, Soziales und Wirtschaft gesamt zu betrachten.

Kurz erklärte noch, man habe die Gegenfinanzierung sehr konservativ gerechnet. Optimistisch zeigte er sich weiters, dass es gelingt, die Steuerfluchtroute zu schließen, hierfür gebe es in Europa mittlerweile ein größeres Bewusstsein. Vieles sei zwar nur international zu regeln, dort wo es möglich ist, werde man aber national vorgehen.

1.500 Euro Steuerbonus für jedes Kind

Antonella Mei-Pochtler von der Boston Consulting Group hielt insbesondere die Steuereliminierung bei einbehaltenen Gewinnen für einen “Gamechanger”. Dies sei ein Signal dafür, um Investitionen im Unternehmen und somit in Arbeitsplätze zu fördern. Die Senkung der Lohnnebenkosten soll außerdem die Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Kurz hob auch die vorgeschlagenen Maßnahmen für Familien und hier den 1.500 Euro Steuerbonus für jedes Kind hervor. Bei einer Familie mit zwei Kindern wäre dies eine Erleichterung von 3.000 Euro jährlich. Die Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm sprach weiters über die Maßnahmen im Bereich der Pflege und hielt die bereits erfolgte Abschaffung des Pflegeregresses für einen entscheidenden Schritt. Sie sprach sich außerdem für einen positiven Wettbewerb im Sozial- und Pflegebereich aus. Helmut Kern, Gesamtleiter des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder Wien, wiederum ging es in der Gesundheitspolitik um eine Stärkung des niedergelassenen Bereichs, denn die Schwelle, ein Krankenhaus aufzusuchen sei zu niedrig. Er pochte auch auf eine Systemverbesserung.

Geringere Leistungen für Asylberechtigte

Im am Montag veröffentlichten Programm sind auch geringere Leistungen für Asylberechtigte vorgesehen, bei der Präsentation am Dienstag wurden sie erst auf Nachfrage erläutert. Kurz begründete die Vorschläge damit, dass die “Zuwanderung ins Sozialsystem” beendet werden müsse. Niederlassungsfreiheit wiederum bedeute für ihn, dass jeder das Recht haben soll, in einem Land zu arbeiten, sich aber nicht das beste Sozialsystem aussuchen zu können.

Kurz ortete im Programm Überschneidungen mit anderen Parteien in gewissen Bereichen, in anderen widerspreche man sich. In etwaigen Koalitionsverhandlungen werde man dann die Gemeinsamkeiten herausarbeiten. Er habe nie eine gewählte Partei ausgeschlossen, erklärte er weiters. Nun seien aber die Wähler am Wort.

NEOS entdecken eigene Ideen, Grünen-Kritik

Während sich ÖVP-Bünde und Vertretungen der Wirtschaft am Dienstag erfreut gezeigt haben über das von Parteichef Sebastian Kurz vorgestellte Wahlprogramm, setzte es von NEOS und Grünen Kritik. Die pinke Fraktion erkannte eigene Wirtschaftspositionen wieder und die Grünen fürchten eine Schwächung des Sozialsystems. Der Koalitionspartner SPÖ bekräftigte seine bereits geäußerten Kritikpunkte.

“Jahrelang abgelehnt, plötzlich kopiert”, stellte der NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn in einer Aussendung fest. Ihm sind die Positionen allerdings nicht entschlossen genug. Eine Partei, die seit 30 Jahren in der Regierung sitzt und seit 2013 alle Anträge der NEOS im Parlament abgelehnt habe, versuche sich nun angesichts notwendiger Reformen wie ein Blatt im Wind zu drehen, ätzte Schellhorn. Beispielhaft nannte er etwa die Kalte Progression oder die KÖST auf nicht entnommene Gewinne. Für echte Reformen brauche es aber die NEOS, so der Mandatar.

Die Grünen empfinden das ÖVP-Sozialprogramm als “gefährliche Drohung gegen Arbeitnehmer” und sehen eine “Ansammlung von Halbwahrheiten und Nullaussagen”. Sozialsprecherin Judith Schwentner fürchtet eine Aushöhlung der Kollektivverträge und eine Schwächung der Gewerkschaften und des Sozialsystems. Den Steuerbonus für Kinder könnten etwa nur Menschen mit höherem Einkommen nutzen, kritisierte Schwentner. Auch Budgetsprecher Werner Kogler ortet eine Umverteilung von unten nach oben: “Die großen Gewinner wären im Endergebnis die obersten zehn Prozent, Millionenerben und Milliardenstiftungen.”

Die SPÖ erklärte ebenfalls in einer Aussendung, dass nach einer genaueren Analyse des Programms die Belastungen sogar nach oben korrigiert werden müssen: ÖVP-Obmann Kurz wolle in Summe mehr als 17 Mrd. Euro einsparen, denn zu den angeführten 14 Mrd. Euro kämen noch die Konsolidierungskosten für das Nulldefizit (3,3 Mrd. Euro) und eine halbe Mrd. Euro für die Harmonisierung der Leistungen in der Krankenversicherung. “Selbst wenn man die mit vier Mrd. sicher zu hoch angenommen Konjunktureffekte abzieht, bleiben 13 Mrd. Euro, die Kurz bei den kleinen Einkommen und beim Mittelstand einkassieren will, um Bessergestellte und Konzerne mit Steuergeschenken zu bedienen”, monierte Klubchef Andreas Schieder.

Begrüßt wurde hingegen das Programm etwa von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Er freute sich über die angekündigten Maßnahmen zur Entlastung der Wirtschaft. Hervorgehoben wurde etwa das Bekenntnis, keine neuen Steuern einführen zu wollen, die Absage an eine Steuerpolitik sowie die Förderung des Eigentums. Offen zeigte sich Leitl zum Thema Angleichung von Arbeitern und Angestellten – sofern man daraus nicht einseitige Belastungen für Unternehmen ableitet.

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